TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/14 90/19/0156

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Veröffentlicht am 14.05.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
BAO §115 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

T gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 16. August 1988, Zl. III 50/88, betreffend Aufenthaltsverbot.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 16. August 1988 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 14. Juli 1988 als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, "daß das Aufenthaltsverbot nicht auf § 3 Abs. 2 Z. 7 des Fremdenpolizeigesetzes i.d.g.F. gestützt wird, und daß im Spruch auch § 3 Abs. 3 leg. cit. zitiert wird". Mit dem zuletzt genannten Bescheid war gegen den am 5. Mai 1967 geborenen Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, "gemäß § 3 Abs. 1 und 2 Z. 1, 2 und 7 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes" ein bis zum 10. Mai 1998 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen worden.

Der Begründung des mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden angefochtenen Bescheides läßt sich entnehmen, daß der Beschwerdeführer 1988 in Österreich wie folgt gerichtlich bestraft wurde:

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Jänner 1988 wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß § 15 und § 269 Abs. 1 StGB mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je S 40,--; mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. März 1988 wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB mit einer - zusätzlichen - Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je S 40,--, und mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12. Juli 1988 wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB, des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht der Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1 StGB, des Vergehens nach § 114 Abs. 1 ASVG und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten.

Darüber hinaus verwies die belangte Behörde auf eine Reihe von Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen. So seien bereits in den Jahren 1983 und 1984 über den Beschwerdeführer jeweils wegen Übertretungen nach Art. IX EGVG und § 1 des Tiroler Landespolizeigesetzes Geldstrafen von je S 600,-- verhängt worden. Desweiteren sei der Beschwerdeführer in den Jahren 1986 bis 1988 zweimal wegen Übertretungen des § 5 Abs. 1 StVO, einmal wegen der Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG, einmal wegen der Übertretung des § 367 Abs. 5 Gewerbeordnung und einmal wegen Übertretung nach Art. IX EGVG (im alkoholisierten Zustand) mit Geldstrafen von S 2.000,-- bis S 15.000,-- belegt worden.

Die gerichtlichen Verurteilungen (von welchen eine den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG erfülle) und die Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen (von welchen vor allem die wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 FrPolG erfüllten) wertete die belangte Behörde dahin, daß der Beschwerdeführer ein Mensch sei, der zur Begehung von Straftaten neige und daher eine Gefahr für die in Österreich aufhältigen Menschen darstelle. Fremde, die auch durch beträchtliche Strafen nicht dazu gebracht werden könnten, die Vorschriften des Gastlandes zu beachten, stellten zweifellos eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer entspreche zwingenden öffentlichen Interessen, weil das Fernhalten rückfälliger Straftäter, die andere in ihrer körperlichen Sicherheit gefährdeten bzw. tatsächlich verletzten sowie am Vermögen schädigten, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dringend gebote sei.

In Würdigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers, bei deren Feststellung die belangte Behörde von den Angaben des Beschwerdeführers ausging (Aufenthalt in Österreich seit 1980, eine damit verbundene gewisse Integration; Aufenthalt der Eltern und Geschwister sowie Bekannter des Beschwerdeführers in Österreich), räumte die belangte Behörde ausdrücklich ein, daß das Aufenthaltsverbot einen beträchtlichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle, wenngleich zu beachten sei, daß der Beschwerdeführer volljährig sei, und daß die Ehegattin und die Kinder des Beschwerdeführers in der Türkei aufhältig seien. Auch eine ausgeprägte Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft liege im Hinblick auf seinen bisherigen Lebenswandel im Gastland mit Sicherheit nicht vor; ebensowenig eine nachhaltige Beeinträchtigung seines beruflichen oder persönlichen Fortkommens, wenn er Österreich verlassen müsse. Die belangte Behörde hielt diesen Eingriff zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit - für "unbedingt geboten", weil die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme vom Aufenthaltsverbot als unverhältnismäßig schwerer einzustufen seien als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Angesichts der wiederholten, zum Teil äußerst verwerflichen Straftaten des Beschwerdeführers im Gastland seit 1982 und der daraus ersichtlichen Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung, sei die belangte Behörde nach sorgfältiger Abwägung des vorliegenden Sachverhaltes zu dem Ergebnis gelangt, daß das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiege, als die gebotene Rücksichtnahme auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Betrachte man das Verhalten des Beschwerdeführers im Gastland insgesamt, so könne man bei Berücksichtigung des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers gerade noch mit einer Befristung des Aufenthaltsverbotes mit 10 Jahren das Auslangen finden. Ein kürzer befristetes Aufenthaltsverbot würde dem Zweck dieser Maßnahme, nämlich vorbeugender und wirksamer Schutz der inländischen öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, nicht gerecht werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 13. März 1989, B 1674/88, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Durchführung eines ordentlichen Verwaltungsverfahrens unter Anwendung der Bestimmungen des AVG, auf ordnungsgemäße Begründung des Bescheides und daß gegen ihn kein Aufenthaltsverbot erlassen werde, verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 75/1954 in der Fassung BGBl. Nr. 575/1987 (FrPolG), kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958 (MRK), genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 2 FrPolG hat ferner u.a. als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden ist.

