TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/21 89/12/0176

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Veröffentlicht am 21.05.1990
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Index

63/05 Reisegebührenvorschrift;

Norm

RGV 1955 §2;
RGV 1955 §22 Abs1;
RGV 1955 §22 Abs3;

Betreff

N gegen Bundesminister für Finanzen vom 6. Juli 1989, Zl. 54 1500/1-IV/1/89, betreffend Zuteilungsgebühr

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberrevident in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Finanzamt X. Sein Wohnort ist gleichfalls

X. In den Zeiträumen vom 22. August bis 16. September und vom

17. bis 28. Oktober 1988 nahm der Beschwerdeführer auf Grund einer Dienstzuteilung am 19. Einführungslehrgang EDV-Basic im Bildungszentrum der Finanzverwaltung in Wien 3, Schnirchgasse 9a, teil.

Mit Bescheid vom 3. Jänner 1989 stellte die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die dem Beschwerdeführer auf Grund dieser Dienstzuteilung zustehenden Gebühren gemäß § 22 Abs. 3 lit. a und b RGV 1955 fest. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch auf Zuteilungsgebühr gemäß § 22 Abs. 1 dieses Gesetzes wurde von der Behörde erster Instanz unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1982, Zl. 09/3479/80, verneint, weil die Fahrzeit im Zuteilungsort (Wien) nicht in die gemäß § 22 Abs. 3 ermittelte "fahrplanmäßige Fahrzeit" einbezogen wurde. Bei der Berechnung der fahrplanmäßigen Fahrzeit zwischen Wohnort und ZuteilungsORT sei

1. bei der HINFAHRT für die Ankunft im Zuteilungsort nicht die der Dienststelle nächstgelegene Autobushaltestelle, sondern diejenige an der betreffenden Strecke (im Zuteilungsort) liegende Bushaltestelle, die man vom Wohnort aus kommend als erste erreiche und

2. bei der RÜCKFAHRT für die Abfahrt vom Zuteilungsort jene auf der betreffenden Strecke (im Zuteilungsort) liegende Autobushaltestelle, die man in den Wohnort fahrend als letzte durchfahre, maßgebend. Dies sei im Fall des Beschwerdeführers die Haltestelle Wien/Inzersdorf. Die fahrplanmäßige Fahrzeit betrage davon ausgehend 1 Stunde und 50 Minuten. Die elfstündige Ruhezeit, beginnend mit der fahrplanmäßigen Ankunft im Bahnhof des Wohnortes und endend mit der fahrplanmäßigen Abfahrt im Bahnhof des Wohnortes werde dadurch nicht verhindert.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950. Begründend wird im wesentlichen nach Darstellung des Verfahrens und Wiedergabe der angewendeten Bestimmungen ausgeführt, für die Feststellung des Zuteilungsortes sei die im § 2 Abs. 5 RGV 1955 enthaltene Umschreibung des Begriffes "Dienstort" maßgebend, wonach allein die Ortsgemeinde, in der die Dienststelle liege, der der Beamte zur vorübergehenden Dienstleistung zugewiesen sei, zur Bestimmung heranzuziehen sei. Daraus ergebe sich im Zusammenhang mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 RGV 1955 ("zum Zuteilungsort und zurück") eindeutig, daß für die Berechnung der fahrplanmäßigen Fahrzeit zwischen Wohn- und Zuteilungsort bei der Hinfahrt für die Ankunft im Zuteilungsort jene an der betreffenden Stelle (im Zuteilungsort) liegende Autobushaltestelle, die man vom Wohnort aus kommend als erste erreiche sowie bei der Rückfahrt für die Abfahrt vom Zuteilungsort jene auf der betreffenden Strecke (im Zuteilungsort) liegende Autobushaltestelle, die man in den Wohnort fahrend als letzte durchfahre, maßgebend sei. Die im erstinstanzlichen Bescheid angewendete Berechnungsweise der fahrplanmäßigen Fahrzeit sei daher nicht zu beanstanden. Die Benützung des Autobusses im Zuteilungsort (Wien) sei der Benützung eines innerstädtischen Massenbeförderungsmittels im Zuteilungsort gleichzuhalten, demzufolge die letztere bei der Ermittlung der fahrplanmäßigen Fahrzeit unberücksichtigt zu bleiben habe. Es sei somit nicht die gesamte tatsächliche Fahrtdauer heranzuziehen. Die vom Beschwerdeführer herangezogene Regelung des § 13 Abs. 4 RGV 1955 betreffe lediglich Dienstreisen, weshalb sie für Dienstzuteilungen nicht von Belang sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Zuteilungsgebühr gemäß § 22 Abs. 1 und 2 RGV 1955 sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Akten vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133 (RGV 1955), steht auf Grund des § 92 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 für die Beamten auf der Stufe eines Bundesgesetzes.

