TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/30 90/04/0043

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Veröffentlicht am 30.10.1990
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Index

27/01 Rechtsanwälte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
RAO 1868 §28 Abs1 lith;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Jänner 1990, Zl. MA 63-Sch 3/89/Str, betreffend Übertretungen der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung seines in Beschwerde gezogenen Spruchpunktes A, soweit dieser nicht auf Einstellung lautet (erster Absatz dieses Spruchpunktes), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vom Magistrat der Stadt Wien mit 7. Dezember 1988 datierte Erledigung sah in ihrem Punkt I einen Schuldspruch vor, demzufolge der Beschwerdeführer 1) eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit Punkt 5 des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 20. Dezember 1984 und 2) eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit Punkt 1 des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 17. Jänner 1986 begangen habe. (Spruchpunkt II dieser Erledigung ist nicht Gegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens). Diese Erledigung wurde an den Beschwerdeführer "zu Handen Herrn Rechtsanwalt Dr. A als mittlerweiligen Stellvertreter Dris. B" adressiert und von Rechtsanwalt Dr. A am 28. Dezember 1988 übernommen.

Mit Schriftsatz vom 10. Jänner 1989 erhob der Beschwerdeführer "gegen das Straferkenntnis des Magistrates der

Stadt Wien ... vom 7. Dezember 1988" Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Jänner 1990 wurde der Beschwerdeführer im Verwaltungsrechtszug 1) einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit den Punkten 5 und 6 des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 20. Dezember 1984 und 2) einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 17. Jänner 1986 schuldig erkannt und dafür bestraft (Spruchpunkt A; der erste, auf Einstellung lautende Absatz des Spruchpunktes A und Spruchpunkt B sind nicht Gegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.)

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht schuldig erkannt und nicht dafür bestraft zu werden.

Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes unter anderem vor, der in Beschwerde gezogene Bescheid hätte gar nicht erlassen werden dürfen, weil das erstinstanzliche Straferkenntnis bis dato nicht rechtswirksam zugestellt worden sei. Der Beschwerdeführer sei im Verfahren vor der Erstbehörde durch Rechtsanwalt Dr. B vertreten gewesen, der am 13. November 1988 verstorben sei. Die Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses am 28. Dezember 1988 sei an den nunmehrigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erfolgt, der zum Zeitpunkt der Zustellung vom Beschwerdeführer jedoch noch nicht bevollmächtigt gewesen sei. Die Zustellung an ihn als den von der Rechtsanwaltskammer bestellten mittlerweiligen Stellvertreter für den vormaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sei rechtswidrig. Der mittlerweilige Stellvertreter sei zu Vertretungshandlungen, ohne daß ihm eine Vollmacht erteilt worden sei, nicht befugt. Er habe lediglich den Kanzleiapparat des verstorbenen Kollegen abzuwickeln, er sei aber nicht zur Empfangnahme von Schriftstücken, die einen Fristenlauf auslösen, legitimiert. Es wäre daher direkt an den Beschwerdeführer zuzustellen gewesen.

Der Beschwerdeführer ist mit diesem Vorbringen im Recht.

Nach § 13 Abs. 1 des Zustellgesetzes ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.

Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie zufolge § 7 leg. cit. als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist.

Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit., sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Nach der im Anwendungsbereich des § 28 Abs. 1 lit. h der Rechtsanwaltsordnung gegebenen Rechtslage begründet die Bestellung eines Rechtsanwaltes zum mittlerweiligen Stellvertreter eines ehemaligen Rechtsanwaltes kein Vollmachtsverhältnis zwischen dem mittlerweiligen Vertreter und dem Klienten des ehemaligen Rechtsanwaltes (siehe den hg. Beschluß vom 30. Juni 1983, Slg. N.F. Nr. 11112/A). In seiner Eigenschaft als mittlerweiliger Stellvertreter Dris. B konnte Dr. A daher nicht rechtswirksam als Empfänger von ihrem Inhalt nach für den Beschwerdeführer bestimmten Sendungen auftreten.

Am 28. Dezember 1988, dem Tag der Zustellung der Erledigung vom 7. Dezember 1988 an Dr. A, war dieser auch nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes vom Beschwerdeführer gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt. Die Bevollmächtigung wurde der Behörde nach der Aktenlage nämlich erst mit der Einbringung des als Berufung bezeichneten Schriftsatzes vom 10. Jänner 1989 bekannt gegeben.

Damit, daß Dr. A die Sendung am 28. Dezember 1988 tatsächlich zukam, wurde weder nach § 7 noch nach § 9 Abs. 1, zweiter Satz, des Zustellgesetzes die Rechtsfolge ausgelöst, daß die Sendung als zugestellt zu gelten hätte.

Mangels rechtswirksamer Zustellung der Erledigung des Magistrates der Stadt Wien vom 7. Dezember 1988 und somit mangels rechtswirksamer Erlassung eines erstbehördlichen Straferkenntnisses hätte die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Sachentscheidung in der Verwaltungsstrafsache nicht erlassen werden dürfen. Der angefochtene Bescheid war daher in dem vorstehend im Spruch bezeichneten Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beginn Vertretungsbefugnis VollmachtserteilungEnde Vertretungsbefugnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990040043.X00

Im RIS seit

30.10.1990

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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