TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/25 89/16/0029

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Veröffentlicht am 25.10.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §6;
ABGB §7;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litc;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z4 lita idF 1969/277 ;
VwRallg;

Beachte

Besprechung in: ÖStZ 1992, 173; AnwBl 1991/6, 404;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des F gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. Dezember 1988, Zl. GA 11-1623/88, betreffend Erstattung von Grunderwerb- und Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Übergabsvertrag vom 29. Jänner 1981 erwarb der Beschwerdeführer den Anspruch auf Übereignung des Hälfteanteiles eines inländischen Grundstückes. Für diesen Erwerbsvorgang setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien mit Bescheid vom 18. Mai 1981 gegenüber dem Beschwerdeführer, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage (Gegenleistung) in Höhe von S 129.000,--, Grunderwerbsteuer mit einem Betrag von S 10.320,-- sowie, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 116.000,-- bzw. 122.000,-- als Differenz zwischen dem Einheitswert und der Gegenleistung, Schenkungssteuer in Höhe von zusammen S 14.040,--, insgesamt also Abgaben in Höhe von S 24.360,-- fest. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom 24. August 1983 stellte die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde fest, daß der genannte Übergabsvertrag vom 29. Jänner 1981 keinen der im § 2 des NÖ landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes 1972, LGBL. 6645-2, aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand habe.

Mit Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der NÖ Landesregierung vom 5. Mai 1987 wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung Folge gegeben und der Bescheid der NÖ Agrarbezirksbehörde vom 24. August "1982" (richtig: 1983) dahingehend abgeändert, daß gemäß § 4 Abs. 2 des zuletzt genannten Gesetzes sowie § 66 Abs. 4 AVG 1950 festgestellt werde, der genannte Vertrag habe einen der im § 2 des NÖ landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand.

Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 1987, beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien eingelangt am 6. Oktober 1987, beantragte der Beschwerdeführer unter Vorlage des zuletzt genannten Erkenntnisses des Landesagrarsenates vom 5. Mai 1987, die von ihm bezahlte "Grunderwerbsteuer" von S 24.360,-- zu erstatten.

Mit Bescheid vom 3. März 1988 gab das Finanzamt "dem Antrag vom 6.10.1987 um Rückvergütung der mit Bescheid vom 18.5.1981 vorgeschriebenen Grunderwerbsteuer gem. § 20 Abs. 1 GrEStG 1955" nicht statt, da keine Rückgängigmachung des Vertrages im Sinne des § 20 Abs. 1 leg. cit. vorliege.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, § 20 GrEStG 1955 stelle eine der Handhaben für das Abgehen von den auf eine Fixierung der Steuerschuld und ihrer Unveränderbarkeit ausgerichteten steuerrechtlichen Grundsätzen dar. Die Grunderwerbsteuer könne daher nur erstattet werden, wenn der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht werde. Im gegenständlichen Fall sei für den Erwerb nachträglich "zuerkannt" worden, daß dieser einen Aufstockungserwerb darstelle, nicht jedoch sei der Vertrag rückgängig gemacht worden. Der Beschwerdeführer habe ausdrücklich einen Antrag auf Erstattung der Grunderwerbsteuer und keinen Wiederaufnahmeantrag gestellt. Hiezu werde bemerkt, daß gemäß § 304 BAO die Möglichkeit einer Wiederaufnahme bereits "verjährt" sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach seinem Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in "seinen Rechten nach dem Grunderwerbsteuergesetz" verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erstattung von entrichteter Grunderwerbsteuer in Höhe von S 24.360,-- gestellt hat, die ihm gegenüber mit Bescheid vom 18. Mai 1981 festgesetzte Grunderwerbsteuer jedoch lediglich S 10.320,-- betrug, während der Rest der ihm vorgeschriebenen Abgabe auf Schenkungssteuer entfiel. Da der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 1. Oktober 1987 den Gesamtbetrag der ihm vorgeschriebenen und von ihm entrichteten Abgaben nannte, ist davon auszugehen, daß sich sein Antrag auch auf die ihm vorgeschriebene Schenkungssteuer bezog. Diesbezüglich enthält der angefochtene Bescheid zwar keinerlei Ausführungen; ein darin gelegener Begründungsmangel wäre jedoch nicht wesentlich, weil die belangte Behörde auch bei dessen Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können. Denn das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 kennt keinen dem § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. a GrEStG 1955 (nur diese Befreiungsbestimmung wäre im Beschwerdefall in Betracht gekommen) entsprechenden Tatbestand. Davon abgesehen ist jedoch dieser Teil der vom Beschwerdeführer entrichteten Abgabe nach der diesbezüglich eindeutigen Fassung des Beschwerdevorbringens vom Beschwerdepunkt gar nicht umfaßt.

Was jedoch den Antrag auf Erstattung der Grunderwerbsteuer im Betrag von S 10.320,-- anlangt, so ist der belangten Behörde beizupflichten, daß die Anwendung des § 20 GrEStG nach ihrem klaren Wortlaut die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges zur unabdingbaren Voraussetzung hat. Auch die vom Beschwerdeführer gewünschte "extensive" Interpretation kann zu keinem anderen Ergebnis führen, weil der äußerste mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung absteckt (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts8 I, 21), eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges jedoch unbestrittenermaßen nicht vorliegt.

