TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/27 89/04/0119

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Veröffentlicht am 27.03.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §59 Abs1;
GewO 1973 §367 Z26;
GewO 1973 §77 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwRallg;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Salzburg vom 29. Mai 1989, Zl. 5/01-12.029/1-1989, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 29. Mai 1989 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt:

"1.

Sie haben am 26.8.1988 in X die mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 10.10.1978, Zl. 5/02-1.023/8-1978, in der Fassung des Bescheides des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 6.1.1981, Zl. 303.538/1-III-3/81, gewerbebehördlich genehmigte Betriebsanlage (Spritzlackieranlage) betrieben, ohne die unter Punkt 29 im Spruchteil II des genannten Bescheides vorgeschriebene Auflage, wonach die Filter ordnungsgemäß zu warten und zeitgerecht zu ergänzen sind, eingehalten zu haben, da sich, wie anläßlich einer Überprüfung am 26.8.1988 festgestellt wurde, die Aktivkohleanlage infolge vorhandener Lackstaubverunreinigungen nicht in einem für eine ordnungsgemäße Funktion erforderlichen Zustand befunden hat. Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z. 26 GewO 1973 zu verantworten, weshalb über Sie gemäß § 367 GewO 1973 eine Geldstrafe in der Höhe von 13.000,-- S, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden verhängt wird.

2.

Sie haben am 26.8.1988 in X die mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 10.10.1978 in der Fassung des Bescheides des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 6.1.1981, Zl. 303.538/1-III-3/81, gewerbebehördlich genehmigte Betriebsanlage (Spritzlackieranlage) betrieben, ohne die unter Punkt 39 im Spruchteil II des genannten Bescheides vorgeschriebene Auflage, wonach die Aktivkohleadsorption so wirksam sein muß, daß im Reingasstrom ein Lösungsmittelgehalt von 100 mg nicht überschritten wird, eingehalten zu haben, da sich, wie anläßlich einer Überprüfung am 26.8.1988 festgestellt wurde, die Aktivkohleanlage infolge vorhandener Lackstaubverunreinigungen nicht im ordnungsgemäßen Zustand befunden hat, sodaß eine Einhaltung des vorgeschriebenen Grenzwertes für den Lösungsmittelgehalt von 100 mg/m3 nicht möglich war. Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z. 26 GewO 1973 zu verantworten, weshalb über Sie gemäß § 367 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von 13.000,-- S, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden verhängt wird.

Außerdem haben Sie gemäß § 64 VStG 1950 einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von insgesamt 2.600 S (zu 1. und 2. je 1.300 S) zu leisten."

