TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/23 89/13/0036

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Veröffentlicht am 23.05.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §250;
BAO §275;
BAO §279;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 14;

Betreff

W-GmbH gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 15. Dezember 1988, GZ. 6/2 - 2325/1/85, betreffend Zurücknahme von Berufungen

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Da die Beschwerdeführerin für die Jahre 1979, 1981 und 1982 weder Abgabenerklärungen noch Bilanzen, Verlust- und Gewinnrechnungen oder sonstige Unterlagen vorlegte, schätzte das Finanzamt die Gewinne aus Gewerbebetrieb für die genannten Jahre gemäß § 184 BAO in der Höhe von jeweils S 200.000,--.

Gegen den Gewerbesteuerbescheid 1979 vom 27. Februar 1984 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung, in welcher sie jedoch nur beantragte, "den angenommenen Gewinn aus Gewerbebetrieb zu stornieren, da die Firma keinen Gewinn aus Gewerbebetrieb erzielte". Gleichzeitig verwies sie darauf, daß "die Firma Verlustvorträge von mehr als 17 Mio S ausgewiesen" habe. Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt diese Berufung ab. Da weder eine Bilanz noch eine Verlust- und Gewinnrechnung eingebracht worden sei, habe "die Schätzung gemäß § 184 BAO aufrechterhalten werden" müssen. Im Hinblick darauf, daß die Verlustvorträge bereits aufgebraucht worden seien, käme im Streitjahr auch die Berücksichtigung eines Verlustvortrages nicht mehr in Betracht. Die Höhe der Schätzung erfolge "in Anlehnung an das Jahr 1978, wogegen kein Rechtsmittel eingebracht wurde".

Gegen die Berufungsvorentscheidung erhob die Beschwerdeführerin "Berufung", welche das Finanzamt zu Recht als Antrag gemäß § 276 BAO wertete. In dem betreffenden Schriftsatz wird lediglich die Behauptung aufgestellt, daß "ein Ertrag aus Gewerbebetrieb nicht erzielbar" gewesen sei.

Auch gegen die Gewerbesteuerbescheide 1981 und 1982, beide vom 24. Juli 1984, wurde fristgerecht Berufung erhoben. In dieser wird ebenfalls nur ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin in den Streitjahren "keinen Gewinn aus Gewerbebetrieb erwirtschaftet" habe, weshalb "die Vorschreibung unrichtig" sei.

Mit Bescheid vom 29. April 1985 richtete das Finanzamt hinsichtlich der Berufungen gegen die Gewerbesteuerbescheide 1981 und 1982 einen Mängelbehebungsauftrag an die Beschwerdeführerin, in welchem es darauf hinwies, daß die Rechtsmittel keine Begründungen enthielten. Die Beschwerdeführerin wurde ersucht, diese nachzuholen und Bilanzen sowie Verlust- und Gewinnrechnungen für die Streitjahre vorzulegen. Für die Behebung der Mängel wurde der Beschwerdeführerin eine Frist bis 15. Mai 1985 eingeräumt.

Mit Schreiben vom 13. Mai 1985 führte die Beschwerdeführerin hierauf aus, sie könne nur darauf hinweisen, daß in den Geschäftsjahren 1981 und 1982 "keine Gewinne aus dem Gewerbebetrieb" hätten entstehen können, weil sie als Aktivposten lediglich Immobilien und Baugrundstücke im Anlagevermögen gehabt habe. Diesem Posten wären "Bankkredite und Ausgleichsschulden" gegenüber gestanden, "sodaß daraus kein Gewinn möglich ist". Die Vorlage der Bilanzen bzw. Verlust- und Gewinnrechnungen sei im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin ohne Personal und ohne steuerliche Beratung sei, "zum gegenwärtigen Zeitpunkt ... nicht möglich".

In der Folge legte das Finanzamt sowohl die Berufung betreffend den Gewerbesteuerbescheid 1979 als auch die Berufungen hinsichtlich der Gewerbesteuerbescheide 1981 und 1982 der belangten Behörde zur Entscheidung vor.

Mit formlosen Schreiben vom 8. Februar 1988 ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin "zur Glaubhaftmachung" dafür, daß sie in den Jahren 1979, 1981 und 1982 keinen Gewinn aus Gewerbebetrieb erzielt habe, Aufstellungen der in diesen Jahren verkauften Liegenschaften vorzulegen und die ursprünglichen Anschaffungskosten sowie die erzielten Verkaufserlöse anzugeben.

Hierauf gab die Beschwerdeführerin am 9. April 1988 bekannt, daß sich aus den vorhandenen Unterlagen ergebe, daß in den strittigen Jahren "keine Liegenschaften verkauft wurden".

Mit Bescheid vom 2. November 1988 schließlich forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, ihre Berufung gegen den Gewerbesteuerbescheid 1979 durch Vorlage einer Begründung dieses Rechtsmittels bis 30. November 1988 zu ergänzen.

