TE Vwgh Beschluss 1990/7/4 89/15/0133

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.07.1990
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs4;
BAO §299;
B-VG Art20;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs1;

Betreff

X gegen Bundesminister für Finanzen vom 15. September 1989, Zl. G 1370/5/1-IV/11/89, betreffend Bescheidbehebung gemäß § 299 Abs. 2 BAO

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der beschwerdeführende Rechtsanwalt schloß am 1. Juli 1986 mit einem anderen Rechtsanwalt einen Sozietätsvertrag. Eine ungestempelte Gleichschrift der Vertragsurkunde legte er dem Finanzamt für Gebührenzwecke vor. Das Finanzamt setzte hierauf gemäß § 203 BAO die feste Gebühr nach § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. a GebG 1957 sowie eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 fest, und zwar mit der Begründung, bei einer festen Gebühr gebe es keine Begünstigung für Gleichschriften.

Dem widersprach der Beschwerdeführer mit Berufung; die Gebührenbefreiung für Gleichschriften nach § 31 Abs. 1 letzter Satz GebG 1957 erstrecke sich sowohl auf die festen Gebühren als auch auf die Hundertsatzgebühren. Andernfalls käme es für Urkundenverfasser zu sachlich nicht begründbaren Nachteilen.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung vertrat das Finanzamt den Standpunkt, es handle sich im Beschwerdefall nicht um ein Rechtsgeschäft, für das eine Hundertsatzgebühr mit Bescheid festzusetzen sei, sondern für das die feste Gebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. a GebG 1957 zu entrichten wäre. Es könnten daher auch nicht die Befreiungsbestimmungen nach §§ 25 und 31 GebG 1957 in Anspruch genommen werden.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Diese gab der Berufung ebenfalls keine Folge. Ihre Berufungsentscheidung beruht auf der Auffassung, daß die Gesellschafter der Gesellschaft keine Vermögenseinlagen, sondern nur ihre Arbeitsleistungen gewidmet hätten. Damit falle nur eine feste Gebühr an. Die Gebührenfreiheit für Gleichschriften nach § 31 GebG 1957 gelte aber lediglich für Hundertsatzgebühren.

Der Beschwerdeführer bekämpfte diese Berufungsentscheidung beim Verfassungsgerichtshof; er begehrte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes bzw. Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Der Verfassungsgerichtshof leitete über die Beschwerde im Sinne des § 83 Abs. 1 VfGG 1953 das Verfahren ein.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hob der Bundesminister für Finanzen (belangte Behörde) die Berufungsentscheidung in Ausübung des Aufsichtsrechts gemäß § 299 Abs. 2 BAO auf. Nach dem Inhalt der Vertragsurkunde hätten sich zwar die Gesellschafter zur Widmung ihrer Arbeitsleistung verpflichtet, die ebenfalls vorgesehene Leistung von Vermögenseinlagen sei jedoch in der Berufungsentscheidung unberücksichtigt geblieben. Damit unterliege das beurkundete Rechtsgeschäft aber einer Hundertsatzgebühr und sei gemäß § 31 Abs. 1 GebG 1957 zur Gebührenbemessung anzuzeigen gewesen. Weil nach der vorzitierten Gesetzesstelle zur ordnungsgemäßen Gebührenanzeige verwendete Gleichschriften von den Gebühren befreit seien, wäre spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Zur Ermessensübung genüge der Hinweis, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof selbst die Bescheidbehebung beantragt habe.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gebührenfreiheit für den Gesellschaftsvertrag vom 1. Juli 1986 hinsichtlich der Festsetzung einer Gebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b GebG 1957 (Hundertsatzgebühr) durch das tragende Begründungselement des angefochtenen Bescheides verletzt. Seine Beschwerdelegitimation sieht der Beschwerdeführer deshalb als gegeben an, weil das tragende Begründungselement des angefochtenen Bescheides, der Gesellschaftsvertrag vom 1. Juli 1986 sehe eine gebührenpflichtige Widmung von Vermögenseinlagen vor und unterliege daher § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b GebG 1957, nicht zutreffe. Wenn der Beschwerdeführer somit auch durch den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht beschwert sei, da er in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof selbst die Aufhebung der Berufungsentscheidung begehrt habe, ergebe sich seine Beschwerdelegitimation aus dem tragenden Begründungselement der Bescheidbegründung, da die Bescheidbegründung in weiterer Folge zu einer Gebührenfestsetzung gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b GebG 1957 führe. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bindungswirkung nicht nur hinsichtlich des Spruches, sondern auch hinsichtlich der diesen Spruch tragenden Gründe gegeben sei. Diese Bindungswirkung erstrecke sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die untergeordnete Behörde (im gegenständlichen Fall die Finanzlandesdirektion), sondern auch auf das weitere Verfahren und wäre auch der Verwaltungsgerichtshof an die tragende Begründung eines nicht angefochtenen, aufhebenden Bescheides in weiterer Folge gebunden. Der Beschwerdeführer verweist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1988, Zl. 85/17/0036.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag diesen Standpunkt aus folgenden Gründen nicht zu teilen:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Aus dieser Vorschrift leitete der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ab, daß nur derjenige, der durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt sein kann, beschwerdeberechtigt ist. Fehlt die Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung, so fehlt auch die Beschwerdeberechtigung (siehe Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 412 Abs. 1, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Bei Aufhebungsbescheiden im Sinne des § 299 BAO unterstellte der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtsverletzungsmöglichkeit und damit eine allfällige Beschwerdeberechtigung aus der Überlegung, die Bescheidbehebung könne einen Eingriff in die formelle Rechtskraft des aufgehobenen Bescheides bewirken und damit den Abgabepflichtigen in seinem rechtlichen Interesse beeinträchtigen, daß der aufgehobene Bescheid weiterhin dem Rechtsbestand angehört (siehe Stoll, BAO-Handbuch, Seite 713, Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1971, Zl. 816/70, vom 21. April 1976, Zl. 1931/74, vom 15. September 1983, Zl. 83/16/0034, Slg. Nr. 5801/F, vom 5. Juni 1985, Zl. 84/13/0255, vom 19. Mai 1988,