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. Die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Unter dem Titel der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhebt der Beschwerdeführer in erster Linie den Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs. Der Beschwerdeführer sei von der Behörde erster Instanz vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht ausreichend vernommen worden und es wäre ihm außerdem keine Möglichkeit eingeräumt worden, nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens zu den Ergebnissen desselben Stellung zu nehmen.

Dieser Vorwurf ist zwar berechtigt, da die Behörde erster Instanz vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit eingeräumt hat, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die Vernehmung des Beschwerdeführers am 30. März 1988 erfolgte nicht in dem Verfahren, das zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hat, sondern im Zuge eines Verfahrens, in dem der Beschwerdeführer unter der Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angewiesen worden ist, das Bundesgebiet zu verlassen. Diese Vernehmung, bei der dem Beschwerdeführer die damals schon rechtskräftig ausgesprochenen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen vorgehalten wurden, kann das dem Beschwerdeführer im Verfahren über die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 AVG förmlich einzuräumende Parteiengehör nicht ersetzen. Dennoch kann die Verletzung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil der bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Beschwerdeführer in seiner Berufung die Verletzung des Parteiengehörs nicht geltend gemacht und überdies nichts gegen die von der Behörde erster Instanz getroffenen Sachverhaltsfeststellungen vorgebracht hat. Ein allfälliger Mangel des Parteiengehörs wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls im Berufungsverfahren durch die mit der Berufung gegebenen Möglichkeiten der Stellungnahme saniert (siehe u.a. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Auflage, 1987, S. 196, insbesondere unter E 14 zu § 37 angeführte Vorjudikatur). Die gerügte Verletzung des Parteiengehörs könnte im vorliegenden Fall der Beschwerde aber auch schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil sich der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde darauf beschränkt, den Mangel des Parteiengehörs aufzuzeigen, ohne die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen zu bekämpfen und ohne darzulegen, was er - konkret - vorgebracht hätte, wenn Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre (siehe hiezu Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 200 E 38 und 39 zu § 37).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch in der vom Beschwerdeführer als Verfahrensmangel gerügten Tatsache, daß die belangte Behörde seine von ihm in der Berufung als Zeugen geführten Eltern nicht vernommen hat, keine Rechtswidrigkeit zu erblicken. Die belangte Behörde hat nämlich - wie sie auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebracht hat - auf die Vernehmung dieser beiden Personen als Zeugen deshalb verzichtet, weil sie auch ohne deren Vernehmung dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung seine persönlichen und familiären Verhältnisse betreffend, das von seinen Eltern bestätigt werden sollte, Glauben geschenkt und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.

Der letztlich von der Beschwerde gerügte Begründungsmangel, entbehrt jeder Berechtigung. Die belangte Behörde hat in ausführlicher Weise dargelegt, aus welchen Gründen und Erwägungen sie bei Abwägung der vorliegenden öffentlichen Interessen mit den zweifelsfrei gegebenen privaten Interessen des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis kam, daß die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes überwiegen würden.

Unter dem Titel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit bestreitet der Beschwerdeführer - wobei auch er von den von der belangten Behörde festgestellten gerichtlichen Verurteilungen und Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen ausgeht -, daß "diese bestimmten Tatsachen des § 3 Abs. 2 FrPolG" eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellten, und bekämpft des weiteren das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung.

