TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/6 90/05/0087

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Veröffentlicht am 06.11.1990
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L70704 Theater Veranstaltung Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §52 Abs1;
AVG §52;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauRallg;
BauV OÖ 1976 §12 Abs1;
BauV OÖ 1976 §12 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. März 1990, Zl. BauR-010281/3-1989 Lg/St, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) B, 2) Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 19. Oktober 1988 ersuchte der Erstmitbeteiligte beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde um die Erteilung der Baubewilligung für den Aus- bzw. Umbau des Werkstätten- und Lagergebäudes auf dem Grundstück nn/n, KG X, in ein Wohngebäude. Die zu diesem Zweck vorgelegten Pläne lassen erkennen, daß in einem bestehenden zweigeschoßigen Gebäude insgesamt zwölf Wohnungen errichtet werden sollen. Nach dem beigeschlossenen Lageplan soll die im Bereich der westlichen Grundgrenze bestehende Feuermauer unverändert bleiben, obwohl nach dem Grundrißplan des Erdgeschoßes hier im Bereich der Wohnung Top Nr. 1 eine Loggia in einer Länge von 5,50 m und nach dem Grundrißplan des Obergeschoßes eine solche in der Länge von 3,5 m vorgesehen ist. Im Akt erliegt weiters ein Lageplan eines Dipl.-Ing. B vom 27. Jänner 1989, welcher erkennen läßt, daß die an der westlichen Grundstücksgrenze bestehende Hausmauer im Süden 0,52 m und im Norden 0,42 m vom anschließenden Grundstück des Beschwerdeführers nm/m, KG X, entfernt ist.

