TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/8 90/08/0063

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Veröffentlicht am 08.05.1990
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1116a;
ABGB §1445;
ABGB §431;
ABGB §797;
ABGB §819;
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §23 Abs3 lita;
BSVG §23 Abs3 litb;
BSVG §23 Abs3 lite;

Betreff

Sozialversicherungsanstalt der Bauern gegen Landeshauptmann von Vorarlberg vom 20. Februar 1990, Zl. IV b-69-31/1989, betreffend Feststellung von Beitragsgrundlagen gemäß § 23 BSVG (mitbeteiligte Partei: B)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidausfertigung ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

1.1. Der Mitbeteiligte führte aufgrund eines Pachtvertrages vom 12. Juli 1983 als Pächter der im Eigentum seines Vaters gestandenen Liegenschaften einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und war demgemäß gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG pflichtversichert. Gemäß § 23 Abs. 3 lit. e BSVG (in der BIS zur 11. Novelle zum BSVG, BGBl. Nr. 611/1987, geltenden Fassung) war bei Bildung des für die Beitragsleistung gemäß § 23 Abs. 1 und 2 BSVG maßgebenden Versicherungswertes ein um EIN DRITTEL VERMINDERTER EINHEITSWERT zugrunde zu legen.

1.2. Der Vater des Mitbeteiligten starb am 17. Oktober 1983; erst am 9. Juli 1987 wurde vom Bezirksgericht Bregenz die Einantwortungsurkunde erlassen, aufgrund derer der Beschwerdeführer als Erbe seines Vaters das Eigentumsrecht an den Pachtliegenschaften erlangte. Die Einantwortungsurkunde erwuchs (spätestens) am 27. Juli 1987 in Rechtskraft.

2.0. Strittig ist, ab welchem Zeitpunkt in der Versicherung des Mitbeteiligten bei Bildung des Versicherungswertes nunmehr gemäß § 23 Abs. 3 lit. a BSVG DER VOLLE EINHEITSWERT zugrunde zu legen ist.

2.1. Mit BESCHEID VOM 12. JUNI 1989 hat die Beschwerdeführerin dem Mitbeteiligten die dem höheren Versicherungswert entsprechenden Beitragrundlagen ab

1. NOVEMBER 1983 vorgeschrieben (somit ab dem auf den Todestag folgenden Monatsersten); sie stützte sich dabei u.a. auf die Überlegung, daß der landwirtschaftliche Betrieb während des Verlassenschaftsverfahrens nicht etwa auf Rechnung und Gefahr der Verlassenschaft, sondern jener Person geführt worden sei, die im Verlassenschaftsverfahren erst zu bestimmen gewesen wäre und am Ende mit dem Mitbeteiligten festgestanden sei. Das Eigentum gehe nicht etwa zuerst auf die juristische Person Verlassenschaft und von dieser auf den Erben über, sondern direkt vom Verstorbenen auf den Erben. Aufgrund der Regelung des § 547 ABGB werde der Besitz des Erblassers bis zur Annahme durch den Erben als fortwirkend gedacht. Es werde daher auch ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb bereits ab dem Todestag auf Rechnung und Gefahr des später Berechtigten geführt. In dem Maß, als das Pachtrecht mit den Rechten des Verstorbenen, in welche der Erbe mit Wirkung des Todestages eintrete, vereinigt werde, erlösche es gemäß §§ 1445, 1446 ABGB.

Die mitbeteiligte Partei hat gegen diesen Bescheid Einspruch erhoben.

2.2. Mit dem angefochtenen BESCHEID VOM 20. FEBRUAR 1990 hat die belangte Behörde dem Einspruch Folge gegeben und die Beitragsgrundlagen der mitbeteiligten Partei vom 1. November 1983 bis 31. Juli 1987 in einem (wieder) um ein Drittel verminderten Ausmaß festgestellt.

In der Begründung dieses Bescheides vertritt die belangte Behörde die Auffassung, daß für die Beurteilung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb geführt werde, von Bedeutung sei, ob Eigentum oder vertragliche Bindungen vorlägen, die eine rechtliche Haftung für den Betrieb begründeten. Gemäß § 1116a ABGB sei der Pachtvertrag des Mitbeteiligten mit seinem Vater durch dessen Tod weder aufgehoben noch abgeändert worden. Auch die ruhende Verlassenschaft habe diesen Vertrag nicht aufgekündigt. Der Pachtvertrag sei erst mit Rechtskraft der Einantwortungsurkunde am 27. Juli 1987 erloschen. Erst ab diesem Zeitpunkt sei der Mitbeteiligte "infolge Vereinigung von Besitz und Eigentum in seiner Person" als "Selbstbewirtschafter" pflichtversichert geworden. Aus diesem Grunde sei daher keine nachträgliche (d.h. hinter den 1. August 1987 zurückreichende) Erhöhung der Beitragsgrundlage eingetreten.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Darin wiederholt die Beschwerdeführerin im wesentlichen ihre schon in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung: Grundsätzlich seien für die Frage der Zurechnung landwirtschaftlicher Betriebe die zivilrechtlichen Umstände maßgebend. Die Ansicht der belangten Behörde, daß der Pachtvertrag nicht aufgelöst, sondern bis zur Rechtskraft der Einantwortungsurkunde fortgedauert hätte, sei für den sozialversicherungsrechtlichen Bereich nicht haltbar. Es sei unstreitig, daß der Erbe direkter Rechtsnachfolger des Erblassers sei, woraus sich ergebe, daß die Rechtswirkungen, die den Nachlaß betreffen, während der Dauer des Verlassenschaftsverfahrens letztlich dem Erben zuzurechnen seien. Da der Beschwerdeführer den Betrieb unstreitig allein geführt habe, sei es denkunmöglich, diese Betriebsführung quasi in zwei Teile, nämlich zu zwei Drittel des Pächters und zu einem Drittel des Verpächters, aufzuteilen.

