TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/18 90/19/0103

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Veröffentlicht am 18.06.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §81 Abs3;
AAV §86 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VStG §44a lita;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Niederösterreich vom 20. Juni 1989, Zl. VII/1-V-1008/39/1-89, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 31. März 1989 wurde der Beschwerdeführer im Punkt I. schuldig erkannt, am 29. April 1986 in seinem Betrieb in Wien X, Z-Straße 120, als zur Vertretung nach außen Berufener der U-GmbH die Vorschriften der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung BGBl. Nr. 218/83 in der geltenden Fassung wie folgt nicht beachtet zu haben:

"1.) Wonach eine ausführliche Anleitung zur Ersten-Hilfe-Leistung in jedem Behälter für die entsprechenden Mittel zur Ersten-Hilfe-Leistung enthalten oder an bzw. neben diesem angebracht sein muß, nicht erfüllt, da weder im Kasten für das Material zur Ersten-Hilfe-Leistung noch in der Betriebsanlage eine Anleitung zur Ersten-Hilfe-Leistung vorhanden war.

2.) Wonach jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen ist, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche, geschützt ist, nicht erfüllt, da den fünf in der Betriebsanlage beschäftigten Arbeitnehmern lediglich vier Kästen, Garderobenkästen, zur Verfügung standen. Somit stand einem Arbeitnehmer kein Kasten zur Verfügung.

3.) Wonach Notausgänge durch Lagerungen auch vorübergehend nicht verstellt sein dürfen, nicht erfüllt, da der Notausgang vom Abstellraum in die Hauseinfahrt Z-Straße 120 durch fünf Plastikkübel und ein Drahtgestell komplett verstellt war."

Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu 1.) § 81 Abs. 3 AAV, BGBl. Nr. 218/83 in der geltenden Fassung, zu 2.) § 86 Abs. 1 AAV und zu 3.) § 23 Abs. 3 AAV in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950 begangen. Hiefür wurden über ihn je eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe je 36 Stunden), zu 1.) und 3.) gemäß § 31 Abs. 2 lit. p AnSchG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950 und zu 2.) gemäß § 31 Abs. 3 lit. b AnSchG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950 verhängt.

Mit Bescheid vom 20. Juni 1989 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich (die belangte Behörde) der vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis erhobenen Berufung gemäß § 51 VStG 1950 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis. Gleichzeitig wurden folgende Berichtigungen im Wortlaut des Straferkenntnisses verfügt:

"Die Übertretungsnormen werden wie folgt richtiggestellt:

I) 1) § 31/2/p AnschG i.V.m. § 81/3 AAV

2)

§ 31/3/b AnSchG i.V.m. § 14/4 AnSchG sowie § 86/1 AAV

3)

§ 31/2/p AnSchG i.V.m. § 23/3 AAV

Der letzte Halbsatz des Tatvorwurfes I/1 hat zu lauten: 'da weder im Kasten für das Material zur ersten Hilfeleistung eine Anleitung zur ersten Hilfeleistung enthalten noch eine solche an bzw. neben diesem angebracht war'."

Begründend führte die belangte Behörde - soweit dies noch im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof von Interesse ist - aus, daß einerseits eine allfällige mangelhafte Ausstattung der Erste-Hilfe-Behälter sowie ein allfällig nicht erfolgter Aushang einer Liste mit den Namen der für die Erste-Hilfe-Leistung ausgebildeten Personen nicht Gegenstand des Verfahrens sei, und andererseits auch die Behauptung des Beschwerdeführers, eine Anleitung zur Erste-Hilfe-Leistung sei in einem gesonderten Erste-Hilfe-Behälter vorhanden gewesen, schon deshalb ins Leere gehe, weil § 81 Abs. 3 AAV normiere, daß eine ausführliche Anleitung zur Erste-Hilfe-Leistung in jedem Behälter im Sinne des Abs. 2 enthalten oder an bzw. neben diesem angebracht sein müsse. Desgleichen sei auch das Vorbringen, daß am Standort Wien X, Z-Straße 120, tatsächlich bloß vier Arbeitnehmer ständig beschäftigt seien, und für diese je ein Garderobekasten zur Verfügung gestanden wäre, nicht stichhältig, da unbestritten geblieben und somit als erwiesen anzusehen sei, daß am 29. April 1986 für die fünf damals in der Betriebsanlage beschäftigten Arbeitnehmer lediglich vier Garderobekästen zur Verfügung gestanden seien. Gemäß § 86 Abs. 1 AAV, sei jedoch für jeden Arbeitnehmer ein versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst muß klargestellt werden, daß die Beschwerde laut den ausdrücklichen Erklärungen gegen den angefochtenen Bescheid zur Gänze gerichtet ist, jedoch nur Ausführungen hinsichtlich der unter I/1 und 2 angeführten Verwaltungsübertretungen enthält. Nur im Rahmen dieser Ausführungen kann daher der angefochtene Bescheid Gegenstand der Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit sein.

Unter dem Titel der Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht die Beschwerde zu Punkt I/1 des Bescheides der belangten Behörde den Vorwurf, sie habe die von der Behörde erster Instanz als erwiesen angenommene Tat ausgewechselt. Davon kann aber keine Rede sein.