Hiezu muß zunächst darauf hingewiesen werden, daß die belangte Behörde die bereits angeführte gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen verschiedener Vergehen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten und die zweimaligen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretungen des § 5 Abs. 1 StVO als "bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1" gewertet hat. Unter Zugrundelegung des Gesetzeswortlautes des § 3 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrPolG ist dies auch zu Recht geschehen, da sowohl die unbedingte gerichtliche Verurteilung eines Fremden zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten (vgl. § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG), als auch die mehr als einmalige Bestrafung des Fremden wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen (vgl. § 3 Abs. 2 Z. 2 FrPolG), als "bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1" zu gelten hat. Daran, daß es sich bei Übertretungen des § 5 Abs. 1 StVO, die im übrigen im Beschwerdefall der Anlaß für die Verhängung hoher Geldstrafen und für den Entzug der Lenkerberechtigung waren, um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen handelt, kann kein Zweifel bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0143). Damit ist davon auszugehen, daß die Annahme gerechtfertigt ist, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (§ 3 Abs. 1 FrPolG).

Zu prüfen bleibt sohin die Beurteilung der persönlichen und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde. Diese ist davon ausgegangen, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer in dessen Privat- und Familienleben eingreifen würde. Sie ist dennoch zu dem Ergebnis gelangt, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zur Erreichung bestimmter (im einzelnen genannter) Ziele des Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten sei, und daß die Abwägung der im Beschwerdefall maßgebenden öffentlichen Interessen gegen die relevanten privaten Interessen des Beschwerdeführers - Bedacht genommen wurde auf sämtliche, nunmehr auch in der Beschwerde vorgebrachten, die Lebenssituation des Beschwerdeführers, seiner Familie und seiner Frau und der Kinder kennzeichnenden, den Z. 1 bis 3 des § 3 Abs. 3 FrPolG subsumierbaren Aspekte - zugunsten der öffentlichen Interessen ausgehe. Der Gerichtshof kann angesichts der zahlreichen, vom Beschwerdeführer nahezu während des gesamten Aufenthaltes im Bundesgebiet begangenen gerichtlich strafbaren Handlungen, die jeweils zu Verurteilungen führten, und der in der Mehrheit durchaus nicht als geringfügig zu wertenden Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen, und der darin zum Ausdruck kommenden Geringschätzung der körperlichen Integrität seiner Mitmenschen, nicht finden, daß die Annahme der belangten Behörde, es sei die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer zur Sicherung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen dringend geboten, durch das Gesetz nicht gedeckt wäre. Desgleichen bestehen keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde im Rahmen der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 FrPolG vorgenommene Wertung, daß im Hinblick auf die Häufung der vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Delikte und die Täterpersönlichkeit des Beschwerdeführers, die sich insbesondere durch die Neigung auszeichne, andere in ihrer körperlichen Sicherheit zu gefährden, die bezeichneten öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ungleich schwerer wiegen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf sein jugendliches Alter und das Bemühen, sein strafrechtliches Verhalten auf Entwicklungskrisen und Schwierigkeiten im Reifeprozeß zurückzuführen, muß angesichts der sich aus dem vorliegenden Sachverhalt ergebenden Tatsache, daß das von ihm gezeigte strafbare Verhalten während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht nur auf jugendlichen Leichtsinn schließen läßt, ins Leere gehen.

Da im übrigen die belangte Behörde gerade im Hinblick auf das jugendliche Alter des Beschwerdeführers das Aufenthaltsverbot auf die Dauer von zehn Jahren befristet hat, kann der Beschwerde auch nicht darin gefolgt werden, wenn sie ausführt, es wäre die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von ein oder zwei Jahren ausreichend gewesen. Der Beschwerdeführer hat in dem ca. acht Jahre währenden Aufenthalt im Bundesgebiet kontinuierlich so schwere Straftaten gesetzt, daß nichts die Annahme rechtfertigen könnte, ein Aufenthaltsverbot von kürzerer Dauer würde zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit ausreichend sein. Eine grundlegende Veränderung im Verhalten des Beschwerdeführers ist angesichts des sich aus der Aktenlage ergebenden Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers in einem kürzeren Zeitraum kaum zu erwarten. Die Beschwerde erweist sich sohin auch in diesem Punkt als unbegründet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Parteiengehör Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190156.X00

Im RIS seit

14.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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