TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/19 90/01/0079

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Veröffentlicht am 19.09.1990
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §9 Abs3;

Betreff

A gegen Bundesminister für Inneres vom 12. Februar 1990, Zl. 4.246.272/7-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein tschechoslowakischer Staatsangehöriger, kam am 12. Oktober 1988 in das Bundesgebiet und stellte am gleichen Tag den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Bei seinen niederschriftlichen Befragungen am gleichen Tag sowie am 15. Oktober 1988 führte der Beschwerdeführer aus, im Zivilberuf als Kfz-Mechaniker tätig zu sein. Ab 1. Oktober 1988 habe er im Rahmen des Präsenzdienstes an der Bundesgrenze zu Österreich als Grenzüberwachungsorgan Dienst versehen. Während dieses Dienstes sei er zu Fuß nach Österreich gelaufen. Er sei aus seinem Heimatland geflüchtet, weil er mit dem politischen System nicht einverstanden sei. Er wolle als "normaler" Mensch leben können und nicht nur als "Mitläufer". Konkreten Verfolgungen sei er in seinem Heimatland, in dem man "zu Sachen" gezwungen würde, die einen überhaupt nicht interessieren, nicht ausgesetzt gewesen. Schon seit seinem 16. Lebensjahr habe er sich mit dem Gedanken getragen, seine Heimat zu verlassen.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. Dezember 1988 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796 (AsylG), ist.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung in der er im wesentlichen ausführte, er sei in seinem Heimatland politisch verfolgt worden und habe aus politischen Gründen in seinem Leben Schwierigkeiten gehabt.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß angesichts der in der CSFR herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände kein Anlaß bestehe, an der Richtigkeit der Angaben vor der Behörde erster Instanz zu zweifeln; hingegen müsse dem damit im Widerspruch stehenden Vorbringen in der Berufung die Glaubwürdigkeit versagt werden. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich gewesen, seine pauschalen Berufungsbehauptungen zu konkretisieren oder durch Beweismittel zu untermauern. Der Beschwerdeführer habe ausdrücklich angegeben, "sonstige Probleme und Schwierigkeiten" nicht gehabt zu haben und auch hinsichtlich seiner politischen Gesinnung keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Erfahrungsgemäß machten Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Eine wohlbegründete Furcht liege insbesondere dann nicht vor, wenn der Asylwerber das politische System in seinem Heimatland ablehne, jedoch konkret keinen Verfolgungen im Sinne der Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei. Die Furcht vor Verfolgung müsse sich auf Umstände beziehen, die im zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise aus dem Heimatland lägen, weshalb das Vorbringen nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft führen könne. Da das durchgeführte Ermittlungsverfahren keine konkreten Anhaltspunkte einer Verfolgung des Beschwerdeführers aus einem der in der Genfer Konvention taxativ aufgezählten Tatbestände ergeben habe, könne die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 des Asylgesetzes gehört worden und habe der in Aussicht genommenen Abweisung - so wie in erster Instanz - zugestimmt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, im Sinne des Asylrechtes als Flüchtling anerkannt zu werden, zufolge Verletzung von Verfahrensvorschriften insbesondere §§ 45, 65 und 66 AVG 1950 verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Asylgesetz ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und das kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der näher bezeichneten Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Unzutreffend ist, wie in der Beschwerde richtig dargelegt wird, daß entgegen den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides der Hochkommissär der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge im Verfahren vor der Behörde erster Instanz der Abweisung des Asylantrages zugestimmt habe. Vielmehr hat dieser in seinem Schreiben vom 23. Dezember 1988, eingelangt bei der Behörde erster Instanz am 28. Dezember 1988, eine Asylgewährung befürwortet, doch war nach der Aktenlage an diesem Tage der Bescheid der Behörde erster Instanz vom Beschwerdeführer bereits übernommen und damit zugestellt worden. Abgesehen davon, daß eine solche Stellungnahme des Hochkommissärs für die Behörde keine rechtlich präjudizielle Bindung bewirkt, hat der Hochkommissär im Berufungsverfahren am 2. Februar 1990 der abweisenden Erledigung der Berufung ausdrücklich zugestimmt. Im übrigen wird bemerkt, daß nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Slg. 12.285/A) der Asylwerber keinen vor dem Verwaltungsgerichtshof durchsetzbaren Anspruch auf die Einhaltung des § 9 Abs. 3 AsylG (Anhörungsrecht) hat.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß er auf Grund seines Berufungsvorbringens nicht nochmals einvernommen worden sei; er wäre dann in der Lage gewesen, über seine Verfolgung und seine politischen Unterdrückung auszusagen und konkrete Beweise hierfür anzuführen. Es drohe dem Beschwerdeführer wegen seiner Flucht nach Österreich eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren; diese harte Strafe sei den damaligen politischen Verhältnissen zuzuschreiben.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid nur nach der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung gegebenen Sach- und Rechtslage zu überprüfen hat. In Anbetracht der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eingetretenen tiefgreifenden Änderungen im Heimatland des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Vorbringen des Beschwerdeführers als für die Aufzeigung eines tauglichen Asylgrundes nicht geeignet angesehen und von einer neuerlichen Vernehmung des Beschwerdeführers Abstand genommen hat.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010079.X00

Im RIS seit

19.09.1990

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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