TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/13 89/03/0115

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Veröffentlicht am 13.06.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs2;

Betreff

N gegen Steiermärkische Landesregierung vom 17. Februar 1989, Zl. 11-75 Mu 19-88, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Februar 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 27. Februar 1987 um 20.44 Uhr in Leoben, S 6, auf Höhe des BauKm 7.8, aus Richtung Bruck/Mur kommend in Richtung St. Michael/i.O. fahrend als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws mit diesem Fahrzeug die durch Straßenverkehrszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 24 km/h erheblich überschritten (Radarmessung). Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 lit. a Z. 10a StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von S 1.200,-- (Ersatzarreststrafe zwei Tage) verhängt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, der mit der Radarmessung betraute Beamte habe angegeben, daß er das gegenständliche Verkehrszeichen am Vorfallstag auf dessen richtige Aufstellung und auch auf dessen Les- und Sichtbarkeit überprüft habe. Die Verkehrszeichen "der Geschwindigkeitsbeschränkung" seien keinesfalls mit Schnee bedeckt oder verschmutzt gewesen, sodaß sie von den Lenkern entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ungehindert wahrnehmbar gewesen seien. Außerdem sei der geschwindigkeitsbeschränkte Bereich durch eine Verengung der Fahrspur ersichtlich gewesen. Es treffe zwar zu, daß der Beamte seine Wahrnehmungen nicht zum genauen Zeitpunkt der Übertretung (Nacht) gemacht haben dürfte. Jedoch habe weder der Beamte ausgesagt noch der Beschwerdeführer eingewendet, daß bereits die dem gegenständlichen Verkehrszeichen vorangegangene "Beschränkungstafel auf 70 km/h" mit Schnee bedeckt und in ihrer Ablesbarkeit zumindest beeinträchtigt gewesen wäre. Da diese Tafel offensichtlich ungehindert erkennbar gewesen sei, hätte der Beschwerdeführer konkret darlegen müssen, warum nur die folgende Tafel mit Schnee bedeckt gewesen sein soll und die Angaben des Beamten nicht stimmten. Hiezu komme, daß nach dem Radarfoto die senkrechten Teile der mittleren Leitschiene völlig schneefrei gewesen seien und der vom Beschwerdeführer gelenkte Pkw überhaupt nicht mit Schnee oder Eis verkrustet gewesen sei. Die Berufungsbehörde komme daher zum Ergebnis, daß der Beschwerdeführer das gegenständliche Beschränkungszeichen durch einen Aufmerksamkeitsfehler übersehen habe, den er zu verantworten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist zu dem in der Gegenschrift erhobenen Einwand, daß die belangte Behörde als "Amt der Steiermärkischen Landesregierung" nicht richtig bezeichnet sei, zu bemerken, daß dies keinen Zurückweisungsgrund darstellt, weil aus dem mit der Beschwerde vorgelegten angefochtenen Bescheid einwandfrei hervorgeht, daß es sich dabei um einen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung handelt (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1984, Slg. Nr. 11625/A).

Im Beschwerdefall ist entscheidend, ob das Straßenverkehrszeichen, demzufolge im Bereich des Tatortes eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h bestand, mit Schnee bedeckt und damit für den Beschwerdeführer nicht wahrnehmbar war. Zutreffendenfalls war nämlich die dem Straßenverkehrszeichen zugrundeliegende Verordnung im Tatzeitpunkt für diesen Bereich nicht ordnungsgemäß kundgemacht und demnach auch für den Beschwerdeführer nicht verbindlich.

Der Beschwerdeführer hat von allem Anfang an eingewendet, daß er eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h nicht wahrgenommen habe und zum Beweise dafür auf das starke Schneetreiben zur Tatzeit verwiesen, das die "Verkehrstafel" mit Schnee verdeckt haben müsse. Demgegenüber nahm die belangte Behörde als erwiesen an, daß die Verkehrszeichen "der Geschwindigkeitsbeschränkung" keinesfalls mit Schnee bedeckt gewesen seien, weshalb sie der Beschwerdeführer bei entsprechender Aufmerksamkeit hätte wahrnehmen müssen. Sie stützte sich hiebei unter anderem auf die Angaben des Meldungslegers.