Bei der am 29. November 1988 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde zunächst das Projekt näher beschrieben und hiebei u.a. festgehalten, daß im Zuge der Bauarbeiten an der Westseite die bestehende Feuermauer zum Teil entfernt und an ihrer Stelle eine innenliegende Loggia errichtet werde, welche eine Tiefe von 1,10 m erhalte. Die Grundstücksgrenze zum westlich gelegenen Nachbarn (irrtümlich wurde das Grundstück des Beschwerdeführers als Parzelle Nr. nx/m angegeben) werde noch vor Bescheiderteilung durch einen Zivilgeometer oder durch das Vermessungsamt festgelegt, da ein Mappenblatt ausweise, daß die Mauer an der Westseite die Grundstücksgrenze sein solle, jedoch der eingereichte Lageplan eine andere Aussage treffe. Festgehalten wurde insbesondere noch, daß nach dem Flächenwidmungsplan die Grundflächen als gemischtes Baugebiet ausgewiesen seien und ein Bebauungsplan nicht vorhanden sei. Der Beschwerdeführer erhob die Einwendung, daß gemäß § 32 der OÖ Bauordnung (BO) bei offener Bauweise der Abstand zum Nachbarn mindestens 3 m betragen müsse. Nach § 12 der OÖ Bauverordnung müßten Feuermauern als brandbeständige, öffnungslose Außenwände errichtet werden, was jedenfalls für die vorhandene, innerhalb 1 m errichtete Mauer gelte. Der bautechnische Amtssachverständige erachtete das Bauvorhaben als genehmigungsfähig, wobei er die Ansicht vertrat, daß nach § 32 BO Aufstockungen, Auf- und Umbauten an bestehenden Gebäuden innerhalb eines Abstandes von 3 m zur Nachbargrenze gestattet und Feuermauern nur innerhalb eines Abstandes von 1 m erforderlich seien.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1988 erteilte der Bürgermeister die angestrebte Baubewilligung. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden mit der Begründung abgewiesen, daß entsprechend § 32 BO Auf- und Umbauten an bestehenden Gebäuden innerhalb eines Abstandes von 3 m zur Grundgrenze gestattet und Feuermauern nur innerhalb eines Abstandes von 1 m erforderlich seien, weshalb die Errichtung einer Loggia zulässig sei.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 28. Februar 1989 keine Folge. Diese Entscheidung wurde im einzelnen näher begründet.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wies die OÖ Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß mit der Neufassung des § 32 Abs. 1 BO durch die Novelle 1983 die Möglichkeit geschaffen werden sollte, daß auf die Einhaltung eines Mindestabstandes von 3 m zur inneren Bauplatzgrenze bei Umbauten verzichtet werden könne. § 12 Abs. 2 der OÖ Bauverordnung bestimme für Gebäude, die ganz oder teilweise unmittelbar an der Nachbargrenze errichtet werden oder bei denen ein Abstand des Gebäudes oder einzelner Gebäudeteile von der Nachbargrenze weniger als 1 m betrage, daß die an die Nachbargrenze anstoßenden bzw. in einem Abstand von weniger als 1 m der Nachbargrenze zugekehrten Außenwände (Außenwandteile) als Feuermauern ausgebildet werden müssen. Nach § 12 Abs. 9 leg. cit. seien in Feuermauern Türen und andere Öffnungen unzulässig. Der Bausachverständige sei bei der Bauverhandlung davon ausgegangen, daß durch die Errichtung innenliegender Loggien eine neue Mauer zur westlichen Grundgrenze entstehe. Dieser Meinung habe sich die Baubehörde im wesentlichen in ihrer Bescheidbegründung angeschlossen. Aus dem Lageplan gehe eindeutig hervor, daß die bestehende Außenwand in ihrer Ausbildung als Feuermauer bis zum Loggienbereich ohne Öffnung bestehen bleibe, ab dem geplanten Loggienbereich jedoch gegenüber dem Altbestand um 1,10 m zurückversetzt werden soll. Dadurch entstehe unter Berücksichtigung des bestehenden Abstandes von 42 bzw. 52 cm des Gebäudes von der Nachbargrundgrenze eine Entfernung zum Nachbargrundstück von 1,52 bis 1,62 m, sodaß die Vorschrift des § 12 Abs. 1 der OÖ Bauverordnung nicht zur Anwendung gelange. An diese erwähnte neue Außenwand schließe im nördlichen Bereich die durchgehende Feuermauer an. Für diesen Bereich würden die Bestimmungen über Feuermauern gelten. § 12 Abs. 11 letzter Satz der OÖ Bauverordnung sehe aber Ausnahmen insoweit vor, als die Abstandsvorschriften bei Gebäuden, deren Außenwände an der Feuer- oder Brandmauer einen einspringenden Winkel bilden, nicht für Loggien gelten. Die Vorstellungsbehörde schließe sich bei der dargestellten Sach- und Rechtslage der rechtlichen Würdigung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde an, daß es sich nämlich bei der auf der Feuermauer an der westlichen Seite zum Nachbargrundstück errichteten Wand nicht um eine Unterbrechung der Feuermauer handle, sondern um eine durch den Umbau des bestehenden Gebäudes und den Einbau von Wohnungen in dieses Gebäude bedingte neu zu errichtende Außenwand. Die Regelung des § 12 Abs. 2 der OÖ Bauverordnung lasse entgegen der Meinung des Beschwerdeführers klar erkennen, daß nur jene Teile der Außenwand, welche unmittelbar an der Nachbargrenze errichtet werden oder weniger als 1 m von der Nachbargrenze entfernt seien, als öffnungslose Feuermauern ausgeführt werden müßten, nicht aber auch weiter entfernte Teile, wie der Klammerausdruck "Außenwandteile" unmißverständlich zum Ausdruck bringe. In diesem Zusammenhang sei auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1984, Zl. 84/05/0140, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertrete, daß sogar Fensteröffnungen in Außenwandteilen, die sich in einem größeren Abstand von der Grundgrenze befänden, zulässig und als Außenwandteile daher nicht als Feuermauern auszubilden seien. Bei "konformer Auslegung" dieses Erkenntnisses sei daher im gegenständlichen Fall davon auszugehen, daß die die Rückwand der Loggien bildende Außenwand nicht als Bestandteil der Feuermauer gelte und die Erteilung der Baubewilligung auch unter diesem Aspekt nicht gegen die Vorschriften über Feuermauern verstoße. Im Ergebnis komme daher die Aufsichtsbehörde zur Ansicht, daß eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten des Beschwerdeführers durch den Bescheid des Gemeinderates nicht erfolgt sei.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Auslegung des § 12 Abs. 2 der OÖ Bauverordnung 1985, LGBl. Nr. 5, (ab 1. Oktober 1989 gemäß LGBl. Nr. 37/1989 auf Gesetzesstufe) strittig. Nach § 12 Abs. 1 dieser Verordnung sind Feuermauern mindestens brandbeständig ausgeführte, öffnungslose Außenwände, die das Übergreifen von Bränden auf Nachbarliegenschaften verhindern oder wenigstens erschweren sollen. Brandmauern sind mindestens brandbeständig ausgeführte Wände, die einzelne Brandabschnitte voneinander trennen und das Übergreifen von Bränden auf angrenzende Brandabschnittte verhindern oder wenigstens erschweren sollen.

§ 12 Abs. 2 leg. cit. lautet:

"Wird ein Gebäude ganz oder teilweise unmittelbar an der Nachbargrenze errichtet oder beträgt der Abstand des Gebäudes oder einzelner Gebäudeteile von der Nachbargrenze weniger als 1 m, so müssen die an die Nachbargrenze anstoßenden bzw. in einem Abstand von weniger als 1 m der Nachbargrenze zugekehrten Außenwände (Außenwandteile) als Feuermauern ausgebildet werden. Dies gilt in gleicher Weise, wenn durch nachträgliche Eigentumsveränderung ein bestehendes Gebäude ganz oder teilweise an der Nachbargrenze oder in einem Abstand von weniger als 1 m von der Nachbargrenze zu liegen kommt. Außenwände (Außenwandteile) müssen, wenn dies nach der jeweiligen Verwendung, der Größe, der Lage, der Art und der Umgebung des Gebäudes erforderlich ist, auch dann als Feuermauern ausgebildet werden, wenn der Abstand des Gebäudes oder einzelner Gebäudeteile zur Nachbargrenze bis zu 3 m beträgt. Als Nachbargrenze im Sinne dieser Bestimmung gilt nicht die Grenze zwischen dem Baugrundstück und einer öffentlichen Verkehrsfläche oder einer öffentlichen Grünfläche."

