TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/27 85/18/0157

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Veröffentlicht am 27.06.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §5 Abs2;
VStG §24;
VStG §33;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):85/18/0159

Betreff

1. N gegen Wiener Landesregierung vom 18. November 1983, Zl. MA 70-XI/I 5/83/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (hg. Zl. 85/18/0157, früher 84/02/0120) und 2. N gegen Wiener Landesregierung vom 23. November 1983, Zl. MA 70-XI/I 4/83/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

(hg. Zl. 85/18/0159, früher 84/02/0125)

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von je S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. November 1983 erkannte die Wiener Landesregierung den Beschwerdeführer N für schuldig, er habe am 22. Oktober 1982 um ca. 3.10 Uhr in Wien 15, Meiselstraße, vor dem Haus Nr. n als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW's gegenüber einem hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert, obwohl vermutet habe werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand befunden habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 (StVO) begangen. Über ihn wurde gemäß § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. eine Geldstrafe, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende (zur hg. Zl. 85/18/0157 - früher 84/02/0120 protokollierte), wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. November 1983 erkannte die Wiener Landesregierung den Beschwerdeführer N für schuldig, er habe am 22. Oktober 1982 um ca. 3.10 Uhr in Wien 15, Meiselstraße, vor dem Haus Nr. n als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW's gegenüber einem hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert, obwohl vermutet habe werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO begangen. Über ihn wurde gemäß § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. eine Geldstrafe, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende (zur hg.Zl. 85/18/0159 - früher 84/02/0125 protokollierte), wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete zu den Beschwerden gesondert Gegenschriften mit den Anträgen, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des sachlichen Zusammenhanges und der weitgehenden Übereinstimmung der Beschwerdevorbringen verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden.

Die Beschwerdeführer bringen vor, der Meldungsleger habe aus eigenen Wahrnehmungen keine Angaben darüber machen können, wer von ihnen das Kraftfahrzeug gelenkt habe. Aus dem Akteninhalte sei ersichtlich, daß der Meldungsleger lediglich von angeblich am Tatort abgelegten Geständnissen berichten könne, wonach die Beschwerdeführer zugegeben hätten, das Fahrzeug abwechselnd gelenkt zu haben. Diese Aussagen hätten sie aber nicht gemacht. Die Verwaltungsvorschriften würden nicht ohne Grund vorsehen, daß über den Gang von mündlichen Vernehmungen eine vom Betroffenen unterzeichnete Niederschrift angefertigt werden müsse. Eine Aussage, welche anläßlich einer diesen Formvorschriften entsprechenden Vernehmung gemacht werde, komme sicher Beweiskraft zu. Im vorliegenden Fall setze jedoch die Behörde eine angeblich im Zeitpunkt der Betretung gemachte, jedoch von den Beschwerdeführern unbestätigte Behauptung einem vollen Geständnis, welches in einer Niederschrift mit Unterschrift festgehalten werde, in seiner Beweiskraft gleich. Dadurch habe die Behörde bei der Beweiswürdigung einen Fehler begangen, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen Schluß gekommen wäre. Weiters sei der Akteninhalt in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung bedürftig, weil aus der angeblich aufgestellten Behauptung, das Fahrzeug sei abwechselnd gelenkt worden, zumindest ohne Hinterfragen nicht geschlossen werden könne, daß das Fahrzeug von jedem von ihnen in einem Zeitraum gelenkt worden sei, der ein verwertbares Ergebnis zulasse.

Dazu ist folgendes zu bemerken:

In der Begründung ihrer Bescheide führt die belangte Behörde aus, daß sowohl der Meldungsleger als auch Inspektor L die Lenkereigenschaft eines der beiden Zwillinge wahrgenommen hätten. In der Folge seien die beiden aufgrund der festgestellten typischen Alkoholisierungsmerkmale separat zum Alkotest aufgefordert worden, welchen sie verweigert hätten. Die Motorhaube des von den Brüdern gelenkten PKW's sei bei deren Betretung noch stark erhitzt gewesen. Eine genaue Feststellung, welcher der beiden Zwillinge das Fahrzeug zuletzt beim Einparken gelenkt habe, sei dem Meldungsleger nicht möglich gewesen, weil die beiden einander zum Verwechseln ähnlich gesehen hätten. Der Nachweis der Lenkereigenschaft beider Brüder sei jedoch dadurch erbracht, daß die Lenkung des Fahrzeuges durch einen der Brüder aufgrund der vorstehend wiedergegebenen Erhebungen erwiesen sei, und es sei weiters erwiesen, daß beide das Fahrzeug gelenkt hätten, weil einer der Brüder gesagt habe, daß beide abwechselnd das Fahrzeug gelenkt hätten. Erfahrungsgemäß würden Beschuldigte bei ihrer Betretung noch am ehesten dazu neigen, die Wahrheit einzugestehen. Im vorliegenden Fall sei das solcherart der Fall gewesen, daß von der Erstverantwortung, keiner habe das Fahrzeug gelenkt, über Vorhalt der Beobachtung der Lenkereigenschaft Abstand genommen worden und die Wahrheit eingestanden worden sei, von welchem Geständnis nicht auszugehen keine Veranlassung bestehe, zumal keine diesem Geständnis wiederstreitenden Erhebungsergebnisse vorlägen.

