TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/19 89/10/0208

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Veröffentlicht am 19.03.1990
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Index

L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Vorarlberg;
L40058 Prostitution Sittlichkeitspolizei Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litd;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs2;
VStG §5 Abs1;

Betreff

N gegen Vorarlberger Landesregierung vom 23. August 1989, Zl. Ia 909-17/89, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung wurde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft A (BH) bestätigt, mit dem über die Beschwerdeführerin gemäß § 18 Abs. 3 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. 1976/6 (SPG), eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 6 Tagen, verhängt worden war, weil sie vorsätzlich Gelegenheit zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht gewährt habe, indem sie der "Milieuperson" B eine Wohnung im Haus C, D-Straße, vermietet habe, wodurch es dieser am 6. April 1989 zwischen 22.25 und 22.45 Uhr möglich gewesen sei, in einem Zimmer dieses Hauses einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt durchzuführen. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs. 1 lit. d und 4 Abs. 2 SPG begangen. Gleichzeitig sei bestimmt worden, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 v.H. der verhängten Strafe zu ersetzen habe.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde - soweit dies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Bedeutung ist - im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei bereits am 19. Dezember 1988 von der BH davon in Kenntnis gesetzt worden, daß B am 30. November 1988 gegen 1.00 Uhr mit einem Mann einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt in ihrem Haus durchgeführt habe. Die Beschwerdeführerin habe damals ersucht, das Verfahren gegen sie einzustellen, da sie künftig darauf achten werde, daß es zu keinen solchen Vorkommnissen mehr kommen werde.

Am 6. April 1989 gegen 22.45 Uhr hätten Gendameriebeamte wahrgenommen, wie ein VW-Bus vom Hause der Beschwerdeführerin kommend in die Bundesstraße n 1 eingebogen sei. Nach Anhalten des Fahrzeuges sei festgestellt worden, daß B auf dem Beifahrersitz gesessen sei. Der Fahrzeuglenker habe zugegeben, mit dieser im Hause der Beschwerdeführerin zum Preis von S 700,-- einen Geschlechtsverkehr durchgeführt zu haben. Auf Grund der Anzeige des Gendameriepostens sei gegen die Beschwerdeführerin als Eigentümerin und Vermieterin des Wohnobjektes D-Straße ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet und in weiterer Folge ein Straferkenntnis erlassen worden.

In der dagegen erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin erklärt, das Zimmer an B nicht zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht vermietet zu haben. Es sei nicht ihre Aufgabe, nach dem Sittenpolizeigesetz verbotene Tätigkeiten zu verhindern. Sie sei auch nicht verpflichtet, das Mietverhältnis aufzukündigen, zumal sich andere Mieter im Hause nicht belästigt fühlten. Durch die Vermietung des Zimmers werde nicht das Rechtsgut der öffentlichen Sittlichkeit gefährdet, da das Zimmer kein öffentlicher Bereich sei.

Die belangte Behörde habe die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren aufgefordert, bekanntzugeben, was sie alles seit dem 19. Dezember 1988 unternommen habe, um zu verhindern, daß ihre Mieterin B weiterhin die gewerbsmäßige Unzucht ausüben könne.