4.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

4.1. Vorweg ist der Beschwerdeführerin zu entgegnen, daß ihre Argumentationslinie, wonach der land- und forstwirtschaftliche Betrieb schon während des Verlassenschaftsverfahrens dem Mitbeteiligten als (schließlich feststehenden) Erben zuzurechnen sei, auf einem offenkundigen Mißverständnis beruht: Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, kommt es zur Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb geführt wird, auf das Außenverhältnis, d.h. darauf an, wer aufgrund einer nach außen in Erscheinung tretenden Rechtsbeziehung aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird. Als derartige Rechtstatsachen können dingliche und obligatorische Rechtsverhältnisse in Betracht kommen, insbesondere auch ein Pachtvertrag (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051, mit zahlreichen Hinweisen, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung verwiesen wird).

Es kann daher im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft sein, daß der Betrieb während des gesamten Streitzeitraumes auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers geführt wurde, da dies schon aufgrund des Pachtvertrages notwendig der Fall sein mußte.

4.2. Die entscheidungswesentliche Frage liegt in Wahrheit darin, ob der Mitbeteiligte während des Verlassenschaftsverfahrens weiterhin als Pächter (dann wäre er im Genuß der Begünstigung des § 23 Abs. 3 lit. e BSVG verblieben) oder als Eigentümer (dann wäre der Versicherungswert nach § 23 Abs. 3 lit. a BSVG zu ermitteln) den Betrieb geführt hat.

4.2.1. Wie die Beschwerdeführerin selbst richtig erkennt, erlischt das Pachtverhältnis nicht mit dem Tod des Verpächters (so ausdrücklich § 1116a erster Satz ABGB), sondern wird (grundsätzlich unverändert) mit dem Nachlaß fortgesetzt. Es bleibt daher nur die Frage zu prüfen, wann der Mitbeteiligte aufgehört hat, Pächter zu sein. Mangels einer Aufkündigung oder sonstigen Auflösung des Pachtvertrages seitens des Nachlasses (eine derartige Beendigung des Pachtvertrages wird auch in der Beschwerde nicht behauptet) kommt dafür nur jener Zeitpunkt in Betracht, zu welchem der Mitbeteiligte Eigentümer der Liegenschaften wurde und das Pachtrecht zufolge Rechtsnachfolge des Berechtigten in die Rechtsposition des Verpflichteten gemäß § 1445 ABGB aufgehört hat, zu bestehen.

4.2.2. Die damit in Wahrheit ausschlaggebende Frage, wann der Erbe Eigentümer des Nachlasses wird, beantworten Lehre (vgl. KLANG in: Klang, 2. Auflage, II, 371 f; SPIELBÜCHLER in:

Rummel I, 2. Auflage, § 436, RdZ 4; WELSER in: Rummel I,

2. Auflage, §§ 797, 798, RdZ 5; KRALIK - EHRENZWEIG, Das Erbrecht, 323; KOZIOL - WELSER, Grundriß II, 8. Auflage, 387; SCHWIMANN - ECCHER, ABGB III, § 819, Rz 8 und 15) und Rechtsprechung (vgl. etwa SZ 12/70, 37/60, 49/104 und 54/99) EINHELLIG im Sinne der EINANTWORTUNG (und zwar mit RECHTSKRAFT der Einantwortungsurkunde vgl. SCHWIMANN - ECCHER, ABGB III, § 819, Rz 13, unter Hinweis auf OGH NZ 1988, 137). Die Rechtskraft der Einantwortungsurkunde bewirkt (unter Durchbrechung des Eintragungsprinzips) auch den Erwerb des Eigentumsrechtes an Liegenschaften und (gegebenenfalls) die Vereinigung der Gläubiger- und Schuldnerstellung im Sinne des § 1445 ABGB (vgl. SZ 12/70, SZ 37/60 u.a.).

4.3. Die belangte Behörde hat damit im Ergebnis zutreffend erkannt, daß - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - die mitbeteiligte Partei erst mit Rechtskraft der Einantwortungsurkunde vom Pächter zum Eigentümer wurde. Der Versicherungswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes des Mitbeteiligten war daher im Streitzeitraum im Sinne der Rechtsauffassung der belangten Behörde gemäß § 23 Abs. 3 lit. e BSVG festzustellen.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990080063.X00

Im RIS seit

08.05.1990

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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