TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/7 90/18/0038

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Veröffentlicht am 07.09.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
KrPflG 1961 §15 Abs3;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwRallg;

Betreff

N gegen Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 21. Dezember 1989, Zl. 551.126/5-VI/15-1989, betreffend Anerkennung eines ausländischen Zeugnisses für die Ausbildung in der Krankenpflege:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im März 1989 stellte die Beschwerdeführerin, eine rumänische, in Deutschlandsberg wohnhafte Staatsbürgerin, beim Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst den Antrag, ihr in Rumänien im Juni 1974 erworbenes Diplom als medizinische Assistentin anzuerkennen. Auf Aufforderung des genannten Bundesministers legte die Beschwerdeführerin Urkunden vor. Der Bundesminister forderte die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark zur Stellungnahme auf; eine solche wurde nicht erstattet.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 1989 erteilte der genannte Bundesminister unter Berufung auf § 15 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 22. März 1961, BGBl. Nr. 102, betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste in der geltenden Fassung (Krankenpflegegesetz) die begehrte Anerkennung dahin, daß das rumänische Diplom in Österreich zur Ausübung des Berufes als diplomierte Krankenschwester gleichgeachtet werde, unter folgenden aufschiebenden Bedingungen einer ergänzenden theoretischen Ausbildung in folgenden Fächern:

a) allgemeine und Umwelthygiene, Mikrobiologie, Krankenhaushygiene, Infektionslehre, Sterilisation und Desinfektion,

b)

Grundzüge des Sanitätsrechtes,

c)

Grundzüge des Sozialversicherungs- und Arbeitsrechtes,

d)

Röntgen- und Isotopenkunde einschließlich Strahlenschutz

e)

Augenkrankheiten, Pflege Augenkranker,

f)

Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Pflege Hals-, Nasen- und Ohrenkranker, Einführung in die Logopädie.

In diesen Fächern müsse eine theoretische Ausbildung an einer österreichischen Krankenpflegeschule absolviert und es müßten Prüfungen hierüber mit Erfolg abgelegt werden. Damit gelte auch der Nachweis der zur Erfüllung der Berufspflichten nötigen Kenntnisse in der deutschen Sprache als erbracht. In der Begründung dieses Bescheides wurde zunächst § 15 Abs. 3 Krankenpflegegesetz zitiert und sodann ausgeführt, die vorliegenden Unterlagen über Art und Ausmaß der absolvierten ausländischen Ausbildung seien mit den in Österreich geltenden Ausbildungsvorschriften verglichen worden. Die Ermittlungen hätten ergeben, daß die im Ausland zurückgelegte Ausbildung auf den oben unter a) bis f) angeführten Fachgebieten der in Österreich vorgeschriebenen Ausbildung nicht entspräche. So sei die ausländische Ausbildung in Fachhygiene ergänzungsbedürftig, weil die Desinfektionsmittel in Österreich verschiedenartige Bezeichnungen hätten, die einer Ausländerin nicht bekannt sein könnten. Auch die Bedienung der Sterilisationsgeräte bedürfe einer gewissenhaften Einschulung und genauen Kenntnis. Die oben unter b) und c) genannten Rechtsvorschriften würden im Ausland nicht gelehrt, ihre Kenntnis sei aber für die gewünschte Tätigkeit in Österreich notwendig. Zum Fachgebiet unter d) werde bemerkt, daß österreichische Rechtsvorschriften auf diesen Gebieten, z.B. Strahlenschutzgesetz und Strahlenschutzverordnung, im Ausland nicht unterrichtet würden. Dazu komme noch eine in Österreich erfolgte besondere Ausbildung des Personals für den Fall einer nuklearen Katastrophe. Auch über die Gleichwertigkeit der Ausbildung in den übrigen oben genannten Fächern mit den in Österreich unterrichteten Gegenständen habe kein ausreichender Nachweis erbracht werden können. Nach § 15 der ersten Krankenpflegeverordnung (BGBl. Nr. 634/1973) dürfe die Gesamtstundenanzahl im Rahmen der Ausbildung 5200 nicht unterschreiten. Hievon haben mindestens ein Drittel auf die theoretische Ausbildung und mindestens die Hälfte auf die praktische Ausbildung zu entfallen. Die in Rumänien nach der Matura genossene Krankenschwesternausbildung betrage "de facto eigentlich" nur zwei Jahre und könne deshalb schon zeitmäßig nicht als gleichwertig mit der österreichischen Ausbildung angesehen werden. Selbst bei größerer Stundenanzahl müßten im Ausland in den gleichen Fachgebieten nicht die gleichen Lehrinhalte wie in Österreich "tatsächlich vermittelt werden", das heißt trotz gleicher Benennung der Lehrgegenstände und ziemlich entsprechender Stundenanzahl sei die ausländische Ausbildung doch nicht mit der österreichischen gleichwertig. Die Lehrinhalte in den einzelnen Fächern könnten nicht so genau abgegrenzt werden, daß nur ein Teil der Ergänzungsausbildung und Prüfung darüber in diesem Lehrfach vorgeschrieben werde. Nach eingehendem Lehrplanvergleich in einem Vergleichsfall und nach gepflogenem Einvernehmen mit Experten und der Interessenvertretung der Dienstnehmer sowie der Fachgruppenvereinigung des Krankenpflegepersonals und verwandter Berufe sei die Vorschreibung der oben genannten Lehrgegenstände daher für notwendig erachtet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin strebt an und es wurde ihr mit dem angefochtenen Bescheid - unter Bedingungen - bewilligt die Ausübung des Berufes als diplomierte Krankenschwester im Sinne des § 23 lit. a Krankenpflegegesetz. Nach dem dort verwiesenen § 5 Abs. 1 Krankenpflegegesetz umfaßt die allgemeine Krankenpflege die Pflege bei Erkrankungen aller Art, die Wochenbettpflege sowie die Pflege und Ernährung von Neugeborenen. Über die Ausbildung in der allgemeinen Krankenpflege enthalten zunächst die §§ 6 bis 9 Krankenpflegegesetz allgemeine Bestimmungen, die §§ 10 bis 13 Bestimmungen über die Dauer und Art der Ausbildung in Krankenpflegeschulen, die §§ 14 bis 16 Vorschriften über Prüfungen und Zeugnisse. Die gesetzlichen Ausbildungsbestimmungen werden ergänzt durch die Bestimmungen der Ersten Krankenpflegeverordnung (BGBl. Nr. 634/1973), welche in ihren Anlagen ins einzelne gehende Vorschriften über die Mindeststundenanzahl für die einzelnen Unterrichtsfächer in den einzelnen Ausbildungsjahren enthält.