Die Beschwerdeführerin habe daraufhin der belangten Behörde mitgeteilt, sie habe anläßlich ihrer Einvernahme am 19. Dezember 1988 vor der BH zwar zugestanden, daß sie es für möglich hielte, B habe am 30. November 1988 gegen 1.00 Uhr in einem Zimmer ihres Hauses einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt durchgeführt, ob dieser Sachverhalt jedoch auf Grund eines rechtskräftigen Bescheides als erwiesen anzunehmen sei, sei ihr nicht mitgeteilt worden. Trotzdem habe sie B zur Rede gestellt und ihr mitgeteilt, daß sie ein derartiges Verhalten, sollte es tatsächlich zutreffen, in ihrem Haus nicht dulde. Da B eine angenehme und verläßliche Mieterin sei, hätte sie auch dann, wenn sie sie am 6. April 1989 gegen 22.45 Uhr in Begleitung eines Mannes ihr Haus betreten gesehen hätte, nicht annehmen dürfen, es werde nun "gewerbsmäßig" ein Geschlechtsverkehr vollzogen. Sie sei das Mietverhältnis ausschließlich mit dem Vorsatz eingegangen, durch die zu erzielenden Mieteinnahmen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie habe weder bei Eingehen des Mietverhältnisses noch zu einem späteren Zeitpunkt einen Sachverhalt verwirklichen wollen, der einem Tatbild des Sittenpolizeigesetzes entspreche. Eine Kündigung des Mietverhältnisses sei ihr nicht zumutbar und könne von ihr auch nicht verlangt werden, da sie auf die Mieteinnahmen angewiesen sei. In einem etwaigen Kündigungsprozeß könnte B möglicherweise den Beweis erbringen, daß von ihrer Seite gar keine vereinbarungswidrige Verwendung der Mietsache erfolgt sei. Überdies wäre ein gegen B noch im Dezember 1988 angetrengtes Kündigungsverfahren am 6. April 1989 mit Sicherheit noch anhängig gewesen, sodaß die Beschwerdeführerin auch den zweiten von der belangten Behörde angerechneten Vorfall nicht hätte verhindern können. Die Beschwerdeführerin sei auch der Auffassung, daß nach der österreichischen Rechtsordnung kein Staatsbürger von einer Verwaltungsbehörde zu einer Maßnahme verhalten werden könne, die darin bestehe, gegen irgend einen Menschen eine Zivilklage einzubringen.

In der weiteren Folge ihrer Begründung ging die belangte Behörde davon aus, die Beschwerdeführerin habe spätestens seit dem 19. Dezember 1988 gewußt, daß ihre Mieterin B in ihrem Haus die gewerbsmäßige Unzucht ausübe. Die Beschwerdeführerin irre, wenn sie glaube, sie könne sich dadurch der Verantwortung entziehen, daß sie angeblich ihre Mieterin zur Rede gestellt habe. Sie hätte vielmehr alles in ihrer Macht stehende unternehmen müssen, um die weitere Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in ihrem Haus zu verhindern. Da dies nicht geschehen sei, sei es der Mieterin B am 6. April 1989 abermals möglich gewesen, der gewerbsmäßigen Unzucht nachzugehen. Wenn die Beschwerdeführerin behaupte, sie habe das Mietverhältnis ausschließlich mit dem Vorsatz eingegangen, durch die zu erzielenden Mieteinnahmen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, so sei sie darauf hinzuweisen, daß es nicht erforderlich sei, daß der Vorsatz zur Überlassung von Räumen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht nur im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegen müsse. Strafbar sei auch, wer die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht weiterhin gewähre. Da die Beschwerdeführerin spätestens am 19. Dezember 1988 erfahren habe, daß ihre Mieterin in der von ihr vermieteten Wohnung die gewerbsmäßige Unzucht ausübe und sie nicht alles in ihrer Macht stehende unternommen habe, um dies zu beenden, habe sie sich damit abgefunden, daß ihre Mieterin weiterhin die gewerbsmäßige Unzucht ausübe. Ob eine sofortige, am 19. Dezember 1988 eingebrachte gerichtliche Kündigung oder Räumungsklage bis zum 6. April 1989 bereits Erfolg gehabt hätte, sei ohne Bedeutung. Wenn die Beschwerdeführerin behaupte, ihre Mieterin zur Rede gestellt zu haben, so könne sie sich damit dem Vorwurf, die Tat zumindest bedingt vorsätzlich begangen zu haben, nicht entziehen. Da die Beschwerdeführerin selbst wegen der Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht bereits rechtskräftig bestraft worden sei, gehe die belangte Behörde davon aus, daß sie die Gepflogenheiten des Milieus genau kenne. Deshalb habe sie auch wissen müssen, daß ein Zur-Rede-Stellen keine ernsthafte Maßnahme sei, um die Ausübung der Prostitution zu unterbinden. Die belangte Behörde schließe daraus, daß die Beschwerdeführerin die Ausübung der Prostitution in ihrem Mietobjekt zumindest billigend in Kauf genommen habe.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.3. Die belangte Behörde hat die Strafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Im Verfahren vor dem Gerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, ohne gesetzliche Grundlagen nicht bestraft zu werden, verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes verweist sie dabei auf ihre im Berufungsverfahren erstattete Mitteilung vom 13. Juni 1989. Danach habe sie bei Eingehen des Mietverhältnisses mit B ausschließlich beabsichtigt, durch die zu erzielenden Mieteinnahmen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Nach ihrer Einvernahme vor der BH am 19. Dezember 1988 habe sie B zur Rede gestellt und ihr mitgeteilt, daß sie das ihr vorgeworfene Verhalten, sollte es tatsächlich zutreffen, in ihrem Haus nicht dulde. Sie stehe jedoch nach wie vor auf dem Standpunkt, ein tatbestandsmäßiges Handeln im Sinne des § 4 Abs. 2 SPG könne niemals darin bestehen, daß sie gegen eine andere Privatperson keinen Zivilprozeß anstrenge. Das Unterlassen der Einbringung einer gerichtlichen Aufkündigung oder einer Räumungsklage sei keinesfalls einem Weiterhingewähren einer Unterkunft zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht gleichzuhalten.

Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

2.1.1. Gemäß § 4 Abs. 2 SPG ist die Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten, insbesondere die Überlassung von Räumen, zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen auf Grund einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, untersagt.

Nach § 18 Abs. 1 lit. d SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer vorsätzlich Gelegenheit zu gewerbsmäßiger Unzucht gemäß § 4 Abs. 2 gewährt oder beschafft, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.

2.1.2. Soweit die Beschwerdeführerin die Verpflichtung zur gerichtlichen Aufkündigung des Mietvertrages in Abrede stellt, bestreitet sie der Sache nach das Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der ihr zur Last gelegten Tat. Nach der Vorjudikatur wäre sie jedoch verpflichtet gewesen, nachdem sie am 19. Dezember 1988 von der Ausübung der Prostitution durch B in Kenntnis gesetzt worden war, ihren Beitrag zur inkriminierten Prostitutionsausübung zu beenden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1989, Zl. 89/10/0156).

2.1.3. Da § 18 Abs. 1 lit. d SPG für die Strafbarkeit ausdrücklich Vorsatz verlangt, handelt es sich bei der Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht um kein Ungehorsamsdelikt. Die in § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 verankerte Umkehrung der Beweislast für das Verschulden, wonach dem Täter der Nachweis seiner Schuldlosigkeit obliegt, kommt in diesem Falle nicht zum Tragen. Vielmehr hat die Behörde nicht nur die objektiven Tatbestandsmerkmale der erwähnten Übertretung festzustellen, sondern dem Täter auch das Verschulden nachzuweisen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. April 1985 Zl. 84/10/0231). Für die Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung, für die - wie im vorliegenden Fall - kein besonderer Vorsatz gefordert wird, genügt dolus eventualis (vgl. das Erkenntnis vom 26. Juni 1989, Zl. 89/10/0156).

Diese Schuldform konnte die belangte Behörde auf der Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als gegeben erachten. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kommt es nicht darauf an, ob dieser Vorsatz bereits bei Abschluß des Mietvertrages darauf gerichtet gewesen war, die in Rede stehenden Räume für die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht zu überlassen.

Soweit die Beschwerdeführerin eine Verpflichtung zur gerichtlichen Aufkündigung des Mietvertrages mit B in Abrede stellt, ist sie ebenfalls auf das bereits genannte Erkenntnis vom 26. Juni 1989 zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof - mit weiteren Judikaturhinweisen - dargelegt hat, daß es dem Vermieter zur Beendigung seines Beitrages zur inkriminierten Prostitutionsausübung auch durchaus freisteht, eine außergerichtliche Einigung etwa in Hinsicht auf eine einvernehmliche Lösung des Mietvertrages anzustreben. Daß sie dies getan hätte, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Ein bloßes Zur-Rede-Stellen des Mieters mit dem Hinweis, die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in seinem Hause nicht zu dulden, stellt keinen entsprechenden Beitrag des Vermieters zur Beendigung der Prostitutionsausübung dar (vgl. zu den Verpflichtungen des Vermieters im übrigen auch das zum Tiroler-Landes-Polizeigesetz ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1981, Zl. 81/11/0003, VwSlg. 10.619/A).

2.1.4. Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes und des übrigen Vorbringens als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

2.2. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. 1989/206.

2.3. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. 1965/45, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989100208.X00

Im RIS seit

06.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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