TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/25 88/08/0154

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Veröffentlicht am 25.04.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

MSchG 1979 §37 Abs1;
MSchG 1979 §7 Abs1;
VStG §19;

Betreff

Bundesminister für Arbeit und Soziales gegen Landeshauptmann von Oberösterreich vom 24. März 1988, Zl. Ge-26.841/7-1988/Pan/Lb, betreffend Übertretung des Mutterschutzgesetzes (mitbeteiligte Partei: A)

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 2. August 1985 wurde die mitbeteiligte Partei schuldig erkannt, sie habe als im Sinne des § 9 VStG 1950 Verantwortlicher in ihrer Eigenschaft als Marktleiter der S-Gmbh & Co KG verbotenerweise am gesetzlichen Feiertag, dem 8. Dezember 1984 (Maria Empfängnis), die werdende Mutter C beschäftigt. Die mitbeteiligte Partei habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 37 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes 1979, BGBl. Nr. 221, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 213/1984 (MSchG), begangen. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG 1950 wurde in diesem erstinstanzlichen Strafbescheid die mitbeteiligte Partei wegen dieses rechtswidrigen Verhaltens ermahnt.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe die mitbeteiligte Partei ihren Angaben nach die werdende Mutter aus Gefälligkeit, da sich diese in finanziellen Nöten befunden habe, arbeiten lassen und nicht aus betrieblichen Interessen. Diese Rechtfertigung sei von der werdenden Mutter auch zeugenschaftlich bestätigt worden. Ihren Angaben zufolge sei sie wenige Stunden an einer Kassa gesessen. Diese Arbeitsleistung habe für sie keine besondere Erschwernis dargestellt, sie habe auch keinerlei Beschwerden gehabt. Es erscheine somit gerechtfertigt, wegen des erwiesenermaßen geringfügigen Verschuldens der mitbeteiligten Partei an ihrem Verhalten, welches auch nur aus Gutmütigkeit herbeigeführt worden sei, mit einer Ermahnung vorzugehen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die bisherige gänzliche Unbescholtenheit der mitbeteiligten Partei Bedacht zu nehmen gewesen.

Die dagegen vom Arbeitsinspektorat für den

18. Aufsichtsbezirk wegen der Ermahnung erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. Jänner 1986, Zl. Ge-26.841/4-1986/Pan/Hin, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit den §§ 24 und 21 VStG 1950 sowie § 37 Abs. 1 MSchG als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtete sich eine vom Beschwerdeführer erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde. Mit Erkenntnis vom 14. Jänner 1988, Zl. 86/08/0073, hob der Verwaltungsgerichtshof den genannten Bescheid vom 24. Jänner 1986 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil der von der belangten Behörde damals zu Grunde gelegte Sachverhalt, daß die mitbeteiligte Partei ohne eigenen Vorteil, sondern nur auf Grund des Wunsches der werdenden Mutter nach einer weiteren Verdienstmöglichkeit die zur Last liegende Verwaltungsübertretung begangen habe, keinen Umstand darstelle, der einen die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG 1950 rechtfertigenden geringeren Grad des Verschuldens begründen könnte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid wurde der Berufung des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 und § 37 Abs. 1 MSchG Folge gegeben und anstelle der erteilten Ermahnung eine Geldstrafe in der Höhe von S 300,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 12 Stunden, verhängt. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei habe die gegenständliche Verwaltungsübertretung zumindest mit bedingtem Vorsatz begangen, da sie nach ihrer Rechtfertigung die werdende Mutter trotz Bedenken am 8. Dezember 1984 zur Arbeit herangezogen habe. Dieses Verhalten zeige, daß die mitbeteiligte Partei die Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung in Kauf genommen habe, weswegen - neben der unbestrittenen objektiven Tatseite - auch die subjektive Tatseite als gegeben zu erachten und die Verhängung einer Geldstrafe gerechtfertigt sei.