Auf Grund des Radarfotos steht fest, daß zur Tatzeit Schneetreiben herrschte. Ob durch dieses Schneetreiben das Straßenverkehrszeichen zur Tatzeit - nur dieser Zeitpunkt ist maßgebend - in seiner Wahrnehmbarkeit beeinträchtigt war, kann auf Grund der Zeugenaussage des Meldungslegers jedoch nicht mit einer für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit beantwortet werden. Denn der Aussage des Meldungslegers, er habe die Verkehrszeichen auf ihre Les- und Sichtbarkeit überprüft, kann nicht entnommen werden, wann die Überprüfung stattgefunden hat. Darauf wurde vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsstrafverfahren hingewiesen und es wird von der belangten Behörde gar nicht in Abrede gestellt, daß der Beamte "seine Wahrnehmungen nicht zum genauen Zeitpunkt der Übertretung (Nacht)" gemacht haben dürfte. Wenngleich es auch nicht immer erforderlich sein wird, daß eine solche Wahrnehmung "zum genauen Zeitpunkt der Übertretung" gemacht wird, um daraus entsprechende Schlüsse ziehen zu können, hat die Überprüfung dennoch in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Übertretung zu stehen, welches von den im Einzelfall gegebenen Umständen abhängen wird. Keinesfalls genügt es, daß der Beamte das Verkehrszeichen - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meinte - "immerhin am selben Tag auf dessen gute Sichtbarkeit" überprüft habe. Im vorliegenden Fall wären demnach zur Widerlegung der Verantwortung des Beschwerdeführers, daß er die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h nicht wahrgenommen habe, weitere Ermittlungen erforderlich gewesen, so etwa eine ergänzende Einvernahme des Meldungslegers, wann von ihm zuletzt das Straßenverkehrszeichen auf seine Wahrnehmbarkeit überprüft wurde, wann es zu schneien begann, wie lange und wie heftig es schneite und welche Windverhältnisse (Windrichtung und Windstärke) herrschten, was wohl auch eine Anfrage an die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik über die zur Tatzeit gegebenen Witterungsverhältnisse erfordert hätte. Daß der geschwindigkeitsbeschränkte Bereich außerdem durch eine Verengung der Fahrspur ersichtlich gewesen sei, ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde schon deswegen nicht von Belang, weil eine "Verengung der Fahrspur" nichts darüber aussagt, welche Geschwindigkeitsbeschränkung aus diesem Grunde erlassen wurde.

Aber auch der von der belangten Behörde weiters angeführte Umstand, daß das vor dem in Rede stehenden Straßenverkehrszeichen (Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h) aufgestellte Straßenverkehrszeichen mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h nicht mit Schnee bedeckt und selbst nach der Rechtfertigung des Beschwerdeführers ungehindert erkennbar war, läßt nicht den zwingenden Schluß zu, daß deswegen auch das gegenständliche Straßenverkehrszeichen mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h nicht mit Schnee verdeckt war und vom Beschwerdeführer bei entsprechender Aufmerksamkeit hätte wahrgenommen werden müssen. Zu Recht wird vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eingewendet, daß insoweit auch der Aufstellungsort der beiden Straßenverkehrszeichen, der Verlauf der Straße und die herrschenden Windverhältnisse eine Rolle spielen. In dieser Frage hätte eine Skizze über den Tatort, in dem der Verlauf der Straße und der Aufstellungsort der Straßenverkehrszeichen und ihre Entfernung zueinander eingezeichnet und angegeben sind, zur Klärung des Sachverhaltes beitragen können.

Ohne Kenntnis der Dauer und der Dichte des Schneetreibens sowie der konkret gegebenen Windverhältnisse zur Tatzeit stellt auch die Tatsache, daß nach dem Radarfoto die senkrechten Teile der mittleren Leitschiene völlig schneefrei waren und der vom Beschwerdeführer gelenkte Pkw überhaupt nicht mit Schnee oder Eis "verkrustet" war, keinen schlüssigen Beweis für die Annahme der belangten Behörde dar, zumal auch - was die "Verkrustung" des Fahrzeuges anlangt - nicht feststeht, wie lange der Beschwerdeführer und unter welchen Witterungsverhältnissen er mit seinem Fahrzeug vor der ihm angelasteten Tat bereits unterwegs war.

Solcherart blieb nicht nur der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig, sondern wurden auch Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989030115.X00

Im RIS seit

13.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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