TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/30 90/01/0086

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.1990
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

N gegen Bundesminister für Inneres vom 7. November 1989, Zl. 221.678/3-III/13/87, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Jänner 1987 ab und sprach (ebenso wie die erste Instanz) aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist.

Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, der am 14. September 1986 nach Österreich eingereist war und am gleichen Tag Asylantrag gestellt hatte, bei seiner ersten niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 16. September 1986 folgendes angegeben hatte:

Er habe Jugoslawien verlassen, weil er des öfteren wegen seiner nach Österreich geflüchteten und hier als Konventionsflüchtlinge anerkannten Brüder bzw. wegen der im Jahr 1982 in seinem Elternhaus gefundenen Bücher von Enver Hoxha Schwierigkeiten gehabt habe. Er habe aus diesen Gründen auch keinen Arbeitsplatz gefunden. Im Jahr 1982 sei er für zwei Wochen in Pec in Milizhaft gewesen und während dieser Zeit über die Tätigkeiten seiner Brüder bzw. über die bei ihm gefundenen Bücher befragt worden. Bis zu seiner Flucht nach Österreich seien ca. fünf bis sechs Hausdurchsuchungen durchgeführt worden. Beim neuerlichen Erscheinen der Polizei am 12. September 1986 sei er durch ein Fenster in das Freie und in weiterer Folge nach Österreich geflüchtet.

In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung hatte der Beschwerdeführer behauptet, Jugoslawien deshalb verlassen zu haben, weil er in Gefahr gewesen sei, verhaftet und für längere Zeit inhaftiert zu werden. Seine Familie habe sich stets für die Rechte der autonomen Provinz Kosovo eingesetzt und sei deswegen von der Partei und Sicherheitsorganen boykottiert worden. Weder Nachbarn noch Verwandte hätten mit dem Beschwerdeführer Kontakte pflegen bzw. ihm Besuche abstatten dürfen. Gemeinsam mit zwei seiner Brüder habe er friedlich für die Erlangung des Status einer Teilrepublik für Kosovo demonstriert, was zu brutalen Gegenmaßnahmen seitens der Sicherheitsorgane geführt hätte. Seine Brüder hätten daraufhin Jugoslawien in Richtung Österreich verlassen. Die Folge der Demonstrationsteilnahme des Beschwerdeführers sei seine Inhaftierung und Mißhandlung gewesen. Wegen der Flucht seiner Brüder sei er im Laufe der Zeit noch mehrere Male festgenommen und über deren Aufenthalt unter Anwendung brutaler Behandlungen befragt worden.

Vor allem dem Umstand, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung Angaben gemacht habe, die von den bei seiner ersten Vernehmung genannten Umständen abwichen, wertete die belangte Behörde als Indiz für die Unglaubwürdigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers. Dazu komme, daß er über die von ihm behaupteten Hausdurchsuchungen und Festnahmen keine Dokumente vorgelegt habe und daß seine behauptete Arbeitslosigkeit auch eine Folge des Umstandes sein könne, daß er nach Absolvierung der Grundschule keinen Beruf erlernt habe.

Rechtlich vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die pauschale Behauptung, Jugoslawien verlassen zu haben, weil Verfolgungsgefahr bestanden habe, noch keinen Grund für die Annahme einer Verfolgung des Beschwerdeführers darstelle, zumal er keinerlei Aktivitäten seinerseits gegen das jugoslawische Regime behauptet habe, die seiner "Flucht" vorangegangen seien. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 AsylG gehört worden und habe der in Aussicht genommenen Abweisung der Berufung zugestimmt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und Aufenthaltsberechtigung sowie auf eine mängelfreie Sachentscheidung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Asylgesetz BGBl. Nr. 126/1968 in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 ist ein Fremder Flüchling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschn. A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschn. C oder F der Konvention vorliegt.

Daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschn. A Z. 1 der Konvention erfüllt wären, hat weder er selbst behauptet noch sind dem angefochtenen Bescheid Umstände zu entnehmen, die in eine solche Richtung wiesen. Da die belangte Behörde auch keine Ausschließungsgründe im Sinne des Art. 1 Abschn. C oder F der Konvention festgestellt hat, war nur zu prüfen, ob sich die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers aus Art. 1 Abschn. A Z. 2 der Flüchtlingskonvention ableiten läßt. Damit eine Person als Flüchtling im Sinne der genannten Bestimmungen angesehen werden kann, ist u.a. Voraussetzung, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Beschwerdeführer behauptet zunächst vor allem unter Berufung auf das hg. Erkenntnis Slg. N.F. 1.004/F 1954, daß den Bescheiden beider Instanzen Verfahrensmängel anhaften. Dazu ist ihm entgegenzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt - insbesondere auch in Beschwerdefällen, denen Beschwerdeschriften zu Grunde lagen, welche ebenfalls der jetzt für den Beschwerdeführer tätige Rechtsanwalt unterfertigt hatte - ausgesprochen hat, daß die Behörde dann, wenn sie einerseits die Angaben eines Asylwerbers ihrem Bescheid zu Grunde legt und diese andererseits rechtlich dahin beurteilt, daß ihnen keine Verfolgung im Sinne der Konvention zu entnehmen sei, ihren Bescheid hinlänglich begründet hat (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 1989, Zl. 89/01/0186, und vom 4. Oktober 1989, Zlen. 89/01/0222, 0223 und 0282, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Allein dadurch, daß der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers in den von ihm vertretenen Fällen seine Argumente wiederholt, werden sie nicht zutreffender. Die Verfahrensrüge geht somit ins Leere.

Insoweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde rügt, ist er darauf zu verweisen, daß zwischen seinen Angaben in erster Instanz und seinem Berufungsvorbringen sehr wohl erhebliche Unterschiede vorliegen, welche die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung im Ergebnis als schlüssig erscheinen lassen. Darauf, daß die belangte Behörde zusätzlich - allerdings zu Unrecht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1988, Zlen. 88/01/0270, 0271) - noch Wert auf eine urkundenmäßige Bescheinigung der vom Beschwerdeführer behaupteten Hausdurchsuchungen und Festnahmen legte, kommt es sohin gar nicht entscheidend an.

In Darstellung der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheid vermeint der Beschwerdeführer schließlich, seine Arbeitslosigkeit sei Ausdruck seiner politischen Verfolgung in Jugoslawien wegen seiner albanischen Nationalität gewesen. Allein wegen seiner albanischen Nationalität sei ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Darauf muß erwidert werden, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes allein die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer bestimmten Volksgruppe (bzw. Minderheit) noch keinen Grund für seine Anerkennung als Konventionsflüchtling darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1989, Zl. 89/01/0188). Auch wirtschaftliche Gründe, wie z.B. Arbeitslosigkeit rechtfertigen noch nicht die Annahme von Verfolgungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 1989, Zl. 88/01/0339). Bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling können weiters Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückliegen (im Falle des Beschwerdeführers die von ihm behaupteten Schwierigkeiten im Jahr 1982), keine Rolle mehr spielen (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1989, Zl. 89/01/0166). Schließlich ist der belangten Behörde auch zuzustimmen, wenn sie die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei beim neuerlichen Erscheinen der Polizei am 12. September 1986 "geflüchtet", als pauschal und nicht weiter substantiiert bewertet hat. Damit zeigt sich allein schon auf Grund des Inhaltes der Beschwerdeschrift, daß auch die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit dem angefochtenen Bescheid nicht anhaftet. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - damit auch ohne die beantragte mündliche Verhandlung - als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010086.X00

Im RIS seit

30.05.1990

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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