TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/17 89/15/0048

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Veröffentlicht am 17.09.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §21;
UStG 1972 §1 Abs1 Z1;
UStG 1972 §10 Abs4;
UStG 1972 §10;
UStG 1972 §3 Abs9;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 246;

Betreff

X-GesmbH gegen Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom 5. Mai 1988, Zl. 82-GA 4 BK-DK/87, betreffend Umsatzsteuer 1981:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei einer ua die Besteuerungsgrundlagen der Umsatzsteuer für das Jahr 1981 betreffenden Betriebsprüfung wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Die ALZ-Gesellschaft mbH (eine Organgesellschaft der Beschwerdeführerin gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1972; im Folgenden ALZ) bot ihren Kunden beim Abschluß von Leasingverträgen über die Nutzung von Kraftfahrzeugen den Abschluß von "Serviceverträgen" an, die "Kaskoschutz" und/oder "Verschleißreparatur" sowie - in Verbindung mit den genannten Leistungen - die Beistellung eines Ersatzfahrzeuges umfaßten. Die Beschwerdeführerin hatte die auf die Nutzung der Fahrzeuge entfallenden Entgelte mit dem Steuersatz von 30 %, die im Rahmen der "Serviceverträge" vereinbarten Entgelte hingegen mit dem Normalsteuersatz versteuert.

Das Finanzamt nahm der Auffassung des Betriebsprüfers, wonach die mit den "Serviceverträgen" vereinbarten Leistungen unselbständige Nebenleistungen zur Fahrzeugvermietung darstellten und die darauf entfallenden Entgelte gemäß § 10 Abs. 4 UStG 1972 zu versteuern seien, folgend das Verfahren betreffend die Umsatzsteuer 1981 wieder auf und erließ einen neuen Sachbescheid.

In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, die ALZ biete ihren Kunden einerseits Leasingverträge, andererseits sogenannte Serviceverträge an. Der Leasingvertrag umfasse die bestandweise Überlassung der Fahrzeuge. Im Servicevertrag würden den Kunden verschiedene Dienstleistungen in der Art einer "Fuhrparkverwaltung", nämlich die bargeldlose Reparaturabwicklung in Vertragswerkstätten, die Kontrolle der Reparaturverrechnungen und deren Bezahlung, die Überwachung der Gewährleistungsansprüche, die Beistellung eines Ersatzfahrzeuges und die Kaskoversicherung angeboten. Die Serviceverträge würden sowohl von Leasingkunden als auch von Vertragspartnern ohne Leasingvertrag für deren eigene Fahrzeuge abgeschlossen. Es handle sich um selbständige Leistungen, da keine Leistung Bestandteil der jeweils anderen oder dieser als unselbständige Nebenleistung untergeordnet sei. Es lägen trennbare Tätigkeiten von eigenem wirtschaftlichem Gewicht vor. Die Leistung aus dem Servicevertrag könne auch keine Nebenleistung sein, weil sie im Verhältnis zum Leasingvertrag nicht nebensächlich sei. Vielmehr stellten der Bestandvertrag und die Serviceleistung gegen jeweils gesondert berechnetes Entgelt zwei gesonderte, voneinander zivilrechtlich und wirtschaftlich getrennte Hauptleistungen dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte sie begründend im wesentlichen aus, die Leistungen auf Grund der gegenständlichen Serviceverträge stellten im Verhältnis zur Überlassung der Nutzung unselbständige Nebenleistungen dar.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 4 UStG 1972 in der im Streitzeitraum geltenden Fassung erhöht sich die Umsatzsteuer auf 30 v.H. für die Lieferungen, die Vermietung, den Eigenverbrauch und die Einfuhr der in der Anlage B aufgezählten Gegenstände (ua Kraftwagen und andere Kraftfahrzeuge, die hauptsächlich für die Beförderung von Personen gebaut sind).

Im vorliegenden Fall steht zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens außer Streit, daß die im Rahmen der "Leasingverträge" vereinbarten Entgelte dem erhöhten Steuersatz nach § 10 Abs. 4 UStG 1972 unterliegen; strittig ist, ob es sich bei den im Rahmen der "Serviceverträge" zu erbringenden Leistungen im Verhältnis zur Verschaffung der Nutzung am Leasinggegenstand durch den Leasinggeber um unselbständige Nebenleistungen handelt, die die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Hauptleistung teilen.

Die Umsatzsteuer wird grundsätzlich für jede einzelne Leistung erhoben. Nur wenn Leistungen nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 21 BAO) zusammengehören, behandelt das Umsatzsteuerrecht - nach dem Grundsatz der Unteilbarkeit (Einheitlichkeit) der Leistung - die wirtschaftliche Einheit mehrerer Leistungen als eine Leistung (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer § 1 Rz 53 ff).