Gemäß § 81 Abs. 3 AAV müssen in jedem Behälter nach Abs. 2 legt. cit. eine ausführliche Anleitung zur Ersten-Hilfe-Leistung, Vermerke mit den Namen der für die Erste-Hilfe-Leistung ausgebildeten Personen sowie je nach den Erfordernissen Vermerke über Unfallmeldestelle, Krankentransportmittel, Ärzte und Krankenhäuser, enthalten, oder an bzw. neben diesem angebracht sein.

Mit dem Straferkenntnis vom 31. März 1989 hat die Behörde erster Instanz den Beschwerdeführer dieser Übertretung schuldig erkannt, "da weder im Kasten für das Material zur Ersten-Hilfe-Leistung noch in der Betriebsanlage eine Anleitung zur Ersten-Hilfe-Leistung vorhanden war". Die Richtigstellung dieses Tatvorwurfes durch die belangte Behörde mit dem Wortlaut, "da weder im Kasten für das Material zur Ersten-Hilfe-Leistung eine Anleitung zur Ersten-Hilfe-Leistung enthalten noch eine solche an bzw. neben diesem angebracht war", kann schon deshalb nicht als Auswechslung des dem Beschwerdeführer angelasteten Tatbestandes angesehen werden, da in der Formulierung des Tatvorwurfes durch die Behörde erster Instanz ("in der Betriebsanlage") jene Örtlichkeit miteingeschlossen war, auf die die belangte Behörde den Tatvorwurf eingeschränkt hat ("an bzw. neben diesem Kasten"). Es handelt sich somit nur um eine nähere Präzisierung des Tatvorwurfes, die diesen aber weder zu einem anderen noch zu einem über den Tatvorwurf der ersten Instanz hinausgehenden machte. Zu dieser Präzisierung war die belangte Behörde durchaus berechtigt.

Soweit von der Beschwerde in diesem Zusammenhang eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darin erblickt wird, daß bezüglich der zu Punkt I/1 des angefochtenen Bescheides dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung Verfolgungsverjährung deshalb eingetreten sei, weil der in erster Instanz gegen den Beschwerdeführer erhobene Tatvorwurf ein anderer gewesen sei, kann jede Erörterung der diesbezüglichen Beschwerdeausführungen schon deshalb unterbleiben, weil - wie bereits ausgeführt worden ist - der Tatvorwurf durch die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Präzisierung keine inhaltliche Änderung erfahren hat.

Das gleiche gilt für die übrigen Ausführungen der Beschwerde unter dem Blickwinkel der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, mit welchen der Beschwerdeführer der belangten Behörde zum Vorwurf macht, sie habe sich nicht mit seinem Vorbringen in der Berufung beschäftigt, es sei in einem anderen Erste-Hilfe-Behälter eine Anleitung vorhanden gewesen. Auch wenn diese durch nichts bewiesene Behauptung zugetroffen wäre, hätte dies nicht den Beschwerdeführer von dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf befreien können, da er auch dann der in § 81 Abs. 3 AAV enthaltenen Anordnung nicht entsprochen hätte.

Zu Punkt I/2 des angefochtenen Bescheides wird vom Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend gemacht, es sei ihm in diesem Fall zu Unrecht ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 AAV angelastet worden, da in der Betriebsstätte Wien X, Z-Straße 120, zur Tatzeit nur vier Arbeitnehmerinnen beschäftigt gewesen seien, und sich eine fünfte Arbeitnehmerin lediglich zum Zwecke ihrer

- zweitägigen - Einschulung im Geschäftslokal aufgehalten habe. Es habe daher keine Verpflichtung bestanden, jener fünften Arbeitnehmerin einen versperrbaren Kasten zur Verfügung zu stellen.

Gemäß § 86 Abs. 1 AAV ist jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche geschützt ist.

Der im Straferkenntnis vom 31. März 1989 getroffenen Feststellung, "daß den fünf in der Betriebsanlage beschäftigten Arbeitnehmern lediglich vier Kästen, Garderobenkästen, zur Verfügung standen", hat der Beschwerdeführer erstmals in seiner Berufung lediglich mit der Behauptung widersprochen, "daß am Standort Wien X, Z-Straße 120, tatsächlich bloß vier Arbeitnehmer ständig beschäftigt sind und diesen vier Arbeitnehmern tatsächlich je ein Garderobekasten zur Verfügung steht". Da für dieses Berufungsvorbringen vom Beschwerdeführer keine Beweise angeboten worden sind, bestand für die belangte Behörde angesichts der vorliegenden klaren Strafanzeige und der Ermittlungsergebnisse keine Veranlassung, von sich aus weitere Ermittlungen über die Anzahl der vom Beschwerdeführer zur Tatzeit im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen anzustellen.

Erstmals in der Beschwerde wird vom Beschwerdeführer vorgebracht, die fünfte Arbeitnehmerin habe sich zur Tatzeit lediglich zum Zwecke ihrer - zweitägigen - Einschulung im Geschäftslokal aufgehalten. Dieses Vorbringen stellt aber eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) dar, und kann daher schon aus diesem Grunde keine Berücksichtigung finden. Im übrigen teilt der Verwaltungsgerichtshof die in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretene Auffassung, daß selbst bei Zutreffen der Behauptung, eine Arbeitnehmerin habe sich lediglich zu Einschulungszwecken vorübergehend in der Filiale aufgehalten, für den Arbeitgeber die Pflicht zur Bereitstellung eines Kastens für diese Arbeitnehmerin bestanden hätte.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte aus den im § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG genannten Gründen Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190103.X00

Im RIS seit

18.06.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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