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer führe mehrmals an, daß am Tag der Überprüfung die Spritzlackieranlage zu "Wartungs- und Reinigungsarbeiten" in Betrieb gewesen sei. In der gesamten Berufungsschrift finde sich jedoch keine Erläuterung, warum eine Spritzlackieranlage zu Wartungs- und Reinigungszwecken in Betrieb genommen werden müsse; nach den Erfahrungen des täglichen Lebens schlössen vielmehr derartige Arbeiten einen Betrieb in der Regel aus. Jedenfalls bestehe für den Anlagebetreiber die Verpflichtung, die Betriebsanlage bzw. Teile derselben auch bei Inbetriebnahme zu "Wartungs- und Reinigungszwecken" konsensgemäß zu betreiben. Diesem Erfordernis sei zur Tatzeit (26. August 1988) nicht Rechnung getragen worden, wie sich aus einem Aktenvermerk der chemotechnischen Sachverständigen Dr. A und Dipl.-Ing. B vom 29. August 1988 sowie auch aus ihrer Vernehmung als Zeugen am 24. November 1988 ergebe. Es sei daher eine Einvernahme von Angestellten zur Frage, in welchen Zeitintervallen die Filter in der Vergangenheit ersetzt worden seien, ebensowenig erforderlich, wie die Vornahme weiterer Überprüfungen, da eben keine bestimmten Intervalle für einen Filteraustausch vorgeschrieben worden seien und das Straferkenntnis nicht auf allfällige Übertretungen des Auflagepunktes 29 in der Vergangenheit, sondern nur am 26. August 1988 abstelle. Auch gehe der Beschwerdeführer in der Meinung fehl, er habe die Aktivkohlefilter, sollten sie auch nicht mehr voll wirksam gewesen sein, jedenfalls ersetzt und damit die Bescheidauflage erfüllt. Vorgeschrieben worden sei im Punkt 29 des Genehmigungsbescheides nämlich eine ordnungsgemäße Wartung und ein zeitgerechter Ersatz der Filter. Davon könne jedoch für die Tatzeit keine Rede sein, da zum Zeitpunkt der Überpfrüfung (12.05 Uhr) die an der Spritzlackieranlage vorhandenen Filter laut Sachverständigenaktenvermerk "offensichtlich in einem desolaten Zustand und keineswegs als aktiv zu bezeichnen" gewesen sein. Erst bei nochmaliger Überprüfung (um 14.00 Uhr desselben Tages) sei festgestellt worden, daß eine Filtereinheit mit frischer Aktivkohle gefüllt worden sei. Dem Hinweis auf fehlende Messungen hinsichtlich der Übertretung des Auflagenpunktes 39 sei entgegenzuhalten, daß in der Zeugenaussage von Dr. A Messungen des Referates für Umweltschutz bei der Spritzlackieranlage angeführt würden, wonach bei Betrieb der Anlage ohne Aktivkohle (diesem Zustand sei ein Betreiben mit funktionsuntüchtiger Aktivkohleanlage gleichzuhalten) Werte von mehreren 100 mg/m3 bis über 1000 mg/m3 ermittelt worden seien. Des weiteren enthält der angefochtene Bescheid Darlegungen zur Beweiswürdigung und zur Strafbemessung.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, zum Zeitpunkt der Überprüfung sei die Anlage unbestrittenermaßen außer Betrieb gewesen. Anläßlich der Überprüfung sei die Aktivkohleanlage nur von außen besichtigt worden. Die Kohle selbst, die die Absorption durchführe, sei überhaupt nicht überprüft worden, sondern lediglich der Blechkasten, in dem sich diese Kohleplatten befänden. Auch wenn man davon ausgehe, daß die Aktivkohlefilter nicht mehr voll wirksam gewesen seien, habe sich im Beweisverfahren nicht zweifelsfrei ergeben, daß die Lackieranlage mit schadhaften Aktivkohlefiltern in Betrieb gewesen sei. Weiters hätten die als Zeugen vernommenen Sachverständigen erklärt, daß durch den Beschlag der Aktivkohle mit Lackstaub diese "offensichtlich" in einem desolaten Zustand gewesen sei. Sie seien jedoch auf seine Rechtfertigung, daß geringfügiger Lackstaub auf dem Äußeren der Aktivkohle deren Funktionswirkung nicht beeinträchtige, nicht eingegangen. Ebensowenig sei von den Sachverständigen das Innere der Filter kontrolliert worden. Eine Begründung, warum die Aktivkohle "offensichtlich" in einem desolaten Zustand gewesen sei, fehle. Anläßlich einer einzigen Überprüfung könne nicht festgestellt werden, ob die Filter zeitgerecht ersetzt worden seien oder nicht. Die Filter seien eben dann zu ersetzen, wenn Gefahr bestehe, daß sie sich für einen konsensgemäßen Betrieb nicht mehr eigneten. Die Überprüfung habe eben in jenem Zeitpunkt stattgefunden, als die Filter ausgewechselt worden seien. Des weiteren hätte unbedingt eine Messung des tatsächlichen Lösungsmittelgehaltes im Reingasstrom zum Zeitpunkt der Überprüfung mit geeigneten Geräten vorgenommen werden müssen. Man könne sich nicht auf Meßergebnisse bei einem Betrieb der Anlage überhaupt ohne Aktivkohle berufen. Daß dabei zu hoher Lösungsmittelgehalt vorhanden sei, sei ja ganz selbstverständlich, da man ja ansonsten überhaupt keine Aktivkohle zur Ausfilterung brauchen würde. Zweifellos gebe es graduelle Unterschiede in der Funktionsfähigkeit der Aktivkohle, es sei nicht so, daß es nur voll funktionsfähige Aktivkohle und überhaupt ungeeignete Aktivkohle gäbe. Ohne eine exakte Messung könne niemals festgestellt werden, ob im Reingasstrom der vorgesehene Lösungsmittelgehalt überschritten worden sei oder nicht.