Innerhalb offener Frist teilte die Beschwerdeführerin mit, daß bei der vom Finanzamt durchgeführten Schätzung "erhebliche Vorträge von Gewerbesteuerguthaben ... außer acht gelassen wurden". Im übrigen habe die Beschwerdeführerin "seit der Abwicklung des Ausgleiches keine Erträge aus der Gewerbetätigkeit" gehabt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, daß die Berufungen der Beschwerdeführerin gegen die Gewerbesteuerbescheide 1979, 1981 und 1982 gemäß § 275 BAO als zurückgenommen gelten. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

Gemäß § 250 Abs. 1 lit. d BAO müsse eine Berufung auch eine Begründung enthalten.

Entspreche eine Berufung diesem Erfordernis nicht, sei gemäß § 275 BAO ein Mängelvorhalt mit dem Hinweis hinauszugeben, daß das Rechtsmittel nach fruchtlosem Ablauf einer zu bestimmenden Frist als zurückgenommen gelte.

Den vorliegenden Berufungen könne zwar nicht ausdrücklich, wohl aber aus dem Zusammenhang erkennbar, entnommen werden, daß die Änderung der erstinstanzlichen Bescheide insoweit beantragt werde, als der Gewerbeertrag für die Streitjahre mit S Null festgesetzt werden solle. Es fehle jedoch eine entsprechende Begründung für die beantragte Änderung.

An die Beschwerdeführerin seien einerseits vom Finanzamt hinsichtlich der Berufungen gegen die Gewerbesteuerbescheide 1981 und 1982 und andererseits von der belangten Behörde hinsichtlich der Berufung gegen den Gewerbesteuerbescheid 1979 Mängelvorhalte mit dem Auftrag gerichtet worden, "die den Berufungen anhaftenden inhaltlichen Mängel - FEHLEN VON BEGRÜNDUNGEN -" innerhalb jeweils gesetzter Fristen zu beheben.

Die Beschwerdeführerin habe in entsprechenden Antwortschreiben dazu ausgeführt, daß sie sich im Ausgleich befinde bzw. ein Ausgleichsverfahren beendet sei und in den in Streit stehenden Jahren keine Gewinne aus Gewerbebetrieb hätten entstehen können, weil an Aktivposten lediglich Immobilien und Baugrundstücke vorhanden gewesen seien, denen Bankkredite und Ausgleichsschulden gegenüber gestanden wären.

Dieses Vorbringen stelle jedoch keine Begründung für die beantragten Änderungen, sondern "unüberprüfbare Behauptungen, die einer sachlichen Behandlung nicht zugänglich sind" dar.

Um den Mängelbehebungsaufträgen zu entsprechen, wäre es Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, die Berufungsanträge durch Vorlage entsprechender Unterlagen zu begründen. Die in den Antwortschreiben auf die Mängelbehebungsaufträge aufgestellten Behauptungen könnten nicht als Begründung der Berufungen angesehen werden.

Da den Mängelbehebungsaufträgen demnach nicht entsprochen worden sei, wäre die angedrohte Rechtsfolge eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muß die Berufung enthalten:

a)

die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b)

die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c)

die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d)

eine Begründung.

Wenn eine Berufung nicht den in § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen entspricht, so hat gemäß § 275 BAO die Abgabenbehörde erster Instanz dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Im Berufungsverfahren haben gemäß § 279 Abs. 1 BAO die Abgabenbehörden zweiter Instanz die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind.

Im Beschwerdefall geht es ausschließlich um die Frage, ob hinsichtlich der gegen die Gewerbesteuerbescheide 1979, 1981 und 1982 gerichteten Berufungen die Rechtsfolge des § 275 BAO - nämlich die Zurücknahme der Rechtsmittel infolge Fristversäumnis - eingetreten ist oder nicht.

Bei Prüfung dieser Frage ist zunächst davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin keine wie immer gearteten Abgabenerklärungen oder sonstige Unterlagen für die Streitjahre beibrachte, sodaß das Finanzamt grundsätzlich zur Durchführung einer Schätzung der Bemessungsgrundlagen gemäß § 184 BAO berechtigt war. Diese Berechtigung nahm es auch wahr und setzte anläßlich der - im Verwaltungsverfahren lediglich strittigen - Gewerbesteuerveranlagungen jeweils einen Gewinn aus Gewerbebetrieb (bzw. Gewerbeertrag in gleicher Höhe) von S 200.000,-- fest.

In den konkret gegen die betreffenden Abgabenbescheide eingebrachten Berufungen wird lediglich ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin in dem jeweils fraglichen Jahr "keinen Gewinn aus Gewerbebetrieb" erwirtschaftet habe.