Wesentlich für die Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO ist, daß die Person, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll, zuvor unter anderem ein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann der belangten Behörde weder der Vorwurf einer unzureichenden Sachverhaltsfeststellung noch etwa eine unschlüssige Argumentation angelastet werden, wenn sie angesichts der mit der Aktenlage übereinstimmenden Ermittlungsergebnisse davon ausgegangen ist, daß die Beschwerdeführer vor der an sie gerichteten Aufforderung zur Ablegung des Alkotestes ein Kraftfahrzeug gelenkt haben, und zwar auch im Hinblick darauf, daß der Meldungsleger und ein weiterer Polizeibeamter kurz vor der Aufforderung zur Ablegung des Alkotestes das Einparken des Fahrzeuges beobachtet haben. Welcher der beiden Beschwerdeführer das Fahrzeug eingeparkt hat, also unmittelbar vor dieser Aufforderung den PKW gelenkt hat, ist im konkreten Fall unentscheidend, hat doch einer der Beschwerdeführer dem Meldungsleger gegenüber zugegeben, beide Beschwerdeführer hätten vorher das Fahrzeug abwechselnd gelenkt. Wegen des als erwiesen anzusehenden, vorangegangenen abwechselnden Lenkens des Fahrzeuges durch beide Beschwerdeführer war weiters auch noch kein so langer Zeitraum verstrichen, daß eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt nicht mehr verlangt hätte werden können. In diesem Zusammenhang wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach eine Person, von der vermutet werden kann, daß sie in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt hat, auch noch geraume Zeit nach Beendigung des Lenkens zur Ablegung des Alkotestes aufgefordert werden darf (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1986, Zl. 85/03/0175). Daß einer der Beschwerdeführer den PKW ununterbrochen in jenem Zeitraum gelenkt habe, der die Unzulässigkeit der Aufforderung zur Atemluftprobe (für den zweiten Beschwerdeführer) nach sich ziehen würde (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 4. November 1981, Zl. 3855/80), geht aus den Verwaltungsakten nicht hervor und wäre, weil ein solcher Umstand unter die Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren fiele (siehe die ständige Judikatur seit dem Erkenntnis vom 26. Juni 1959, Slg. N.F. Nr. 5007/A), nur auf Grund ihrer eigenen Angaben aufzugreifen gewesen. Solche Angaben hat aber keiner der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren gemacht. Schließlich ist in Erwiderung auf das geschilderte Beschwerdevorbringen darauf hinzuweisen, daß - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - nicht nur einer unter Bedachtnahme auf die Vorschrift des § 33 VStG 1950 vorgenommenen Einvernahme des Beschuldigten Beweiskraft zukommt, weil zufolge der auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Regelung des § 46 AVG 1950 als Beweismittel alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Die belangte Behörde durfte daher auch die in der Anzeige festgehaltenen Angaben eines der Brüder gegenüber dem - dazu als Zeugen einvernommenen - Polizeibeamten zum Beweis dafür heranziehen, daß auch der andere Bruder das Fahrzeug gelenkt habe, wobei auch der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung, wonach Beschuldigte bei ihrer Betretung noch am ehesten dazu neigen, die Wahrheit einzugestehen, nicht entgegengetreten werden kann.

Da die Beschwerden somit eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide nicht dartun konnten, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Hinsichtlich der zitierten nicht veröffentlichten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Alkotest VoraussetzungGrundsatz der UnbeschränktheitErmittlungsverfahren AllgemeinAlkotest Zeitpunkt OrtBeweismittel Beschuldigtenverantwortung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1985180157.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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