Daraus folgt zunächst, daß die Aufspaltung eines solchen einheitlichen Leistungsvorganges in Einzelleistungen unzulässig ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 4. April 1974, Zl. 1718/73, und die darin angeführte Vorjudikatur, und vom 10. November 1987, Zl. 87/14/0165; Kranich-Siegl-Waba aaO; Doralt-Ruppe, Steuerrecht I4, 286; Doralt, Garagierung-Hauptleistung oder Nebenleistung?, RdW 1988, 332 ff; zur entsprechenden deutschen Rechtslage z.B Husmann in Rau-Dürrwächter-Flick-Koch, Umsatzsteuergesetz-Kommentar § 1 Anm 86 und Giesberts, ebd, § 3 Anm 79, und die dort jeweils angeführte Rechtsprechung).

Aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung folgt weiters, daß unselbständige Nebenleistungen umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung teilen. Der Steuersatz richtet sich daher nach der Hauptleistung (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1984, Zl. 83/15/0045, Slg. 5880/F), und zwar auch bei getrennter Rechnungslegung (vgl. z. B. Kranich-Siegl-Waba aaO, Doralt-Ruppe aaO).

Bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung ist im Einzelfall somit zu prüfen, ob ein mehrere Elemente umfassender einheitlicher Leistungsvorgang oder mehrere Leistungen vorliegen. Vielfach wird der Leistungsvorgang in seiner Gesamtheit unter Beachtung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Leistung umsatzsteuerlich als eine einheitliche Leistung zu beurteilen sein (vgl. Husmann aaO § 1 Rz 91). Im vorliegenden Fall besteht zwischen der Gebrauchsüberlassung einerseits und den sonstigen, im Rahmen der sogenannten "Service-Verträge" vom Leasinggeber zu erbringenden Leistungen, nämlich dem Abschluß von Kaskoversicherungsverträgen auf Rechnung der Leasingnehmer und der Schadensabwicklung bzw. der Erbringung von Service- und Wartungsleistungen den Leasinggegenstand betreffend kein derart enger wirtschaftlicher Zusammenhang, daß diese Leistungen als hinter dem Ganzen zurücktretende Elemente eines einheitlichen Leistungsvorganges betrachtet werden könnten.

Es ist daher zu prüfen, ob selbständige, umsatzsteuerlich getrennt zu beurteilende Leistungen vorliegen, oder solche Leistungen, die zueinander im Verhältnis von Hauptleistung und unselbständiger, das rechtliche Schicksal der Hauptleistung teilender Nebenleistung stehen.

Eine unselbständige Nebenleistung ist dann anzunehmen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt. Die Merkmale der Nebensächlichkeit und des engen Zusammenhanges der Nebenleistung mit der Hauptleistung sind als erfüllt anzusehen, wenn die Nebenleistung die Hauptleistung ermöglicht, abrundet oder ergänzt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1973, Zl. 643/73, und vom 5. April 1984, Zl. 83/15/0045, Slg. 5880/F; Doralt aaO; zur entsprechenden deutschen Rechtslage Husmann aaO § 1 Rz 92;

Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz 10 § 1 bis 3 Rz 1169/1). Maßgeblich ist der Leistungsvorgang und nicht, ob die Leistungen auf ein und demselben Vertrag beruhen und ob das Entgelt für jede einzelne Leistung oder als Gesamtentgelt berechnet wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1974, Zl. 1718/73, und die darin angeführte Vorjudikatur).