Im Hinblick auf diesen Sachverhalt entsprechen die in Rede stehenden Rechtsmittel zwar den Erfordernissen des § 250 Abs. 1 lit. a und b BAO, weil einerseits die Bescheide, gegen welche sie sich richten, bezeichnet wurden und andererseits klar war, daß eine Anfechtung der bekämpften Bescheide nur hinsichtlich der Höhe des geschätzten Gewinnes aus Gewerbebetrieb erfolgte; den Berufungen mangelte es aber zum einen an der Erklärung, welche konkreten Änderungen beantragt werden (§ 250 Abs. 1 lit. c BAO) und zum andern an einer Begründung (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO). An dem Erfordernis gemäß § 250 Abs. 1 lit. c BAO fehlt es den in Rede stehenden Rechtsmitteln inbesondere deshalb, weil aus ihnen nicht hervorgeht, durch welche konkreten Beträge der in den einzelnen Streitjahren mit jeweils S 200.000,-- geschätzte Gewinn aus Gewerbebetrieb nach Ansicht der Beschwerdeführerin ersetzt werden soll; denn aus den in den Berufungen in diesem Zusammenhang allein enthaltenen Behauptungen, in den fraglichen Jahren seien keine Gewinne aus Gewerbebetrieb erwirtschaftet worden, kann keineswegs ohne weiteres - wie dies im angefochtenen Bescheid geschieht - gefolgert werden, die Beschwerdeführerin beantrage, die betreffenden Gewinne aus Gewerbebetrieb gerade mit S Null anzusetzen. Die Behauptung, daß keine Gewinne erzielt wurden, schließt nämlich nicht aus, daß sich in einzelnen der in Streit stehenden Jahre Verluste aus Gewerbebetrieb ergeben haben.

In den von der Finanzverwaltung hinausgegebenen Mängelbehebungsaufträgen wird jedoch der Beschwerdeführerin lediglich vorgehalten, daß es den genannten Rechtsmitteln nur an entsprechenden Begründungen mangle und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf § 250 Abs. 1 lit. d BAO verwiesen. Die bei der gegebenen Sachlage ohne Zweifel notwendige Aufforderung, Erklärungen abzugeben, welche Änderungen durch die betreffenden Rechtsmittel ziffernmäßig beantragt werden (§ 250 Abs. 1 lit. c BAO), enthalten beide Mängelvorhalte konkret nicht.

In ihren unbestrittenermaßen fristgerecht erfolgten Vorhaltsbeantwortungen geht die Beschwerdeführerin daher auch lediglich auf die Frage der Begründung ihrer Rechtsmittel ein und versucht darzulegen, daß in den Streitjahren keine Gewinne aus Gewerbebetrieb "entstehen konnten, weil die Firma als Aktivposten lediglich Immobilien und Baugrundstücke in dem Anlagevermögen hat", welchen Posten Bankkredite und Ausgleichsschulden gegenüber gestanden seien, "sodaß daraus kein Gewinn möglich ist". Wenn diese von der Beschwerdeführerin gegebene Begründung ihrer Berufungen auch keine besonders tiefschürfende ist, so kann doch der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn sie im angefochtenen Bescheid vermeint, daß es sich bei diesem Vorbringen um keine Begründung, sondern bloß um "unüberprüfbare Behauptungen", die einer sachlichen Behandlung nicht zugänglich sind" handle und daraus den Schluß zieht, daß den Mängelbehebungsaufträgen nicht entsprochen worden und daher vorliegendenfalls die Rechtsfolge des § 275 BAO eingetreten sei. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin die ihr in den Vorhalten der Finanzverwaltung allein gestellte Frage nach der Begründung ihrer Berufungen in ausreichender Weise beantwortet hat. Die entscheidende Frage nach den beantragten Änderungen der bekämpften erstinstanzlichen Bescheide, d.h. nach den von der Beschwerdeführerin konkret angenommenen und von ihr entsprechend nachzuweisenden Gewinnen oder Verlusten aus Gewerbebetrieb in den einzelnen Streitjahren - um deren Beantwortung es der Verwaltungsbehörde, wie aus den Darlegungen in der Gegenschrift, in welcher auf die Notwendigkeit der Ermittlung "der Höhe des Gewerbeertrages" hingewiesen wird, hervorgeht, wohl in Wahrheit ging - wurde in den Mängelvorhalten ausdrücklich nie gestellt. Die Nichtbeantwortung dieser Frage durch die Beschwerdeführerin kann derselben daher im gegebenen Zusammenhang nicht zur Last gelegt werden.

Da die belangte Behörde nach dem Ausgeführten im angefochtenen Bescheid zu Unrecht die Auffassung vertrat, die Beschwerdeführerin habe nicht innerhalb der ihr hiezu bestimmten Frist die ihr AUFGETRAGENE MÄNGELBEHEBUNG erfüllt, weshalb die in Rede stehenden Berufungen als zurückgenommen gelten, erweist sich der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130036.X00

Im RIS seit

23.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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