TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/26 89/10/0244

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Veröffentlicht am 26.11.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §74;
LMKV §1 Abs1;
LMKV §2 Abs1;
LMKV §3 Z1;
LMKV §3 Z10;
LMKV §3 Z18;
LMKV §3 Z19;
LMKV §3 Z3;
LMKV §3 Z8;
LMKV §3 Z9;
LMKV §4 Abs1 Z1 litc;
LMKV §6;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des S gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 15. November 1989, Zl. 3/06-53.501/1-1989, betreffend Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Betriebsinhaber und Geschäftsführer und somit als für die Firma S für die Inverkehrbringung von Fleisch- und Wurstwaren zur Vertretung nach außen berufene und verantwortliche Person am 26. Februar 1988 an die Firma D, ADEG-Markt in L 31, ein Paket mit Inhalt 3 Stück Würste vakuumverpackte Kabanossi-Wurst geliefert und damit in Verkehr gesetzt zu haben, obwohl auf der Verpackung die Hinweise auf die Sachbezeichnung, das Füllgewicht, die Lagerbedingungen, den Verpackungszeitpunkt, die empfohlene Aufbrauchfrist und das Verzeichnis der Bestandteile und der Zusatzstoffe in ihrer technologischen Wirkung gefehlt hätten. Die nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (in der Folge: LMKV) geforderten Kennzeichnungselemente seien im Zeitpunkt der Probenziehung bei der Firma D in L (2. März 1988) somit auf dem Produkt nicht angebracht gewesen. Es sei daher davon auszugehen, daß die vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente auf dem beanstandeten Produkt entweder gar nicht angebracht worden seien oder zumindest nicht so dauerhaft, wie nach der LMKV gefordert werde. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 74 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. 1975/86 (LMG 1975) in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Z. 1, 3, 8, 9, 10, 18 und 19, 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c und § 6 LMKV verletzt, weshalb über ihn gemäß § 74 Abs. 5 LMG 1975 eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--(Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden) verhängt werde.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in seinem Berufungsvorbringen zunächst die Auffassung vertreten, daß der Spruch des Straferkenntnisses nicht den Erfordernissen des § 44 a lit. a VStG 1950 entspreche. Er habe auch behauptet, daß die gegenständlichen Waren von ihm ordnungsgemäß gekennzeichnet in Verkehr gesetzt worden seien. Jährlich verließen ca. 1,3 Mio Packungseinheiten die Firma des Beschwerdeführers. Durch eine vollautomatisch funktionierende Etikettiermaschine, welche dem neuesten Stand der Technik entspreche, würden die auf den Packungseinheiten anzubringenden Etiketten mit einer Klebeschicht versehen. Sodann würden die Etiketten durch ausdrücklich beauftragte und belehrte Mitarbeiter händisch an den Waren angebracht. Zwei von der Geschäftsführung beauftragte Mitarbeiter kontrollierten, ob der geschilderte Arbeitsvorgang auch striktest eingehalten werde. Darüberhinaus würden auch von der Geschäftsführung Stichproben gemacht, sodaß die ordnungsgemäße Kennzeichnung in jedem Fall gewährleistet sei. Obwohl der Behörde erster Instanz sowohl die Namen als auch Adressen der unabhängig kontrollierenden Mitarbeiter bekannt gegeben worden seien, habe es diese unterlasen, die beiden Mitarbeiter zu vernehmen. Der zur Etikettierung verwendete Klebstoff entspreche dem neuesten Stand der Technik, wobei der Lieferfirma auch bekannt sei, daß die Etiketten auf in Klarsichtfolie oder Plastikmaterial verpackten Fleisch- und Wurstwaren, welche auch in Tiefkühltruhen gelagert werden, verwendet würden. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer sämtliche zu Gebote stehende Möglichkeiten zur gesetzmäßigen Etikettierung wahrgenommen habe, sodaß ein verwaltungsstrafrechtliches Verschulden nicht vorliege. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Packungseinheiten das Firmengelände des Beschwerdeführers verließen, seien eventuelle Manipulationen diesem nicht mehr zuzurechnen. Wenn die Behörde erster Instanz die Auffassung vertrete, daß Manipulationen an gekennzeichneten Waren vorkommen könnten, jedoch eine dauerhaft angebrachte Etikette bei einer Ablösung durch eine handelsübliche Manipulation eine Spur hinterlassen müsse, so sei zu erwidern, daß auch Fälle vorkommen könnten, wo keine Spuren von Veränderungen oder Entfernungen zu erkennen seien.

