TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/30 90/04/0093

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Veröffentlicht am 30.10.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §63 Abs1;
VStG §51 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. März 1990, Zl. V/1-St-89154, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt

Krems a.d. Donau vom 31. Mai 1989 wurde der Beschwerdeführer "als Geschäftsführer und Verantwortlicher der Fa. A-Warenhandelsges.m.b.H." einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 schuldig erkannt und hiefür über ihn eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde nach dem im Akt erliegenden Zustellnachweis auch dem Beschwerdeführer zugestellt.

Mit Bescheid vom 5. März 1990 erkannte der Landeshauptmann von Niederösterreich, daß die rechtzeitig eingebrachte Berufung der A-Warenhandelsges.m.b.H. gegen das erstbehördliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 51 Abs. 1 VStG 1950 stehe dem Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren das Recht der Berufung an die im Instanzenzug sachlich übergeordnete Behörde zu. Aus dieser gesetzlichen Bestimmung ergebe sich, daß unter dem Beschuldigten die in dem Straferkenntnis bezeichnete Person zu verstehen sei und nur diese im eigenen Namen Berufung erheben könne, nicht jedoch eine von ihr verschiedene Person. Aus dem Akteninhalt ergebe sich nunmehr, daß der Beschwerdeführer eindeutig Adressat des in Rede stehenden Straferkenntnisses sei und dieses für ihn am 12. Juni 1989 beim Zustellpostamt 1093 Wien hinterlegt worden sei. Die Berufung sei auf Briefpapier mit dem Briefkopf und dem Firmenstempel der A-Warenhandelsges.m.b.H., 1090 Wien, X-Gasse 4 (genauso wie übrigens der Einspruch gegen Strafverfügung) in "wir-Form" formuliert worden. Dieses Schreiben trage an seinem Schluß die Firmenstampiglie, die Fertigung stamme jedoch nicht vom Beschwerdeführer selbst, der Geschäftsführer der A-Warenhandelsges.m.b.H. sei, sondern, wie ein Vergleich der Berufung mit dem Einspruch gegen die Strafverfügung des Magistrates Krems erkennen lasse, von einem anderen Geschäftsführer der A-Warenhandelsges.m.b.H., Herrn C. Nach den angeführten äußeren Merkmalen der Berufung könne das Schreiben vom 23. Mai 1989 zweifelsfrei nicht dem Beschuldigten als Bescheidadressaten und strafrechtlich Verantwortlichem, dem das Berufungsrecht zustehe, zugerechnet werden, sondern es sei dies der A-Warenhandelsges.m.b.H., der kein Berufungsrecht zustehe, zuzurechnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Nichtzurückweisung der ihm zuzurechnenden Berufung verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u. a. vor, er sei gewerberechtlicher Geschäftsführer der A-Warenhandelsges.m.b.H. Gegen eine wegen der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung erlassene Strafverfügung vom 11. Mai 1989 habe die A-Warenhandelsges.m.b.H. als seine Vertreterin fristgerecht Einspruch erhoben. Daraufhin sei gegen ihn das erstbehördliche Straferkenntnis vom 31. Mai 1989 ergangen. Gegen dieses Straferkenntnis habe die A-Warenhandelsges.m.b.H. innerhalb offener Frist wiederum für ihn das Rechtsmittel der Berufung erhoben. Die Zurückweisung dieser Berufung durch die belangte Behörde sei rechtswidrig erfolgt. Nach § 10 Abs. 1 AVG 1950 könnten sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert werde, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen hätten. Nach herrschender Ansicht werde davon ausgegangen, daß diese Vertretung nur durch eine physische Person erfolgen könne. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz regle jedoch den Fall, daß als Vertreter einer Partei eine Personengesellschaft des Handelsrechtes, also eine nicht eigenberechtigte Person im Sinne des § 10 AVG 1950, im Sinne des § 10 Abs. 1 AVG 1950 eine Berufung erhebe, nicht ausdrücklich. Die Behörde habe daher die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG 1950 von Amts wegen zu veranlassen. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergebe sich zwar, daß eine unzulässige Berufung zurückzuweisen sei, die Frage, wann eine Berufung unzulässig sei, könne jedoch unmittelbar aus dieser Gesetzesstelle nicht beantwortet werden. Gemäß dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Jänner 1985, Zl. 83/05/0073, könne den Verwaltungsgesetzen nicht entnommen werden, daß die Partei bzw. der Beschuldigte unmittelbar selbst Berufung zu erheben habe. In diesem Zusammenhang habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß weder die Bestimmungen über die Berufung noch die Bestimmungen über die Vertretung nach § 10 AVG 1950 erkennen ließen, daß die Berufung einer zur Vertretung nach § 10 Abs. 1 AVG 1950 nicht berechtigten Person die Zurückweisung der Berufung als unzulässig zur Folge habe. Aus dem gesamten Ablauf des Verwaltungsverfahrens ergebe sich eindeutig, auch wenn dies von der A-Warenhandelsges.m.b.H. in der Berufung nicht ausgesprochen werde, daß diese in seiner Vertretung tätig geworden sei (so werde noch im Einspruch gegen die Strafverfügung ausdrücklich "für unseren gewerberechtlichen Geschäftsführer" der Schriftsatz verfaßt). Daß dieser Beisatz in der Ausführung der Berufung vergessen worden sei, könne nur auf die sich aus dem gesamten Schriftsatz ergebende emotionelle Reaktion auf die zu Unrecht verhängte Strafe zurückgeführt werden. Der Umstand, daß eine schriftliche Vollmacht nicht vorgelegt worden sei, wäre ebenfalls ein nach § 13 Abs. 3 AVG 1950 zu behandelndes Formgebrechen gewesen. Nach der vorzitierten Entscheidung des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Jänner 1985, Zl. 83/05/0073, sei es jedenfalls zulässig, ein nach den Verfahrensvorschriften nicht zulässiges Einschreiten einer juristischen Person als Bevollmächtigte als verbesserungsfähiges Formgebrechen zu werten. Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, die gegenständliche Berufung an den Einschreiter mit dem Auftrag zurückzustellen, diese binnen einer angemessenen, von der belangten Behörde zu setzenden Frist selbst nochmals einzubringen bzw. sich zu ihrer Einbringung einer geeigneten Vertretungsperson zu bedienen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11.625/A, dargetan hat, ist die Frage der Zurechnung einer Verfahrenshandlung im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 nicht geregelt. Die Behörde hat in Anwendung der Bestimmung des § 37 AVG 1950, wonach den Parteien im Ermittlungsverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben ist, die Verpflichtung, den Sinn eines "mehrdeutigen Parteienantrages" durch Herbeiführung einer entsprechenden Parteienerklärung festzustellen, d.h. in einem Zweifelsfall sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist. Vorausgesetzt für eine derartige Verpflichtung wird daher nach der Darlegung dieses Erkenntnisses das Vorhandensein einer so gestalteten Prozeßhandlung, für deren Annahme aber im Beschwerdefall im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid - auch seitens des Beschwerdeführers - nicht bekämpften Feststellungen über den Inhalt, so insbesondere die Bezeichnung des Einschreiters und die Fertigung des in Rede stehenden Berufungsschriftsatzes, kein Anlaß bestand.