Der Beschwerde kommt im Ergebnis schon im Hinblick auf folgende Überlegungen Berechtigung zu:

Gemäß § 367 Z. 26 GewO 1973 - in der hier im Hinblick auf den Tatzeitpunkt gemäß § 1 Abs. 2 VStG 1950 anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399 - begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle u.a. mit einer Geldstrafe bis zu S 20.000,-- zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs. 1 und 2 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 2. Oktober 1989, Zl. 89/04/0050, unter Hinweis auf die dort angeführte weitere hg. Rechtsprechung dargelegt hat, wird dadurch, daß § 367 Z. 26 GewO 1973 auf die in den Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verweist, das jeweilige, in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes, was voraussetzt, daß derartige Auflagen so klar gefaßt sein müssen, daß sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen.

Diesen Erfordernissen entspricht die zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides als Norm wiedergegebene Auflage laut Punkt 29 des zitierten Bescheides, "wonach die Filter ordnungsgemäß zu warten und zeitgerecht zu ergänzen sind", nicht, da sich daraus eindeutige und schlüssige Anhaltspunkte für das Tatbestandsmerkmal "ordnungsgemäß zu warten" und "zeitgerecht zu ersetzen" nicht ergeben, und zwar dies inbesondere auch unter Bedachtnahme auf den - im angefochtenen Bescheid nicht angeführten - sich aus den Verwaltungsakten ergebenden vollständigen Inhalt der Auflage laut Punkt 29, deren erster Satz wie folgt lautet:

"Die Anlage ist so zu betreiben, daß die Anrainer nicht durch Lärm, Rauch oder üblen Geruch oder andere Immissionen (z.B. Farbnebel) unzumutbar belästigt werden."

Insbesondere nämlich auch das Merkmal der "unzumutbaren Belästigung" stellt in diesem Zusammenhang keinen im Sinne der obigen Darlegungen ausreichend bestimmten Normeninhalt dar.

Schon im Hinblick auf die Unbestimmtheit des normativen Gehaltes des Auflagenpunktes 29 erübrigte sich aber auch eine Erörterung der Frage, inwiefern eine Bestrafung nach Punkt 29 überhaupt neben dem in der Folge erörterten, die Aktivkohlefilter betreffenden Auflagenpunkt 39 überhaupt in Betracht käme.

Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten lautet die durch den Spruch des im Instanzenzug ergangenen Bescheides des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie

vom 26. - nicht wie im Spruch des angefochtenen Bescheides jeweils unrichtig angeführt vom 6. - Jänner 1981, Zl. 303.538/1-III-3/81, bestimmte Auflage Punkt 39. wie folgt:

"Werden in der Spritzlackieranlage Spritzlackierarbeiten in einem anderen Spritzverfahren als dem derzeit vorgesehenen elektrostatischen Spritzverfahren durchgeführt, so ist in die Abluftleitung der Spritzlackieranlage eine Aktivkohlefilteranlage einzubauen. Diese Aktivkohlefilteranlage muß für den Durchsatz der abgesaugten Luftmengen ausreichend dimensioniert sein. Die Aktivkohleabsorption muß so wirksam sein, daß im Reingasstrom ein Lösungsmittelgehalt von 100 mg nicht überschritten wird."

Im angefochtenen Bescheid wurde als normatives Gebot im Sinne der obigen Darlegungen lediglich der letzte Satz dieser Auflage angeführt, der aber nach dem vorangeführten vollständigen Wortlaut der Auflage laut Punkt 39. durch die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des ersten Satzes dieser Auflage bedingt wird. Daß etwa diese für die Geltung der Anordung des letzten Satzes notwendige Bedingung eingetreten wäre, ergibt sich - abgesehen von der entgegen § 44a lit. b VStG 1950 fehlenden spruchgemäßen Anführung dieses Normenteiles - ungeachtet der Bestimmung des § 44a lit. a VStG 1950, aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides nicht.

Die Beschwerde erweist sich somit schon im Hinblick auf diese Erwägungen als begründet, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft im Hinblick auf die gesetzliche Kostenpauschalierung den aus dem Titel "20 % USt" geltend gemachten Betrag sowie nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.

Schlagworte

Mängel im Spruch unvollständige Angabe der verletzten VerwaltungsvorschriftRechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Spruch Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989040119.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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