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die derzeit bestehende Feuermauer von der Grundgrenze des Beschwerdeführers weniger als 1 m entfernt ist. Würde diese, der Nachbargrenze zugekehrte Außenwand neu errichtet werden, so müßte sie nach § 12 Abs. 2 Satz 1 als öffnungslose Feuermauer ausgebildet werden. Schon diese auch für Umbauten geltende Überlegung zeigt, daß Loggiaöffnungen im unterschiedlichen Ausmaß im Erdgeschoß und Obergeschoß des bestehenden Gebäudes im Bereich von weniger als 1 m von der Nachbargrenze des Beschwerdeführers unzulässig sind. Da aber der Beschwerdeführer als Nachbar einen Rechtsanspruch auf Einhaltung einer solchen, auch dem Interesse der Nachbarschaft dienenden Bestimmung des Baurechtes im Sinne des § 46 Abs. 3 BO besitzt, ist er durch die Erteilung der Baubewilligung in seinen Rechten verletzt worden. Entgegen der Meinung der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1984, Zl. 84/05/0140, BauSlg. Nr. 362, keinen gegenteiligen Standpunkt eingenommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat damals zu § 12 Abs. 2 der genannten Verordnung ausgeführt, diese Regelung lasse klar erkennen, daß nur jene Teile der Außenwand, welche unmittelbar an der Nachbargrenze errichtet werden oder weniger als 1 m von der Nachbargrenze entfernt sind, als öffnungslose Feuermauer ausgeführt werden müssen, nicht aber, wie der Klammerausdruck (Außenwandteile) unmißverständlich zum Ausdruck bringe, auch weiter entfernte Teile. Nach dem damals vorgelegenen Sachverhalt lehnte der Gerichtshof die Auffassung ab, daß selbst dann eine vollständige Feuermauer auszubilden sei, wenn eine Unterschreitung des genannten Abstandes auch nur in einem Teil der Mauer vorliege. Ein solcher Sachverhalt ist aber hier nicht gegeben, weil die Mauer zur Gänze weniger als 1 m von der Nachbargrenze entfernt ist.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt dagegen die Auffassung der Verwaltungsbehörden, daß die Bestimmung des § 32 Abs. 2 BO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 82/1983 im Beschwerdefall nicht anzuwenden ist, weil es sich weder um einen Neubau noch um einen Zubau handelt, der eine Vergrößerung des Gebäudes der Länge oder Breite nach bezweckt, sodaß die in diesem Zusammenhang in der Beschwerde angestellten Überlegungen nicht zutreffen.

Der Gerichtshof kann auch eine Mangelhaftigkeit des durchgeführten Verfahrens nicht darin erblicken, daß die Baubehörde im Hinblick auf die Schaffung von 12 Wohneinheiten bei den gegebenen Verhältnissen einen sanitätspolizeilichen Sachverständigen hätte beiziehen müssen. Aus welchen Gründen nämlich etwa zur Frage der Beseitigung des Hausmülls die Befragung eines solchen Sachverständigen erforderlich sein sollte, ist auf Grund des Beschwerdevorbringens für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Nicht unwidersprochen soll jedoch die Auffassung der Baubehörde erster Instanz bleiben, daß die Beiziehung von Sachverständigen ihrem freien Ermessen obliegt. Sind nämlich Fachfragen zu beantworten, so sind die Organwalter der Behörde verpflichtet, Sachverständige beizuziehen, wenn sie nicht selbst über das erforderliche Fachwissen verfügen, wie sich unmißverständlich aus § 52 Abs. 1 AVG 1950 ergibt (vgl. etwa die Anmerkungen und Entscheidungen bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Auflage, S. 301 ff.).

Zu Recht rügte der Beschwerdeführer der Aktenlage nach, daß noch vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides der Abstand der Feuermauer zur gemeinsamen Grundgrenze klarzustellen und dem Beschwerdeführer der ergänzend vorgelegte Lageplan zur Kenntnis zu bringen gewesen wäre (§ 45 Abs. 3 AVG 1950). Diesem Verfahrensmangel kommt jedoch bei der gegebenen Sach- und Rechtslage keine rechtliche Erheblichkeit zu, hat der Beschwerdeführer selbst ja gar nicht behauptet, daß die gegenständliche Feuermauer etwa auf seinem Grundstück zu liegen komme.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Sachverständiger Entfall der BeiziehungSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild Landschaftsbild

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990050087.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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