Nach § 2 Abs. 5 dieses Gesetzes ist Dienstort "im Sinne dieser Verordnung" die Ortsgemeinde, in der die Dienststelle liegt, der der Beamte dauernd zur Dienstleistung zugewiesen ist. Bei Ortsgemeinden mit besonders großer räumlicher Ausdehnung kann das Bundeskanzleramt festsetzen, daß als Dienstort nur bestimmte Ortsteile der Ortsgemeinden gelten.

§ 22 des Gesetzes regelt die Gebühren für Dienstzuteilung.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"(1) Bei einer Dienstzuteilung erhält der Beamte eine Zuteilungsgebühr; sie umfaßt die Tagesgebühr und die Nächtigungsgebühr. Der Anspruch auf Zuteilungsgebühr beginnt mit der Ankunft im Zuteilungsort und endet mit der Abreise vom Zuteilungsort oder, wenn der Beamte in den Zuteilungsort versetzt wird, mit dem Ablauf des letzten Tages der Dienstzuteilung. § 17 findet sinngemäß Anwendung."

"(3) Beträgt die fahrplanmäßige Fahrzeit für die Strecke von dem der Wohnung nächstgelegenen für die Fahrt in Betracht kommenden Bahnhof zum Zuteilungsort und zurück zusammen nicht mehr als zwei Stunden, ohne daß durch die Rückfahrt eine ununterbrochene elfstündige Ruhezeit verhindert wird, so erhält der Beamte anstelle der Zuteilungsgebühr

a) den Ersatz der Fahrtauslagen für die Fahrtstrecke und für die notwendige Benützung eines innerstädtischen Massenbeförderungsmittels im Zuteilungsort, höchstens aber die nach Abs. 2 zustehende Nächtigungsgebühr;

b) die Tagesgebühr nach Abs. 2, wenn die Dauer der Abwesenheit vom Wohnort zwölf Stunden übersteigt; übersteigt die Dauer der Abwesenheit acht Stunden, so gebühren zwei Drittel dieser Tagesgebühr, übersteigt die Dauer der Abwesenheit fünf Stunden, so gebührt ein Drittel dieser Tagesgebühr. Die sich bei der Teilung ergebenden Beträge werden auf durch 0,10 S teilbare Beträge aufgerundet. Als Abwesenheit vom Wohnort gilt die Zeit zwischen der fahrplanmäßigen Abfahrt des Massenbeförderungsmittels im Wohnort und der tatsächlichen Ankunft des Massenbeförderungsmittels im Wohnort."

Strittig ist im Beschwerdefall ausschließlich die Rechtsfrage, ob bei der Ermittlung der fahrplanmäßigen Fahrzeit gemäß § 22 Abs. 3 RGV 1955 die Fahrzeit mit einem Massenbeförderungsmittel von der im Wohnort des Beschwerdeführers seiner Wohnung nächstgelegenen Autobushaltestelle bis zu der im Zuteilungsort gelegenen ersten Haltestelle oder bis zu jener, die dem Ort der Dienstzuteilung am nächsten gelegen ist, maßgebend ist.

Dazu bringt der Beschwerdeführer vor, es wäre unvertretbar, den Anspruch auf Zuteilungsgebühr davon abhängig zu machen, daß die Reiseroute - ohne Wechsel des Beförderungsmittels - nicht die Grenze einer Ortsgemeinde passiere und vor dem Zielbahnhof noch weitere Haltestellen lägen. Eine solche Gesetzesanwendung wäre gleichheitswidrig, weil die Zuteilungsgebühr bei gleichem Reiseweg und gleicher Reisezeit davon abhängen könne, welcher Ort als Wohnort und welcher als Zuteilungsort gelte. Dem Beschwerdeführer sei auch der Ersatz der Fahrtauslagen für das von ihm benützte Massenbeförderungsmittel im vollen Umfang der von ihm geltend gemachten Strecke zuerkannt worden, während bei der Ermittlung der aufgewendeten Reisezeit die Strecke von der ersten im Zuteilungsort gelegenen Haltestelle bis zur Endstelle nicht berücksichtigt worden sei. Würde sich der Zuteilungsort nicht im Großstadtbereich befinden, wäre zweifellos der Anspruch auf Zuteilungsgebühr gemäß § 22 Abs. 1 RGV 1955 gegeben. Es hinge daher von einem Zufall ab, ob die vom Gesetzgeber vorgesehene Ersatzleistung in Form der Zuteilungsgebühr bestehe oder nicht. Dies widerspreche dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes, weil weder § 22 Abs. 3 noch der sonstige Inhalt der Norm eine Regelung enthalte, wonach für die Ermittlung einer Reisebewegung jener Bahnhof (Autobushaltestelle) maßgebend sein solle, der als erster vom Wohnort kommend am Zielort erreicht werde. Aus dem Sinn des Gesetzes ergebe sich aber, daß der "in Betracht kommende Bahnhof nicht nur der, der WOHNUNG nächstgelegene, sondern auch im Zuteilungsort der der DIENSTSTELLE nächstgelegene zu sein habe.