Aber auch eine (allenfalls durch Analogie zu schließende) Gesetzeslücke - das ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung (vgl. Koziol-Welser aaO. Seite 24) - liegt nicht vor.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. a des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 idF. der Novelle BGBl. Nr. 277/1969 ist unter anderem in den Angelegenheiten der Bodenreform (Art. 12 Abs. 1 Z. 5 - nunmehr Z. 3 - B-VG) der Erwerb eines Grundstückes unmittelbar zur Durchführung einer Bodenreformmaßnahme, wenn dieser Zweck durch einen Bescheid der zuständigen Agrarbehörde nachgewiesen wird, von der Besteuerung ausgenommen. Ähnlich wie im Fall der besonderen Ausnahme von der Besteuerung nach § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. a GrEStG 1955 idF. der Grunderwerbsteuernovelle 1956, BGBl. Nr. 178 - nach dieser Bestimmung war beim freiwilligen Erwerb von Grundstücken der Erwerb von land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zur Abrundung (Arrondierung) land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes oder zur Bereinigung eines solchen Grundbesitzes von ganz oder teilweise eingeschlossenen fremden Grundstücken (Enklaven) von der Besteuerung ausgenommen, wenn dieser Erwerb von der zuständigen Behörde als für die Flurverfassung vorteilhaft erklärt wurde - handelt es sich bei dem im § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. a leg. cit. idF. der Novelle BGBl. Nr. 277/1969 genannten Bescheid der zuständigen Agrarbehörde um ein Tatbestandsmerkmal für die Abgabenfreiheit (vgl. zum früheren § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. a leg. cit. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1964, Slg. Nr. 3141/F); der Erwerb eines Grundstückes unmittelbar zur Durchführung einer Bodenreformmaßnahme ist von der Besteuerung (SCHON) DANN ausgenommen, WENN dieser Zweck durch einen Bescheid der zuständigen Agrarbehörde nachgewiesen wird (hg. Erkenntnisse vom 31. Mai 1979, Zl. 2044/77, und vom 11. Juni 1987, Zl. 86/16/0041).

Ein solcher Bescheid muß daher im Verfahren über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer (und zwar allenfalls noch im Berufungsverfahren) vorgelegt werden, um eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer zu bewirken. Ein nachträglich ergangener Bescheid der Agrarbehörde kann hingegen nach dieser vom Gesetzgeber gewählten Konstruktion eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nicht mehr bewirken; und zwar auch nicht im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO, weil es sich hiebei um eine nach der Bescheiderlassung neu entstandene Tatsache handeln würde (vgl. hiezu Stoll, BAO Handbuch Seite 723).

Aber auch eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 lit. c BAO kommt - entgegen der Auffassung von Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1955, Lieferung Juli 1987, Tz 201 zu § 4 - nicht in Betracht. Czurda meint, die Frage, ob der Erwerb eines Grundstückes unmittelbar zur Durchführung einer Bodenreformmaßnahme diene, sei für die Abgabenbehörde eine Vorfrage, zu deren Entscheidung die Agrarbehörde berufen sei. Habe die Abgabenbehörde selbständig entschieden und die Steuerbefreiung versagt und erwachse der Steuerbescheid in Rechtskraft, so sei gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig, wenn nachträglich die Agrarbehörde entscheide, daß der Erwerb dem begünstigten Zweck gedient habe.

Zur Begründung dieser Auffassung beruft sich Czurda auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. Juni 1973, Zl. 2203/71, läßt hiebei jedoch außer Acht, daß dieses Erkenntnis noch zur Stammfassung des GrEStG 1955, BGBl. Nr. 140, ergangen war. Nach dessen § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. a war damals von der Besteuerung unter anderem bei Maßnahmen zur Regelung der Flurverfassung (Bodenreform) der Erwerb eines Grundstückes im Zuge eines Verfahrens vor der Agrarbehörde ausgenommen. Ein Nachweis durch einen Bescheid der zuständigen Agrarbehörde war damals NICHT als Voraussetzung für die Grunderwerbsteuerbefreiung normiert, weshalb es sich nach dieser Fassung des Gesetzes in der Tat um eine echte Vorfrage im Sinne des § 116 BAO handelte und eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 lit. c BAO unter den dort genannten Voraussetzungen möglich war.

Davon ganz abgesehen kam jedoch eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Beschwerdefall allein schon deshalb nicht in Betracht, weil gemäß § 304 BAO nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen ist, sofern ihr nicht ein vor diesem Zeitpunkt eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrundeliegt. Im Beschwerdefall war die Steuerschuld mit der Verwirklichung des Erwerbsvorganges im Jahre 1981 entstanden (§ 16 Abs. 1 GrEStG 1955), die Bemessungsverjährung daher mit 31. Dezember 1986 vollendet (§ 207 Abs. 2, § 208 Abs. 1 lit. a BAO). Ob der Erstattungsantrag vom 1. Oktober 1987 richtigerweise auch als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hätte gedeutet werden können, braucht daher nicht entschieden zu werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Hiebei konnte von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989160029.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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