Zum Strafausmaß heißt es in der Begründung weiter, dieses sei dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angemessen und unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Mitbeteiligten als nicht überhöht zu bezeichnen. Der Mitbeteiligte beziehe ein monatliches Einkommen von S 18.000,-- und habe für 1 Kind zu sorgen. Im Hinblick auf diese Umstände und einen Strafrahmen bis zu S 15.000,-- sei die verhängte Strafe in der Höhe von S 300,-- als maßvoll zu bezeichnen. Das Strafausmaß sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, nur unerheblich gefährdet worden seien, da der Mitbeteiligte diese Übertretung nur über Drängen der geschützten Person begangen habe. Auch bedürfe es keiner höheren Strafe, um den Mitbeteiligten von der Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat abzuhalten, da er unter Bedachtnahme auf die gegenständliche Strafe soziale Aspekte nicht mehr berücksichtigen werde. Auch in generalpräventiver Hinsicht reiche die verhängte Strafe aus, da schon die Tatsache der Bestrafung andere Personen von der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten abhalte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 gestützte Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales wegen Rechtwidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor, daß die belangte Behörde ihr Ermessen bei der Strafzumessung nicht im Sinne des § 19 VStG 1950 ausgeübt habe. Durch die Verbotsnorm des § 7 Abs. 1 MSchG würden Interessen auf zwei Ebenen geschützt, nämlich die Gesundheit einer physisch besonders gefährdeten Gruppe von Arbeitnehmern einerseits und das Interesse des Staates auf lückenlose Durchsetzung der vom Gesetzgeber normierten Arbeitsruhe andererseits. Die Arbeit an der Kassa eines Supermarktes sei eine extrem streßbeladene Tätigkeit, welche die Gesundheit einer schwangeren Frau sicher erheblich gefährde. Abgesehen davon, daß diese Verwaltungsvorschrift durch Parteienvereinbarung nicht abbedungen werden könne, da es sich um zwingendes Recht handle, werde diese Gesundheitsgefährdung keinesfalls geringer, wenn die Beschäftigung über "Drängen der geschützten Person" erfolge. Es erscheine somit verfehlt, die Unerheblichkeit einer Interessengefährdung auf diese Weise zu begründen. Weiters habe sich die belangte Behörde zur Frage des Vorliegens von Milderungsgründen nicht geäußert; so wäre die aus der Aktenlage ersichtliche Unbescholtenheit des Mitbeteiligten als mildernd zu berücksichtigen gewesen. Aktenkundig sei auch, daß der Mitbeteiligte die Tat nicht geleugnet habe. Ob ein solches Geständnis jedoch als mildernd zu berücksichtigen sei, sei quaestio facti. In dem bloßen Zugeben des Tatsächlichen könne ein solches qualifiziertes Geständnis nicht erblickt werden. Ebensowenig seien etwaige Erschwerungsgründe in Erwägung gezogen worden. Sicher als erschwerend sei jedoch zu beurteilen, daß der Mitbeteiligte die Tat vorsätzlich begangen habe, da sich im höheren Verschuldensgrade eine gesteigerte Beziehung des Täters zur Tat offenbare. Weiters liege es aus Gründen der Generalprävention im Sinne des VStG, der Begehung von Übertretungen, die eine Gefährdung für Leben und Gesundheit von Menschen hervorrufen könnten, mit aller Strenge zu begegnen. Was die spezialpräventive Wirkung betreffe, scheine die verhängte Geldstrafe von S 300,-- im Hinblick auf die Einkommens- und Familienverhältnisse sowie im Hinblick auf den Strafrahmen des § 37 Abs. 1 MSchG auf keinen Fall geeignet, den Mitbeteiligten von weiteren gleichartigen Gesetzesübertretungen abzuhalten.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu wiederholten Malen dargelegt hat, ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung.

Im Grunde des Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides, die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. hiezu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Juni 1987, Zl. 86/04/0010, VwSlg. 12.489/A).

Hinsichtlich der Strafbemessung im angefochtenen Bescheid trifft sowohl der Beschwerdevorwurf der fehlerhaften Ermessensübung als auch der mangelhaften Begründung zu. Nach § 37 MSchG sind Übertretungen dieses Bundesgesetzes mit Geldstrafe bis S 15.000,--, im Wiederholungsfalle bis S 30.000,--, zu bestrafen. Im Hinblick auf die Einkommens- und Familienverhältnisse des Mitbeteiligten (monatliches Nettoeinkommen von S 18.000,-- und Sorgepflicht für 1 Kind) bewegt sich die verhängte Strafe von S 300,-- am untersten Rand des Strafrahmens. Die Verhängung einer derart geringen Strafe kommt nur dann in Betracht, wenn die mit der Tat verbundene Schädigung oder Gefährdung der Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, äußerst gering war, die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe überwiegen bzw. das Verschulden entsprechend gering ist. Keine dieser Voraussetzungen läßt sich der Begründung des angefochtenen Bescheides entnehmen. Ein geringerer Grad des Verschuldens ist schon mit Rücksicht auf die im hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1988 dargelegten Ausführungen und die gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gegebene Bindung an die Rechtsanschauung des Gerichtshofes ausgeschlossen. Weiters ist die Annahme der belangten Behörde, die von der Strafdrohung geschützten Interessen seien deswegen nur unerheblich gefährdet worden, weil die Übertretung "nur über Drängen der geschützten Person" begangen worden sei, verfehlt, weil das von der Strafdrohung geschützte Interesse in der Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung der werdenden Mutter besteht und diese Gefährdung unabhängig davon eintritt, auf wessen Wunsch die verbotene Beschäftigung erfolgt. Im übrigen läßt gerade die zwingende, der Parteiendisposition entzogene Gestaltung dieser Norm erkennen, daß der Gesetzgeber vermeiden wollte, daß - regelmäßig in wirtschaftlicher Abhängigkeit stehende - Arbeitnehmerinnen ihre gesundheitlichen Interessen aus wirtschaftlichen Gründen außer acht lassen. Aus diesem Begründungselement kann daher nicht abgeleitet werden, daß die Schädigung oder Gefährdung der von der Strafdrohung geschützten Interessen gering gewesen wären. Im übrigen enthält die Bescheidbegründung lediglich allgemein gehaltene Aussagen zu der Frage der General- und Spezialprävention.

Wie bereits mit hg. Erkenntnissen vom 12. Mai 1980, Zl. 1204/79, und vom 9. Juni 1989, Zl. 1205/79, ausgesprochen wurde, muß die Begründung der Strafbemessung, will sie den Bescheid von einem Begründungsmangel freihalten, jeweils auch ausdrücklich zur Frage des Vorliegens von Milderungs- und Erschwerungsgründen Stellung nehmen, da erst die Abwägung dieser Umstände die Strafbemessung erlaubt. Der angefochtene Bescheid läßt aber jegliche Äußerung zu diesem Aspekt der Strafbemessung vermissen.

Die belangte Behörde hat daher ihr Ermessen nicht im Sinne des § 19 VStG 1950 ausgeübt und überdies den Bescheid mit einem Begründungsmangel belastet. Der Bescheid war daher (schon wegen des ersten Grundes) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Schlagworte

Rücksichten der GeneralpräventionErschwerende und mildernde Umstände Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988080154.X00

Im RIS seit

25.04.1990

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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