TE Vwgh Erkenntnis 1990/8/27 89/15/0128

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Veröffentlicht am 27.08.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §21;
UStG 1972 §1 Abs1 Z1;
UStG 1972 §10 Abs2 Z17;
UStG 1972 §3 Abs9;
UStG 1972 §4 Abs1;

Beachte

Besprechung in:ÖStZB 1991, 107;

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VII, vom 4. Jänner 1989, Zl. 6/3-3609/86, betreffend Umsatzsteuer 1979 und 1980:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In der Berufungsentscheidung vom 27. Juli 1984, Zl. 6/3-1605/82, ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer als Kursleiter und Kurskoordinator für EDV ein geistiges, urheberrechtlich geschütztes Produkt auf einem bestimmten Fachgebiet (Konzept für die Ausbildung auf Microcomputer) geschaffen und dem Wirtschaftsförderungsinstitut ("WIFI") zur Verfügung gestellt habe. Da somit der Beschwerdeführer das vom WIFI zugeflossene Honorar für "Kurse und Kursvorbereitung" für die Überlassung der Kursunterlagen und Kurskonzepte erhalten habe, sei der Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 17 UStG 1972 erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof hob die Berufungsentscheidung auf Grund einer Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Erkenntnis vom 3. November 1986, Zl. 85/15/0140 ("Vorerkenntnis"), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die belangte Behörde habe nicht näher ausgeführt, um die Überlassung welcher Kursunterlagen und Kurskonzepte es sich gehandelt habe, welche Inhalte diese Unterlagen hatten und in welcher Form sowie zu welchen Zeitpunkten sie vom Beschwerdeführer (damaliger Mitbeteiligter) dem WIFI zur Verfügung gestellt worden seien. Der Berufungsentscheidung könne auch nichts näheres über die strittigen Leistungen des Beschwerdeführers sowie über die Verwertung der Ergebnisse durch das WIFI und den dabei gewährten Stundensatz entnommen werden. Die Berufungsentscheidung lasse auch eine Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob der Beschwerdeführer in den Streitjahren für das WIFI eine unterrichtende Tätigkeit entfaltet habe und ob die ihm gewährten Entgelte - vom Gesamtentgelt abgrenzbar oder nicht - gegebenenfalls auf eine solche im wesentlichen andersartige (als eine unter § 10 Abs. 2 Z. 17 UStG 1972 subsumierbare) Tätigkeit entfallen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1983, Zl. 81/15/0069).

Näheres zum Sachverhalt ist dem Vorerkenntnis zu entnehmen.

Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren erklärte der Beschwerdeführer am 22. September 1988 niederschriftlich, für die EDV-Ausbildung am WIFI ein Kurskonzept (Definition der Lehrziele, Ausarbeitung der Lehrpläne für die verschiedenen Veranstaltungen, Erstellung der Skripten) erstellt zu haben. Das Honorar habe er vom WIFI auf der Basis des WIFI-Schemas, und zwar mit dem Höchstsatz von S 300,-- pro Stunde, erhalten. Er habe zwar in einigen Kursen selbst vorgetragen, um festzustellen, ob das Kurskonzept wirksam sei. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers für das WIFI habe aber hauptsächlich in der Entwicklung des Ausbildungskonzeptes und nicht in einer unterrichtenden Tätigkeit bestanden.

Ferner legte der Beschwerdeführer im fortgesetzten Verwaltungsverfahren auch ein an die belangte Behörde gerichtetes Schreiben des WIFI vom 21. November 1988 vor, demzufolge der Beschwerdeführer erstmals ein neues Ausbildungskonzept für die Anwendung des Microcomputers im kommerziellen Bereich entwickelte. "Da das eingebrachte Know-how und die geistige Entwicklungsleistung mit dem damals (1979) gültigen Honorarsatz für vortragende Akademiker von S 156,-- je Stunde nicht abzugelten war, wurde für seine (des Beschwerdeführers) Tätigkeit ein Sonderhonorar von S 300,-- pro aufgewendete Stunde vereinbart."

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und legte dar, das Umsatzsteuerrecht habe den Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung entwickelt, der besage, daß ein wirtschaftlicher Vorgang nach seiner überwiegenden Bedeutung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung einheitlich zu beurteilen sei; er dürfe daher nicht etwa zum Zwecke einer günstigeren Umsatzbesteuerung in seine Bestandteile zerlegt werden (Hinweis auf Kranich-Siegl-Waba, Mehrwertsteuerhandbuch5, Anm. 2 zu § 1 UStG 1972).

Der Beschwerdeführer habe, wie auch dem Schreiben des WIFI vom 21. November 1988 zu entnehmen sei, in den Streitjahren ein umfassendes Ausbildungskonzept für die Anwendung des Microcomputers im kommerziellen Bereich entwickelt und dieses dem WIFI zur Verfügung gestellt. Der Beschwerdeführer habe für die von ihm entwickelten Kurse die Lehrpläne erstellt sowie die Skripten und Programmbeispiele samt Lösungen verfaßt. Er habe, wie der Niederschrift vom 22. September 1988 zu entnehmen sei, in einigen Kursen auch selbst vorgetragen; dieser Tätigkeit komme jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung zu, sodaß von einer unterrichtenden Tätigkeit im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1983, Zl. 81/15/0069, nicht die Rede sein könne. Der Beschwerdeführer sei vom WIFI auf Grund teils mündlich, teils schriftlich abgeschlossener Werkverträge honoriert worden, die auf einer Grundsatzvereinbarung mit dem WIFI vom 13. August 1982 beruhten. Schriftliche Werkverträge habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt.

Wie den vorgelegten Honorarsätzen zu entnehmen sei, habe der Beschwerdeführer mit dem Stundensatz von S 300,-- einen höheren als den damals für vortragende Akademiker gültigen Honorarsatz erhalten. Daß damit auch eine Honorierung für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben, erfolgt sei, könne nicht in Abrede gestellt werden. Der Beschwerdeführer sei jedoch, wie aus den vorgelegten Honorarnoten und den Stundenaufgliederungen zu entnehmen sei, in erster Linie für die Entwicklung des Kurskonzeptes, die Koordination und Kontrolle der Kursreihen entlohnt worden. Da eine Trennung der vom WIFI zugeflossenen Honorarzahlungen in steuerbegünstigte und nicht steuerbegünstigte Entgelte nicht möglich gewesen sei, könnte im Hinblick auf den Grundsatz der Unteilbarkeit der Leistung die begehrte Steuerbegünstigung nicht zur Anwendung gelangen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den angefochtenen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde, doch lehnte jener Gerichtshof deren Behandlung mit Beschluß vom 26. September 1989, B 397/89, ab. Zu der hierauf dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerdeergänzung ein, in der er inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend machte. Entscheidend sei, daß der Beschwerdeführer ein umfassendes Ausbildungskonzept entwickelt und dem Wirtschaftsförderungsinstitut zur Verwertung gegen ein Honorar überlassen habe, das mit einem Stundensatz von S 300,-- deutlich über dem bloß vortragenden Akademikern bezahlten Honorar liege, und daß mit dem vom Wirtschaftsförderungsinstitut bezahlten Honorar daher "in erster Linie" die Entwicklung dieses Lehrgangskonzeptes und die Einräumung eines urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechtes an diesem Konzept abgegolten worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht nunmehr nicht in Streit, daß der Beschwerdeführer dadurch, daß er dem WIFI das von ihm erstellte Ausbildungskonzept für die Anwendung von Microcomputern im kommerziellen Bereich ("Kurskonzept") zur Auswertung überließ, im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 17 UStG 1972 die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten bewirkte, die sich aus urherberrechtlichen Vorschriften ergeben. Streit besteht hingegen darüber, ob der im Umsatzsteuerrecht maßgebliche Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung im Beschwerdefall die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 10 Abs. 2 Z. 17 UStG 1972 zur Gänze verwehrt (Auffassung der belangten Behörde) oder ob dem Beschwerdeführer nach diesem Grundsatz der ermäßigte Steuersatz für alle Leistungen gegenüber dem WIFI zukommt (Auffassung des Beschwerdeführers).

Beide Auffassungen sind verfehlt. Sie beruhen aus folgenden Gründen auf einem falschen Verständnis des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Leistung:

Die Umsatzsteuer wird grundsätzlich FÜR JEDE EINZELNE LEISTUNG erhoben. Nur wenn Leistungen wirtschaftlich zusammengehören und eine Einheit bilden, folgt auch das Umsatzsteuerrecht der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 21 BAO) und behandelt die wirtschaftliche Einheit mehrerer Leistungen als eine Leistung (Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 1 Tz 53). Ob mehrere Leistungen eine Einheit bilden, ist also anhand der Leistungen zu beurteilen und entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht anhand des Entgelts; es kommt auf den Vorgang der Leistung an und nicht darauf, ob das Entgelt für jede einzelne Leistung oder als Gesamtentgelt berechnet wurde (Kranich-Siegl-Waba, aaO., § 1 Tz 54).