Zu diesem Vorbringen stellte die belangte Behörde fest, daß ein ähnlich gelagertes Verwaltungsstrafverfahren mit Bescheid vom 10. April 1989 eingestellt worden sei, da es dem Beschwerdeführer gelungen sei, glaubhaft zu machen, daß ihn an der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung keine Schuld treffe. Auch in diesem Verfahren sei es um vorverpackte Lebensmittel gegangen, von denen sich die Etiketten gelöst haben sollten. In diesem Verfahren habe der Beschwerdeführer - im Gegensatz zum vorliegenden Verfahren - eine entsprechende Bestätigung der Lieferfirma der Etiketten vorgelegt. Die belangte Behörde habe in ihrem Bescheid vom 10. April 1989 jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich das "Glaubhaftmachen der Schuldlosigkeit" lediglich auf die Verwaltungsübertretung mit Tatzeitpunkt 4. Februar 1987 beziehe und nicht auf weitere, mittlerweile bereits anhängige Verwaltungsstrafverfahren. Der Beschwerdeführer sei nämlich spätestens mit Erhalt der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 27. Mai 1987 darüber informiert gewesen, daß die von ihm verwendeten Etiketten doch nicht in ausreichendem Maße als dauerhaft zu bezeichnen seien. Er habe deshalb dafür zu sorgen, daß auf seinen Produkten, die mit Klebeetiketten gekennzeichnet seien, diese Kennzeichnung auch dauerhaft vorhanden bleibe.

Was den vom Beschwerdeführer behaupteten Verstoß gegen § 44 a lit. a VStG 1950 anlange, so vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß es unmöglich sei, daß der Beschwerdeführer auf Grund der Konkretisierung des Spruches noch einmal dafür zur Verantwortung gezogen werde, daß er am 26. Februar 1988 an die Firma D in L ein Paket mit Kabanossi geliefert habe, welches am 2. März 1988 bei einer Probenziehung beanstandet worden sei, weil es die in der LMKV geforderten Kennzeichnungselemente nicht aufgewiesen habe. Da die LMKV darauf abstelle, daß die Kennzeichnung der vorverpackten Lebensmittel dauerhaft erfolge, sei es für die belangte Behörde unbeachtlich, ob die in Rede stehende Wurst überhaupt nicht gekennzeichnet worden sei, oder sich die Kennzeichnung wieder gelöst habe. Es sei somit nicht erforderlich, die bei der Verpackung beschäftigten Mitarbeiter zu vernehmen. Der Beschwerdeführer hätte vielmehr danach zu trachten, eine Kennzeichnungsmethode zu finden, bei der sich die Etiketten nicht mehr von der bereits gekennzeichneten Ware lösten. Da es sich bei dem dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verstoß um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt handle, habe der Beschwerdeführer der Behörde gegenüber glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Dies sei dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelungen. Er sei zum Zeitpunkt der Auslieferung der Ware bereits darüber informiert gewesen, daß diese mit Etiketten gekennzeichnet sei, die sich nicht unbedingt als dauerhaft erwiesen.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

2.1. Bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verstößen gegen die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Begehung der Tat durch Unterlassung. Zur Konkretisierung des Tatvorwurfes ist daher die individualisierte Beschreibung jener Handlungen erforderlich, die der Täter hätte setzen müssen und die er nach Ansicht der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat (vgl. das Erkenntnis vom 27. Februar 1979, Zl. 2099/78, VwSlg. 9779/A).

Gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach dieser Vorschrift ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß einerseits die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich wird und andererseits die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265, VwSlg. 11466/A). Der Spruch eines Straferkenntnisses hat somit unter anderem jenen konkreten Sachverhalt darzustellen, in welchem die Behörde die Verwirklichung des Tatbildes der von ihr herangezogenen Übertretungsnorm erblickt (vgl. das Erkenntis vom 6. Februar 1990, Zl. 89/04/0187). Es gehört auch zu den selbstverständlichen Grundsätzen jedes Strafverfahrens, daß die zur Last gelegte Tat so eindeutig umschrieben wird, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Täter bestraft worden ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. März 1988, Zl. 87/04/0074, mit weiteren Judikaturhinweisen).

2.2. Auf dem Boden dieser Rechtsprechung hält der angefochtene Bescheid einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht stand. In der Formulierung des Spruches, es sei davon auszugehen, "daß die vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente auf dem beanstandeten Produkt entweder gar nicht angebracht worden seien oder zumindest nicht so dauerhaft, wie nach der LMKV gefordert (werde)", liegt ein den Erfordernissen des § 44 a lit. a VStG 1950 nicht entsprechender Alternativvorwurf. Der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe die vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente auf dem beanstandeten Produkt gar nicht angebracht, und der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe (die Kennzeichnungselemente zwar angebracht, dabei aber) nicht entsprechend dauerhafte Etiketten verwendet, schließen sich nämlich schon begrifflich aus.

2.3. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 1989/206. Stempelgebührenersatz konnte dabei nur für die in einfacher Ausfertigung vorzulegenden Beilagen (S 90,--) zuerkannt werden.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Unterlassungsdelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989100244.X00

Im RIS seit

26.11.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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