TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/22 89/18/0159

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Veröffentlicht am 22.02.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
VStG §49 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt , über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. September 1989, Zl. MA 70-10/1535/89/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit sechs gesonderten Strafverfügungen der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Hernals, vom 5. Dezember 1988 wurden über den Beschwerdeführer wegen Übertretungen des "§ 99 (4) h in Verb. mit § 93 Abs. 1 und 5 StVO in Verb. mit § 9 VStG" jeweils Geldstrafen in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe jeweils 48 Stunden) verhängt.

In getrennten Schriftsätzen erhob der Beschwerdeführer "gegen das Ausmaß der o.g. Verwaltungsstrafe ... Berufung", welche er damit begründete, daß im gegenständlichen Falle, wenn überhaupt, nur eine ganz geringfügige Fahrlässigkeit vorliege, die auch durch Verwarnung geahndet werden könne. In keinem Falle sei die Verhängung der Höchststrafe gerechtfertigt. Daran schloß der Beschwerdeführer eine detaillierte Begründung.

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Hernals, vom 14. Juli 1989 wurden über den Beschwerdeführer sodann wegen der den erwähnten Strafverfügungen zugrunde gelegten Verwaltungsübertretungen neuerdings Geld- und Ersatzarreststrafen im angeführten Ausmaß verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, gegen die in Rede stehenden Strafverfügungen ausschließlich wegen des Strafausmaßes Berufung erhoben zu haben, weshalb die Erlassung des Straferkenntnisses rechtswidrig gewesen sei.

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. September 1989 wurde auf Grund dieser Berufung des Beschwerdeführers das erwähnte Straferkenntnis "gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, daß als Übertretungsnorm richtig der § 9 Abs. 1 VStG 1950 in Verbindung mit § 99 Abs. 4 lit. 4" (richtig wohl: lit. h) "StVO 1960 in Verbindung mit § 93 Abs. 1 und 5 StVO 1960 zu zitieren ist". Außerdem wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 600,-- auferlegt.

Im Anschluß an ihre Ausführungen zum Spruchteil gemäß § 44a lit. a VStG 1950 vertrat die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides zum Einwand des Beschwerdeführers, die Erlassung des Straferkenntnisses sei deshalb rechtswidrig erfolgt, weil er die jeweiligen Strafverfügungen nur hinsichtlich der Strafhöhe angefochten habe, die Auffassung, daß sämtliche Einsprüche gegen die Strafverfügungen keinesfalls nur gegen die Strafhöhe gerichtet seien und sich schon aus der Diktion dieser Rechtsmittel ergebe, daß der Beschwerdeführer die in diesen Strafverfügungen erhobenen Beschuldigungen für unrichtig erkläre. Die Strafverfügungen seien daher sehr wohl auch dem Inhalte nach bekämpft worden und deshalb ex lege außer Kraft getreten. Die Einleitung des ordentlichen Verfahrens und die Erlassung eines Straferkenntnisses seien daher in jedem Fall zulässig gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt neuerlich vor, gegen die in Rede stehenden Strafverfügungen der Bundespolizeidirektion Wien ausdrücklich nur Berufung wegen des Ausmaßes der verhängten Strafen erhoben zu haben. Er habe um Reduzierung dieser Strafen ersucht, habe auf sein geringes Einkommen und seine Sorgepflicht für zwei Kinder hingewiesen und sich dagegen ausgesprochen, daß über ihn für denselben Fehler bei der Räumung von sechs Gehsteigen sechsmal die gesetzlich zulässige Höchststrafe verhängt werde. Wenn er des weiteren Ausführungen gemacht habe, die dartun sollten, daß sein Verschulden an diesen Vorfällen ganz geringfügig gewesen sei, so habe er dies deswegen getan, weil naturgemäß der Grad und das Ausmaß des Verschuldens bei der Strafbemessung zu berücksichtigen seien. Er habe daher gegen die Strafverfügungen keinen Einspruch mit dem Ziel erhoben, die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen ihn zu erreichen, sondern vielmehr akzeptiert, daß wegen dieser Vorfälle über ihn Verwaltungsstrafen verhängt werden. Er habe aber die Höhe der über ihn verhängten Strafen nicht für gerechtfertigt erachtet und daher ausdrücklich Berufung gegen die Höhe dieser Strafen erhoben. Bei dieser Sachlage hätte daher die Behörde erster Instanz seine Berufungen auch als solche ansehen und der belangten Behörde vorlegen müssen, weshalb die Erlassung des Straferkenntnisses vom 14. Juli 1989 rechtswidrig gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer aus nachstehenden Erwägungen im Recht:

Gemäß § 49 Abs. 1 VStG 1950 kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach der Zustellung schriftlich, telegraphisch oder mündlich Einspruch erheben und zugleich die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch ist bei der Behörde, von der die Strafverfügung erlassen worden ist, einzubringen. Wird im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten in Beschwerde gezogen, so ist er zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle als Berufung anzusehen und der Berufungsbehörde vorzulegen.

Wie schon in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung ausgeführt worden ist, erhob der Beschwerdeführer in jeweils gesonderten Schriftsätzen "gegen das Ausmaß der

o. g. Verwaltungsstrafe ... Berufung" und gab dafür nachstehende "Begründung: Wenn überhaupt, dann liegt im gegenständlichen Falle nur eine ganz geringfügige Fahrlässigkeit vor, die auch durch Verwarnung geahndet werden könnte. In keinem Falle ist die Verhängung der Höchststrafe gerechtfertigt". Anschließend führte der Beschwerdeführer in diesen Schriftsätzen aus, daß er "im einzelnen dies wie folgt begründe ...". Im Anschluß an diesbezügliche Ausführungen vertrat der Beschwerdeführer sodann abschließend die Auffassung, es könne "somit nur die Bestreuung beanstandet werden. Dieser Umstand würde - abgesehen von allen anderen Argumenten - bereits eine Herabsetzung der Strafe um 50 % rechtfertigen".

Unter diesen Umständen ist auch nach Auffassung des Gerichtshofes davon auszugehen, daß in den in Rede stehenden Einsprüchen des Beschwerdeführers ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafen in Beschwerde gezogen worden ist, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, daß sich der Beschwerdeführer in diesen Einsprüchen auch zur Schuldfrage geäußert hat, weil zufolge § 19 Abs. 2 VStG 1950 bei der Strafbemessung auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen ist. Die schon wiedergegebenen Einspruchsausführungen des Beschwerdeführers, wonach "nur eine ganz geringfügige Fahrlässigkeit vorliegt", sind daher in diesem Sinne zu verstehen, was der Beschwerdeführer im übrigen in demselben Satz auch dadurch unterstrichen hat, daß diese "Fahrlässigkeit .... auch durch Verwarnung geahndet werden könnte", womit der Beschwerdeführer offensichtlich eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG 1950 gemeint hat.

Mit dem in der Gegenschrift gegebenen Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. September 1985, Zl. 85/03/0067, wonach ein Einspruch nicht als Berufung angesehen werden kann, wenn der Beschuldigte vorbringt, nicht einmal fahrlässig gehandelt zu haben, da er damit auch den Schuldspruch hinsichtlich der subjektiven Tatseite bekämpft, ist für den Standpunkt der belangten Behörde angesichts der unzweideutig erklärten Absicht des Beschwerdeführers, nur das Ausmaß der verhängten Strafen zu bekämpfen, nichts zu gewinnen.

Die belangte Behörde hätte daher das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 14. Juli 1989 wegen Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz beheben müssen und nicht in der Sache entscheiden dürfen. Sie belastete damit ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989180159.X00

Im RIS seit

22.02.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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