Im Beschwerdefall wäre die Überlassung des Kurskonzeptes an das WIFI zur Auswertung die begünstigte Leistung; auf die schriftlichen Lehrbehelfe kam offensichtlich bereits zur Gänze die Steuerbefreiung gemäß § 6 Z. 14 UStG 1972 zur Anwendung. Die Überlassung des Kurskonzeptes verwirklicht, wie erwähnt, unbestrittenermaßen den Tatbestand der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben (§ 10 Abs. 2 Z. 17 UStG 1972).

Neben der Überlassung des Kurskonzeptes erbrachte der Beschwerdeführer dem WIFI auch andere Leistungen. Über die anderen Leistungen gibt die vom Beschwerdeführer vorgelegte "Stundenaufgliederung für die Leitung, Koordination und Kontrolle der Kursreihen" für Oktober 1981 Aufschluß. In dieser "Stundenaufgliederung" ist eine beispielhafte Darstellung des Beschwerdeführers über seine laufenden Leistungen gegenüber dem WIFI zu sehen. Die Stundenaufgliederung weist vorwiegend organisatorische, unterrichtende und kontrollierende Tätigkeiten des Beschwerdeführers aus (z.B. Kurseinteilung, Kursleitertraining, Kurskontrolle). Solche organisatorischen, unterrichtenden und kontrollierenden Tätigkeiten stehen aber auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise mit der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben, in keinem so engen Zusammenhang, daß sie als wirtschaftliche Einheit angesehen werden könnten. Es handelt sich bei der Überlassung des Kurskonzeptes einerseits und den laufenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Abhaltung der Kurse andererseits nicht im Sinne des Schrifttums (Kranich-Siegl-Waba, aaO, § 1 Tz 53) um nur einen bestimmten Wirtschaftsvorgang, sondern um mehrere verschiedene Wirtschaftsvorgänge, demnach - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht um eine einheitliche Leistung, sondern um verschiedene Leistungen.

Wegen der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Rechtsmeinung der belangten Behörde könnte allerdings fraglich sein, ob der Überlassung des Kurskonzeptes - also der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben - ein Entgelt zuzuordnen ist, oder ob das Entgelt nicht nur auf die laufende Tätigkeit des Beschwerdeführers für das WIFI entsprechend den danach bemessenen Stundensätzen entfällt. Nach dem von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren erhielt jedoch der Beschwerdeführer vom WIFI auch für die Überlassung des Kurskonzeptes ein Entgelt: Zeigte doch der Beschwerdeführer bei der Berufungsverhandlung auf, daß ihm als "Verkaufserlös" für das Kurskonzept die Honorierung seiner Arbeitszeit mit einem erhöhten Stundensatz gewährt wurde. Dies bestätigte das WIFI der belangten Behörde mit seinem Schreiben vom 21. November 1988, in dem es, wie schon festgehalten, heißt, da das eingebrachte Know-how und die geistige Entwicklungsleistung mit dem gültigen Honorarsatz für vortragende Akademiker von S 156,-- pro Stunde nicht abzugelten waren, sei mit dem Beschwerdeführer für seine Tätigkeit ein Sonderhonorar von S 300,-- pro aufgewendeter Stunde vereinbart worden. Das bedeutet aber, daß die laufende (organisatorische, unterrichtende, kontrollierende) Tätigkeit des Beschwerdeführers für das WIFI mit dem sonst üblichen Honorarsatz (S 156,-- pro Stunde) entlohnt wurde und daß die darüber hinausgehende Honorierung (ähnlich z.B. wiederkehrend zu entrichtenden Lizenzgebühren) das Entgelt für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben, im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 17 UStG 1972 bildet. Insoweit - aus der Sicht des Beschwerdeführers: nur insoweit - kommt entgegen der Auffassung der belangten Behörde der ermäßigte Umsatzsteuersatz zum Zug.

Mit der gänzlichen Versagung des ermäßigten Steuersatzes hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Die Abweisung des Mehrbegehrens war geboten, weil für die bereits im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof angefallenen Stempelgebühren kein Aufwandersatz zusteht und der Schriftsatzaufwandersatz insgesamt mit S 10.110,-- pauschaliert ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989150128.X00

Im RIS seit

27.08.1990

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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