§ 15 Abs. 3 Krankenpflegegesetz lautet:

"Außerhalb Österreichs erworbene Zeugnisse über eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung in der Krankenpflege sind vom Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz - nunmehr Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst - nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretung der Dienstnehmer als österreichischen Diplomen gleichwertig anzuerkennen, wenn die Ausbildung im Ausland die für die Ausübung des Krankenpflegeberufes in Österreich erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt hat. Das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz kann die Anerkennung eines außerhalb Österreichs erworbenen Zeugnisses an die Bedingung knüpfen, daß die im Ausland zurückgelegte Ausbildung in Krankenanstalten, an denen Krankenpflegeschulen bestehen, ergänzt wird und der Anerkennungswerber eine Ergänzungsprüfung mit Erfolg abgelegt hat."

Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß § 56 AVG 1950 grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG 1950, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Dabei ist den Parteien nach § 45 Abs. 3 AVG 1950 Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Nach der Anordnung des § 58 Abs. 2 AVG 1950 sind Bescheide, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wurde, zu begründen. Gemäß dem § 60 AVG 1950 sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Es ist den Beschwerdeausführungen zuzustimmen, daß die Vorschreibung einer Ergänzungsprüfung im Sinne des § 15 Abs. 3, letzter Satz Krankenpflegegesetz die Feststellung zur Voraussetzung hat, daß eine ausländische Ausbildung die für die Ausübung des speziellen Krankenpflegeberufes in Österreich erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht oder nicht ausreichend vermittelt hat. Die Bescheidbegründung läßt ausreichende Feststellungen in dieser Richtung vermissen. Dies ist im einzelnen an Hand der gegebenen Bescheidbegründung wie folgt darzutun:

Es wurde überhaupt nicht im einzelnen dargelegt, welche Ausbildung die Beschwerdeführerin nach Art und Ausmaß, allenfalls auch Stundenausmaß, in Rumänien genoß. Daher bleibt die Wendung (Seite 4 des angefochtenen Bescheides) "Art und Ausmaß der absolvierten Ausbildung" sei "mit den in Österreich derzeit geltenden Ausbildungsvorschriften verglichen" worden, inhaltsleer und nicht überprüfbar. Der im nächsten Absatz folgende Satz, die Ermittlungen hätten ergeben, daß die im Ausland zurückgelegte Ausbildung auf den Fachgebieten a) bis f) der in Österreich vorgeschriebenen Ausbildung nicht entspräche, läßt offen, um welche Ermittlungen es sich handelte und in welcher Richtung und in welchem Ausmaß die ausländische Ausbildung der österreichischen nicht entspräche. Hinsichtlich des Faches Hygiene fehlt die Feststellung darüber, daß Desinfektionsmittel in Rumänien andere Namen und Sterilisationsgeräte in Rumänien eine andere Konstruktion und Bedienungsweise aufwiesen als in Österreich. Es fehlen Feststellungen dahin, daß die rumänische Ausbildung weder auf den Fall nuklearer Katastrophen noch auf Strahlenschutz Bedacht nehme. Es fehlen Feststellungen über die Gesamtstundenanzahl der in Rumänien absolvierten Ausbildung; es wurde ferner nicht dargetan, was die Wendung (Seite 6 des angefochtenen Bescheides) bedeuten soll, die in Rumänien genossene Krankenschwesternausbildung betrüge "de facto eigentlich" nur zwei Jahre - wobei die Gewichtigkeit dieser Feststellung gerade durch die Wendung "de facto" und "eigentlich" in Zweifel gesetzt wird. Es wurde ferner nicht dargetan, warum selbst bei größerer Stundenanzahl im gleichen Fachgebiet nicht die gleichen Lehrinhalte wie in Österreich "tatsächlich vermittelt werden müssen" - auch diese Wendung trägt den Zweifel an der Richtigkeit der behaupteten Tatsache in sich. Es wurde ferner nicht schlüssig begründet, warum eine Abgrenzung von Lehrgegenständen innerhalb eines Lehrfaches unmöglich sein sollte, wo es doch möglich war, der Beschwerdeführerin nicht in allen, sondern nur in den oben unter a) bis f) genannten Fächern Ergänzungsprüfungen vorzuschreiben.

Schließlich entspricht es nicht den Grundsätzen eines ordentlichen Verwaltungsverfahrens, der Beschwerdeführerin einen Lehrplanvergleich in einem Vergleichsfall vorzuhalten, von dem sie ebensowenig Kenntnis haben konnte wie von dem Ergebnis des Einvernehmens "mit Experten und der Interessenvertretung der Dienstnehmer sowie der Fachgruppenvereinigung des Krankenpflegepersonals und verwandter Berufe" (diesbezüglich wird auf die Erwägungen des Erkenntnisses vom 23. März 1988, Zl. 88/18/0036, hingewiesen). Liegt das Ergebnis solcher Vergleiche und solchen Einvernehmens auf Tatsachenebene, so wäre es der Beschwerdeführerin vorzuhalten gewesen; sollte aber die belangte Behörde die Meinung vertreten, Experten und Interessenvertretungen könnten über gesetzliche und verordnungsmäßige Grundlagen hinaus generelle Rechtsnormen schaffen, so ist diese Fehlmeinung auf Art. 18 Abs. 1 B-VG zu verweisen.

Sofern die belangte Behörde (Seite 6 oben des angefochtenen Bescheides) ausführt, die Beschwerdeführerin habe über die Gleichwertigkeit ihrer ausländischen Ausbildung mit der österreichischen keine ausreichenden Nachweise erbracht, so kann auf die Ausführungen des oben zitierten Erkenntnisses vom 23. März 1988 verwiesen werden, wonach die Beibringung tatsächlicher Unterlagen, wie z.B. von Prüfungszeugnissen, Vorschriften über den Unterricht und die Prüfungen in Rumänien, wohl der Beschwerdeführerin in Ausübung ihrer Mitwirkungspflicht als Partei des Verwaltungsverfahrens obliegen wird; die Frage der Gleichwertigkeit der rumänischen mit der österreichischen Ausbildung wird aber die Behörde als Rechtsfrage zu entscheiden haben; über Rechtsfragen können schon ihrer Natur nach der Beschwerdeführerin keine "Nachweise" auferlegt werden.

Somit erscheint die im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung als unschlüssig und ungenügend.

Zum Versuch der belangten Behörde, in ihrer Gegenschrift mangelnde Begründungselemente nachzutragen, ist ebenfalls auf die Erwägungen des oben zitierten Erkenntnisses (dort Seite 6) hinzuweisen.

Nicht begründet ist die Rüge, man habe der Beschwerdeführerin keine Einsicht in die Stellungnahme der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark gewährt, eine solche Stellungnahme wurde nämlich nie erstattet.

Was die Beschwerde zur Begründung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vorbringt, ist in Wahrheit eine Verfahrensrüge, die im oben dargestellten Ausmaß als gerechtfertigt erkannt werden mußten.

Da die belangte Behörde grundlegende Vorschriften über die Begründung von Bescheiden verletzt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren nach "Barauslagen für 18 Kopien" war abzuweisen, weil ein solcher Barauslagenersatz im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelVerwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastBeweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärterSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180038.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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