Davon ausgehend handelt es sich bei den in Streit stehenden Leistungen um im Verhältnis zur Hauptleistung, der Gebrauchsüberlassung auf Zeit, unselbständige Nebenleistungen. Die Leistungen "Kaskoschutz" (das ist der Abschluß einer Kaskoversicherung auf Rechnung des Leasingnehmers und die Abwicklung von Schadensfällen durch den Leasinggeber) und "Verschleißreparatur", das ist die Durchführung von Service- und Wartungsarbeiten durch den Leasinggeber bzw. dessen Erfüllungsgehilfen, sind Leistungen, durch die die Hauptleistung, nämlich die Gebrauchsüberlassung an Kraftfahrzeugen, ergänzt wird. Sie haben - im Zusammenhang mit der Gebrauchsüberlassung - keine selbständige Bedeutung, sondern eine untergeordnete, durch "Versicherthalten" bzw. Erhaltung des Vertragsgegenstandes in ordnungsgemäßem Zustand dienende Funktion. Es handelt sich überdies um - im Rahmen sogenannter "Service-Leasing-Verträge" oder "Full-Service-Leasing-Verträge" (vgl. Krejci in Egger-Krejci, Das Leasinggeschäft 28) typische regelmäßig vorkommende Nebenleistungen (vgl. Taschner ebd 665). Die genannten Vertragsarten unterscheiden sich von anderen, lediglich zur Gebrauchsüberlassung durch den Leasinggeber verpflichtenden Leasingverträgen gerade durch die Verpflichtung zur Erbringung der hier in Streit stehenden - und allenfalls weiterer - Nebenleistungen. Die auf die Leasingnehmer überwälzten Kaskoversicherungsprämien bzw. die pauschalierten Entgelte für Service- und Wartungsabeiten bilden zusammen mit den Entgelten aus den "Leasingverträgen" das einheitliche Entgelt; sie sind in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Umsatzsteuer nach § 10 Abs. 4 UStG 1972 einzubeziehen. Diese Auffassung wird auch in der Lehre geteilt (vgl. Stoll, Leasing-steuerrechtliche Beurteilungsgrundsätze2 155 ff; Kolacny-Scheiner, Umsatzsteuerrechtliche Probleme des Leasingvertrages, in Egger-Krejci aaO 561 f).

Die Beschwerdeführerin hält der zutreffenden Auffassung der belangten Behörde insbesondere entgegen, vom Zweck der angebotenen Leistungen her sei jede einzelne für sich für den Kunden wertvoll bzw. sinnvoll und stelle daher eine gesonderte Hauptleistung dar. Dies ergebe sich daraus, daß Leasing- und Serviceverträge sowohl kombiniert als auch unabhängig voneinander abgeschlossen würden. Damit verkennt die Beschwerdeführerin, daß die Lösung der Frage, ob bestimmte Leistungen umsatzsteuerlich mehrere selbständige Leistungen darstellen oder zueinander im Verhältnis von Hauptleistung und unselbständiger Nebenleistung stehen, nicht mit Hilfe einer isolierten, den im konkreten Fall gegebenen Zusammenhang der Leistungen außer acht lassenden Betrachtungsweise erfolgen kann. Ein und dieselbe Leistung kann im Falle selbständiger Erbringung Hauptleistung sein, im Falle ihrer Erbringung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer anderen Leistung jedoch zu dieser im Verhältnis einer unselbständigen Nebenleistung stehen. Nur beispielsweise sei in diesem Zusammenhang auf Verpackungs-, Beförderungs- oder Montageleistungen verwiesen, die, wenn sie vom Verkäufer in Beziehung auf den Kaufgegenstand erbracht werden, in der Regel unselbständige Nebenleistungen (vgl. Doralt-Ruppe aaO 286 f), ohne solchen Zusammenhang jedoch Hauptleistungen darstellen. Daraus ergibt sich auch die mangelnde Relevanz der von der Beschwerdeführerin vermißten Feststellungen, wonach sie "Service-Verträge" auch "Nicht-Leasing-Kunden" angeboten und "Service-Verträge" und "Leasing-Verträge" sowohl jeweils selbständig als auch kombiniert abgeschlossen habe.

Daß die strittige Leistung einen Kostenfaktor darstellt bzw. einem Gegenleistungsteil entsprechend veranschlagbar (und somit bei zivilrechtlicher Betrachtung als "äquivalente" Nebenleistung anzusehen) ist, hindert nach der oben dargelegten Begriffsbestimmung für den Bereich des Umsatzsteuerrechts eine Beurteilung als unselbständige Nebenleistung nicht. Auch das Verhältnis der Kostenfaktoren der einzelnen Leistungselemente ist für die hier strittige Abgrenzung nicht unbedingt maßgebend (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1984, Zl. 83/15/0083, Slg.5939/F; Giesberts aaO, § 3 Anm. 97 Stichwort "Nebenleistungen").

Auch der Hinweis der Beschwerde auf die Vereinbarung eines gesonderten Entgeltes für die auf Grund der "Service-Verträge" zu erbringenden Leistungen ist nicht zielführend, weil es, wie schon dargelegt wurde, auf den Leistungsvorgang und nicht auf die vertragliche Regelung des Entgelts ankommt.

Eine Erörterung der gegen die Auffassung der belangten Behörde, die strittigen "Service-Verträge" könnten wirtschaftlich sinnvoll nur gemeinsam mit Leasingverträgen abgeschlossen werden, gerichteten Beschwerdeausführungen erübrigt sich schon deshalb, weil dies nach der oben dargelegten Begriffsbestimmung nicht Voraussetzung für die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989150048.X00

Im RIS seit

17.09.1990

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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