TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/17 90/12/0251

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Veröffentlicht am 17.12.1990
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Index

63/05 Reisegebührenvorschrift;

Norm

RGV 1955 §2 Abs5;
RGV 1955 §22 Abs1;
RGV 1955 §22 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/12/0252

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden 1) des EN und 2) des FH gegen die Bescheide des Bundesministers für Finanzen vom 12. Juli 1990, Zl. 54 1500/4-IV/1/90, und vom 16. Juli 1990, Zl. 54 1500/2-IV/1/90, betreffend Zuteilungsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer steht als Kontrollor, der Zweitbeschwerdeführer als Fachinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Finanzamt X.

Die Beschwerdeführer haben an Fortbildungslehrgängen für Mitarbeiter der Veranlagungsabteilung Graz mit jeweiliger Kurszeit von 7.30 Uhr bis 15.00 Uhr teilgenommen. Sie beanspruchten zum Ersatz jenes Mehraufwandes, der ihnen durch die Kursteilnahme entstanden ist, Zuteilungsgebühren gemäß § 22 Abs. 1 RGV 1955.

Mit Bescheiden vom 17. April 1990 stellte die Finanzlandesdirektion für Steiermark fest, daß den Beschwerdeführern für die Teilnahme an den Fortbildungslehrgängen gemäß § 22 Abs. 3 RGV 1955 eine Reisekostenvergütung sowie eine Reisezulage anstelle der Zuteilungsgebühr zustünden.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen der Beschwerdeführer gegen die erstinstanzlichen Bescheide nicht statt und bestätigte diese gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950.

Begründend wird im wesentlichen übereinstimmend ausgeführt, nach den Feststellungen in den Bescheiden der Behörde erster Instanz sei der Zuteilungsort Graz vom Wohnort der Beschwerdeführer X in 62 Minuten (Abfahrt 05.21 Uhr, Ankunft 06.21 Uhr) und der Wohnort vom Zuteilungsort in 55 Minuten (Abfahrt 15.53 Uhr, Ankunft 16.48 Uhr) zeitgerecht leicht erreichbar. Die tägliche Fahrzeit betrage somit 1 Stunde 57 Minuten. Bei Benützung dieser Verbindung sei eine ununterbrochene 11-stündige Ruhezeit gewährleistet.

Dagegen habe der Erstbeschwerdeführer in seiner Berufung vorgebracht, er hätte zur Erreichung des Zuteilungsortes Graz das öffentliche Verkehrsmittel mit der Abfahrt 06.09 Uhr, Ankunft 07.13 Uhr, und zur Erreichung des Wohnortes X das öffentliche Verkehrsmittel mit der Abfahrt 15.26 Uhr, Ankunft 16.27 Uhr, tatsächlich an allen Kurstagen benutzt. Seine tatsächlich täglich erforderliche Fahrzeit habe 2 Stunden und 5 Minuten betragen. Dagegen habe der Zweitbeschwerdeführer vorgebracht, den eigenen Pkw benützt zu haben, sich jedoch auf die Zeiten des Erstbeschwerdeführers für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel berufen.

Dazu führte die belangte Behörde rechtlich aus, gemäß § 1 Abs. 1 lit. c RGV 1955 hätten Beamte nach Maßgabe dieser Vorschrift Anspruch auf Ersatz des Mehraufwandes, der ihnen durch eine Dienstzuteilung erwachse. § 1 Abs. 2 lit. a leg. cit. lege fest, daß kein Anspruch auf Ersatz des Mehraufwandes insbesondere soweit bestehe, als der Beamte durch Nichtbenützung eines zur Verfügung stehenden Massenbeförderungsmittels, durch eine dienstlich unbegründete Verlängerung der Dauer der Dienstreise, durch Unterlassung der zweckmäßigen Verbindung mehrerer Dienstverrichtungen oder auf eine sonstige Weise dem Bund einen ungerechtfertigten Aufwand verursachen würde. Aus den Worten "oder auf eine sonstige Weise" sei der Grundsatz abzuleiten, daß der Beamte im allgemeinen nur Anspruch auf Ersatz jenes Mehraufwandes habe, der ihm bei Inanspruchnahme der kostengünstigsten von mehreren zur Verfügung stehenden Verkehrsverbindungen erwachse. Nach § 22 Abs. 1 RGV 1955 erhalte der Beamte bei einer Dienstzuteilung eine Zuteilungsgebühr, die aus der Tages- und Nächtigungsgebühr bestehe. Abweichend davon sehe § 22 Abs. 3 RGV 1955 vor, daß an die Stelle der Zuteilungsgebühr der Ersatz der Fahrtauslagen und die Tagesgebühr dann träten, wenn die fahrplanmäßige Fahrzeit für die Strecke von dem der Wohnung nächstgelegenen, für die Fahrt in Betracht kommenden Bahnhof zum Zuteilungsort und zurück nicht mehr als zwei Stunden betrage, ohne daß durch die Rückfahrt eine ununterbrochene 11-stündige Ruhezeit verhindert werde. Nach lit. b der genannten Bestimmung sei für den Anspruch auf Tagesgebühr die Dauer der Abwesenheit vom Wohnort maßgebend, wobei der Anspruch auf die volle Tagesgebühr erst bei einer mehr als 12-stündigen Dauer der Abwesenheit gegeben sei. Als Abwesenheit vom Wohnort gelte - nur bei der Regelung nach § 22 Abs. 3 RGV 1955 - die Zeit der fahrplanmäßigen Abfahrt des Massenbeförderungsmittels vom Wohnort und der tatsächlichen Ankunft des Massenbeförderungsmittels am Wohnort. Bei einer Dienstzuteilung nach § 22 RGV 1955 sei somit für die Bemessung der Gebühren u. a. die fahrplanmäßige Fahrzeit nach Abs. 3 der genannten Bestimmung maßgebend, die für die Strecke von dem der Wohnung nächstgelegenen, für die Fahrt in Betracht kommenden Bahnhof zum Zuteilungsort und zurück erforderlich sei. Strittig sei, ob die Fahrzeit für die Strecke von dem der Wohnung nächstgelegenen, für die Fahrt in Betracht kommenden Bahnhof zum Zuteilungsort und zurück mehr als zwei Stunden betrage. Der Verwaltungsgerichtshof habe in ständiger Rechtsprechung zur Berechnung der fahrplanmäßigen Fahrzeit ausgesprochen, daß jene (kürzeste) Zeit gelten müsse, die notwendig sei, um vom Wohnort zum Dienstort (Zuteilungsort) zu gelangen, wobei aber auch die Wartezeit bei gegebener Notwendigkeit des Umsteigens eingerechnet werden müsse (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1958, Zl. 1039/58, und vom 19. März 1990, Zl. 89/12/0135). Daraus ergebe sich zwingend, daß in den Fällen der Beschwerdeführer auf Grund des Vorhandenseins mehrerer Zugsverbindungen für die Ableitung des Gebührenanspruches jene in Betracht zu ziehen sei, die die kürzeste Fahrzeit aufweise. Da für die Hin- und Rückfahrt eine nicht mehr als zwei Stunden währende Verbindung zur Verfügung stehe, ohne daß durch die Rückfahrt eine ununterbrochene 11-stündige Ruhezeit verhindert werde, sei die Berechnung der Reisegebühren richtig erfolgt. Auf die tatsächlich gewählte Zugsverbindung komme es dabei nicht an.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, mit welchen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Zuteilungsgebühr nach § 22 RGV 1955 und in Verfahrensrechten verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden zur gemeinsamen Behandlung verbunden und erwogen:

Die Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133 (RGV 1955), steht auf Grund des § 92 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 auf der Stufe eines Bundesgesetzes.

Nach § 2 Abs. 5 dieses Gesetzes ist Dienstort "im Sinne dieser Verordnung" die Ortsgemeinde, in der die Dienststelle liegt, der der Beamte dauernd zur Dienstleistung zugewiesen ist. Bei Ortsgemeinden mit besonders großer räumlicher Ausdehnung kann das Bundeskanzleramt festsetzen, daß als Dienstort nur bestimmte Ortsteile der Ortsgemeinden gelten.

§ 22 des Gesetzes regelt die Gebühren für Dienstzuteilung.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"(1) Bei einer Dienstzuteilung erhält der Beamte eine Zuteilungsgebühr; sie umfaßt die Tagesgebühr und die Nächtigungsgebühr. Der Anspruch auf Zuteilungsgebühr beginnt mit der Ankunft im Zuteilungsort und endet mit der Abreise vom Zuteilungsort oder, wenn der Beamte in den Zuteilungsort versetzt wird, mit dem Ablauf des letzten Tages der Dienstzuteilung. § 17 findet sinngemäß Anwendung."

"(3) Beträgt die fahrplanmäßige Fahrzeit für die Strecke von dem der Wohnung nächstgelegenen für die Fahrt in Betracht kommenden Bahnhof zum Zuteilungsort und zurück zusammen nicht mehr als zwei Stunden, ohne daß durch die Rückfahrt eine ununterbrochene elfstündige Ruhezeit verhindert wird, so erhält der Beamte an Stelle der Zuteilungsgebühr

a) den Ersatz der Fahrtauslagen für die Fahrtstrecke und für die notwendige Benützung eines innerstädtischen Massenbeförderungsmittels im Zuteilungsort, höchstens aber die nach Abs. 2 zustehende Nächtigungsgebühr;

b) die Tagesgebühr nach Abs. 2, wenn die Dauer der Abwesenheit vom Wohnort zwölf Stunden übersteigt; übersteigt die Dauer der Abwesenheit acht Stunden, so gebühren zwei Drittel dieser Tagesgebühr, übersteigt die Dauer der Abwesenheit fünf Stunden, so gebührt ein Drittel dieser Tagesgebühr. Die sich bei der Teilung ergebenden Beträge werden auf durch 0,10 S teilbare Beträge aufgerundet. Als Abwesenheit vom Wohnort gilt die Zeit zwischen der fahrplanmäßigen Abfahrt des Massenbeförderungsmittels im Wohnort und der tatsächlichen Ankunft des Massenbeförderungsmittels im Wohnort."

Strittig ist in den Beschwerdefällen ausschließlich die Frage, welche Zugsverbindungen bei Ermittlung der fahrplanmäßigen Fahrzeiten gemäß § 22 Abs. 3 RGV 1955 zugrundezulegen sind. Von der belangten Behörde werden Fahrzeiten mit einem Massenbeförderungsmittel vom Wohnort der Beschwerdeführer bis zum Zuteilungsort bei einem Dienstbeginn der Beschwerdeführer um 07.30 Uhr in Graz für die Hinfahrt mit der Abfahrt eines Zuges um 05.21 Uhr (Ankunft 06.23 Uhr) und für die Rückfahrt vom Zuteilungsort um 15.53 Uhr

(Ankunft 16.48 Uhr) angenommen, woraus sich eine Fahrzeit von insgesamt 1 Stunde und 57 Minuten errechnet. Die von den Beschwerdeführern angegebenen Fahrzeiten von Verkehrsmitteln mit Abfahrt vom Wohnort 06.09 Uhr (Ankunft am Zuteilungsort 07.13 Uhr) und für die Rückfahrt Abfahrt 15.26 Uhr (Ankunft 16.27 Uhr), ergeben tägliche Fahrzeiten von 2 Stunden und 5 Minuten.

Die belangte Behörde stützt die Heranziehung des "früheren Zuges", der in kürzerer Zeit als jener, von dem die Beschwerdeführer ausgehen, Graz erreicht, darauf, daß sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1958, Zl. 1039/58, die Verpflichtung ergebe, als fahrplanmäßige Fahrzeit nur die kürzeste Zeit heranzuziehen, die notwendig sei, um vom Wohnort in den Dienstort zu gelangen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 27. September 1990, Zl. 89/12/0150, ausgesprochen hat, kommt dem vorzitierten Erkenntnis für die Auslegung des § 22 Abs. 3 RGV 1955 nicht die von der belangten Behörde beigemessene Bedeutung zu. Insbesondere darf daraus keine allgemeine Verpflichtung des Beamten abgeleitet werden, einen rascheren Zug auch dann zu wählen, wenn die frühere Abfahrtszeit zu Lasten der Freizeit des Beamten geht und nicht in dienstlichen Notwendigkeiten begründet ist. Ebensowenig spricht das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1990, Zl. 89/12/0135, für die Rechtsauffassung der belangten Behörde, da es sich in dem genannten Fall um eine Wahlmöglichkeit zwischen mehreren ansonst gleichwertigen Verkehrsverbindungen handelte, bei der die Abfahrts- bzw. Ankunftszeiten im Wohnort gleich waren.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 22 Abs. 3 RGV 1955 erkennt, ist bei der Anwendung dieser Norm grundsätzlich davon auszugehen, daß das örtliche und zeitliche Moment der Fahrtbewegung derart in ein Verhältnis zueinander gebracht werden müssen, daß es sowohl dem Interesse des Beamten als auch dem Interesse des Bundes entspricht (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1990, Zl. 89/12/0176, und die dort zitierte Vorjudikatur). Geht man von diesem Grundsatz aus, so kann vom Beamten nicht verlangt werden, die von der belangten Behörde genannten Verkehrsverbindungen mit kürzerer Fahrzeit zu benützen, wenn die früheren Abfahrtszeiten zu Lasten der Freizeit der Beamten gehen und gleichzeitig Verkehrsverbindungen bestanden haben, die zur Erreichung des Zuteilungsortes innerhalb der für die Verrichtung der dienstlichen Notwendigkeiten erforderlichen Zeit vorhanden waren, die jedoch eine längere Fahrzeit erforderten.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, mußten die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990120251.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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