Sofern sich aber der Beschwerdeführer darauf beruft, die in Rede stehende Berufung sei ihrer Absicht nach von der A-Warenhandelsges.m.b.H. in seiner - wenn auch diesbezüglich unzulässigen - Vertretung erhoben worden und ein Vergessen dieses Beisatzes im Berufungsschriftsatz könne nur "auf die sich aus dem gesamten Schriftsatz ergebende emotionelle Reaktion auf die zu Unrecht verhängte Strafe zurückgeführt werden", so ist dieses Vorbringen nicht geeignet, einen Zweifel an der Person des Einschreiters entstehen zu lassen, da sich ein derartiger Zweifel aus dem Inhalt des Schriftsatzes selbst ergeben müßte und nicht etwa im Hinblick auf daraus nicht erkennbare Motive des Einschreiters bzw. frühere Verfahrenshandlungen. Dementsprechend versagt aber auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf das auf Grund einer anderen Sachverhaltslage ergangene Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Jänner 1985, Slg. N.F. Nr. 11.633/A.

Da somit in Ansehung der Bezeichnung des Berufungswerbers ein zu Zweifeln Anlaß gebender Schriftsatz nicht vorlag und die mangelnde Berufungslegitimation eines Einschreiters allein die Behörde nicht zum Vorgehen nach der Bestimmung des § 37 AVG 1950 verpflichtet (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1989, Zl. 88/04/0199), erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Vertretungsbefugter juristische Person

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990040093.X00

Im RIS seit

19.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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