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben ihre Rechtsauffassung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1982, Zl. 09/3479/80, gestützt. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß eine Umschreibung des Begriffes "Zuteilungsort" in der Reisegebührenvorschrift 1955 fehle. Aus dem im Begriff Dienstort in § 2 Abs. 5 RGV 1955 enthaltenen Wortteil "-ort" ergebe sich aber, daß auch für den Zuteilungsort allein die Ortsgemeinde, in der die Dienststelle liege, der der Beamte zur vorübergehenden Dienstleistung zugewiesen sei, maßgebend sei. Die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 und des § 2 Abs. 2 des Gesetzes verdeutlichten, daß nicht nur der ausdrücklich so umschriebene Begriff "Dienstort", sondern auch der Ausdruck "Zuteilungsort", aber auch der Ausdruck "anderer Ort" jeweils ausschließlich auf die Ortsgemeinde abgestellt seien. Auch § 2 Abs. 3 RGV 1955, der den Begriff der Dienstzuteilung umschreibe, lasse einen anderen Begriff des "Ortes" als den der Ortsgemeinde ernstlich nicht zu.

Diese Aussagen beziehen sich aber auf einen Sachverhalt, der von jenem des Beschwerdefalles als grundlegend verschieden zu werten ist. In dem dem zitierten Erkenntnis zugrundeliegenden Beschwerdefall handelte es sich nämlich um die Benützung eines Massenverkehrsmittels innerhalb einer Ortsgemeinde, die von der Behörde als Benützung eines innerstädtischen Massenbeförderungsmittels angesehen wurde, weshalb die aufgewendete Fahrzeit nicht zu berücksichtigen war.

Dagegen kann im Beschwerdefall von der Benützung eines innerstädtischen Massenbeförderungsmittels durch den Beschwerdeführer für die Reisebewegung vom Wohnort zum Zuteilungsort nicht die Rede sein. Die mit dem Massenbeförderungsmittel (Autobus) am Wohnort des Beschwerdeführers an der seiner Wohnung am nächsten gelegenen Bushaltestelle angetretene Reisebewegung wurde nach Überschreiten der Grenze des Zuteilungsortes nicht an der zunächst gelegenen Haltestelle unterbrochen, sondern bis zu der dem Ort der Zuteilung näher gelegenen Endstelle fortgesetzt. Diese Reisezeit ist jener der Benützung eines innerstädtischen Massenbeförderungsmittels aber nicht gleichzuhalten. Vom Beamten darf nämlich nicht verlangt werden, daß er nach Erreichen des Ortsgebietes des Zuteilungsortes das von seinem Wohnort aus benützte Massenverkehrsmittel verläßt und in ein innerstädtisches Massenbeförderungsmittel umsteigt, um die Dienststelle am Zuteilungsort zu erreichen. Dies ergibt sich aus dem vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 88/12/0005, zu der hier maßgeblichen Norm des § 22 Abs. 3 RGV 1955 ausgesprochenen Grundsatz, wonach das örtliche und zeitliche Moment der Fahrtbewegung derart in ein Verhältnis zueinander gebracht werden müssen, daß es sowohl dem Interesse des Beamten als auch dem Interesse des Bundes entspricht (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 1983, Zl. 82/09/0033). Das Vorhandensein einer Haltestelle innerhalb des Ortsbereiches vor Erreichen der Endstelle des Massenbeförderungsmittels hindert daher nicht von vornherein die Einbeziehung in die "fahrplanmäßige Fahrzeit" im Sinne des genannten Gesetzes.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die von der belangten Behörde bei der Aktenvorlage abgegebene Erklärung, die Einbeziehung der strittigen Fahrzeiten würde zu keinem anderen Ergebnis führen, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht beachtlich, da es sich um eine Neuerung handelt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989120176.X00

Im RIS seit

21.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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