Zlen. 87/16/0085, 0086, und andere). Der Eingriff in die formelle Rechtskraft des aufgehobenen Bescheides muß aber nicht in jedem Fall eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Abgabepflichtigen (Beschwerdeführers) zur Folge haben. Vielmehr ist, wie auch dem zitierten Schrifttum und der angeführten Rechtsprechung zu entnehmen ist, zu prüfen, ob der Eingriff in die formelle Rechtskraft nach der Lage des Falles tatsächlich eine Rechtsverletzung bewirkt.

Eine solche Rechtsverletzung - hier eine Verletzung des Abgabepflichtigen in seinem Recht (rechtlichen Interesse), daß der aufgehobene Bescheid weiterhin dem Rechtsbestand angehört - durch den Aufhebungsbescheid (dessen Spruch) ist aber dann nicht mehr zu unterstellen, wenn der Abgabepflichtige (Beschwerdeführer) selbst dessen Aufhebung begehrte. Dies kommt auch in dem schon erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1971, Zl. 816/70, zum Ausdruck. Auch der Beschwerdeführer, der (beim Verfassungsgerichtshof) selbst die Aufhebung der mit dem angefochtenen Bescheid aus dem Rechtsbestand beseitigten Berufungsentscheidung beantragte, RÄUMT FOLGERICHTIG EIN, DURCH DEN SPRUCH DES ANGEFOCHTENEN BESCHEIDES (Aufhebungsbescheides gemäß § 299 BAO) NICHT BESCHWERT ZU SEIN. Beschwert erachtet er sich durch dessen Begründung und die ihr beigemessene Bindungswirkung. Die Bindungswirkung, die in der vom Beschwerdeführer befürchteten Form allenfalls eine Rechtsverletzung bewirken könnte, ist indes nicht gegeben.

Ein Aufhebungsbescheid im Sinne des § 299 BAO ist lediglich ein Bescheid kassatorischer Art (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1988, Zl. 87/15/0063). Er entfaltet NICHT die Wirkungen eines Grundlagenbescheides (vgl. insbesondere die §§ 185 ff BAO im Zusammenhalt mit den hg. Erkenntnissen vom 20. September 1988, Zl. 88/14/0180, vom 19. September 1989, Zl. 86/14/0092, und vom 7. November 1989, Zl. 86/14/0158). Käme einem Aufhebungsbescheid Bindungswirkung gleich einem Grundlagenbescheid zu, wäre, wie das Erkenntnis Zl. 88/14/0180 darlegt, die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu erklären, daß ein auf § 299 BAO basierender Aufhebungsbescheid schon dann nicht rechtswidrig ist, wenn er sich in EINEM der herangezogenen Aufhebungsgründe als berechtigt erweist. Die Begründung des aufhebenden Bescheides entfaltet nach den Erkenntnissen Zlen. 88/14/0180, 86/14/0092 und 86/14/0158, NUR INSOWEIT (GEGENÜBER DER UNTERBEHÖRDE) eine Bindungswirkung, als sich dies aus dem Weisungsrecht der Oberbehörde im Sinne des Art. 20 B-VG ergibt. Gegenüber dem Abgabepflichtigen (Beschwerdeführer) - und in weiterer Folge auch gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof - tritt aus der Begründung des Aufhebungsbescheides keine Bindungswirkung ein. Auch wenn der Abgabepflichtige den Aufhebungsbescheid unangefochten ließ, ist für ihn der Bescheid, der sodann allenfalls anstelle des aufgehobenen Bescheides ergeht, in vollem Umfang, also auch in bezug auf alle seine Begründungselemente, anfechtbar (vgl. nochmals die hg. Erkenntnisse vom 14. November 1988, Zl. 87/15/0063, und vom 7. November 1989, Zl. 86/14/0158). Gegenüber dem Abgabepflichtigen (Beschwerdeführer) entfaltet daher nur der Spruch des Aufhebungsbescheides durch Beseitigung des aufgehobenen Bescheides aus dem Rechtsbestand Rechtswirkungen, durch die Begründung des Aufhebungsbescheides, die dem Abgabepflichtigen gegenüber lediglich die Erfüllung eines Aufhebungstatbestandes darlegt, kann er jedoch in keinem Recht verletzt sein.

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1988, Zl. 85/17/0036, betraf in seiner vom Beschwerdeführer ins Auge gefaßten Aussage keinen Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO, sondern den Aufhebungsbescheid einer Vorstellungsbehörde, für den das Landesrecht ausdrücklich die Bindung an die Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde normierte.

Auf Grund vorstehender Ausführungen mangelt dem Beschwerdeführer die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde. Diese war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen. Ein solcher Beschluß ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtAufhebungsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989150133.X00

Im RIS seit

04.07.1990

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten