TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/19 89/13/0141

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Veröffentlicht am 19.12.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §115;
FinStrG §161 Abs1;
FinStrG §162 Abs1 lite;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 439;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Drexler und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des M gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 11. April 1989, GZ. GA 10 - 469/4/88, betreffend Verhängung einer Finanzstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Erkenntnis vom 8. April 1988 erkannte die Finanzstrafbehörde erster Instanz den Beschwerdeführer schuldig, er habe als Geschäftsführer der Firma L Export-Import GesmbH fahrlässig durch die am 30. April 1982 und am 28. Februar 1983 erfolgte Abgabe von - wie sich im Rahmen einer Betriebsprüfung herausstellte - inhaltlich unrichtigen Abgabenerklärungen für Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, somit unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- und Wahrheitspflichten, eine Verkürzung von Abgaben bewirkt und zwar an Umsatzsteuer 1980 S 33.884,--, Körperschaftsteuer 1980 S 879.060,--, Gewerbesteuer 1980 S 266.915,--, Körperschaftsteuer 1981 S 2,083.811,--, Gewerbesteuer 1981 S 642.193,-- und Kapitalertragsteuer 1980 S 41.110,--.

Der Beschwerdeführer habe dadurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 Finanzstrafgesetz begangen und werde hiefür nach § 34 Abs. 4 leg. cit. unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. November 1985, AZ 6a Vr 3434/82, Hv 653/83, nach § 31 Abs. 3 und Abs. 4 leg. cit. mit einer zusätzlichen Geldstrafe von S 750.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe, bestraft.

Innerhalb offener Frist erhob der Beschwerdeführer gegen dieses Erkenntnis Berufung, in welcher er im wesentlichen die ihm zur Last gelegte Fahrlässigkeit seines Verhaltens bekämpft.

In diesem Zusammenhang wird unter anderem ausgeführt:

"Ausgehend von § 89 Finanzstrafgesetz und den darin normierten Beweisregeln" ergebe sich zwischen der Aktenlage und dem bekämpften erstinstanzlichen Erkenntnis "ein eklatanter Widerspruch". In dem genannten Erkenntnis werde nämlich ausgeführt, daß der Beschwerdeführer durch die Angaben des zweiten Geschäftsführers der L Export-Import GesmbH, T, gegen welchen das betreffende Finanzstrafverfahren eingestellt worden sei, insofern belastet worden wäre, als dieser darauf hingewiesen habe, nicht er, sondern der Beschwerdeführer sei für die Buchhaltung und darüber hinaus für alle Steuerangelegenheiten der GesmbH zuständig gewesen. Diese Aussage Ts werde, wie in der Begründung des erstinstanzlichen Erkenntnisses ausgeführt werde, durch eine Vereinbarung vom 27. April 1979 bestätigt. In diesem Zusammenhang mangle es jedoch an Feststellungen darüber, daß diese Vereinbarung von keinem der beiden Geschäftsführer unterschrieben und vom Beschwerdeführer ausdrücklich bestritten worden sei. Diese Vereinbarung, nach welcher der Beschwerdeführer für Buchhaltungs- und Steuerangelegenheiten im Rahmen der GesmbH zuständig gewesen sein solle, werde aber ohne weiteres als Grundlage genommen, die bestrittene "Schuld" des Beschwerdeführers anzunehmen.

Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers und den entsprechenden vorgelegten Unterlagen, wonach "die Anschaffung der Computeranlage damit verbunden auch die Buchhaltung und die Finanzverwaltung" auch in den Kompetenzbereich des T gefallen sei, seien keinerlei Feststellungen getroffen worden. Es sei aber im Geschäftsleben unüblich, daß sich ein nicht für die Buchhaltung zuständiger Geschäftsführer intensiv für die Anschaffung einer neuen EDV-Anlage einsetze und, wie sich aus der Aussage der Zeugin F ergebe, auch Kontrollen der Buchhaltung durchführe. Auch darauf sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht eingegangen worden.

Wenn in dem bekämpften Erkenntnis ausgeführt werde, die Verantwortung des T, wonach er im Gegensatz zum Beschwerdeführer für Buchhaltungs- und Steuerangelegenheiten nicht zuständig gewesen sei, werde durch die "ominöse von niemanden unterschriebene Vereinbarung" vom 27. April 1979 bestätigt, so sei zu rügen, daß in diesem Zusammenhang mit keinem Wort auf die Verantwortung des Beschwerdeführers eingegangen werde, wonach eine solche Vereinbarung nicht bestanden habe.

Der Spruchsenat leite aber auch völlig zu Unrecht aus der Zeugenaussage der F, der Buchhalterin der L Export-Import GesmbH, ab, daß der Beschwerdeführer mit den von ihm der Zeugin zur Bearbeitung vorgelegten Belegen "Manipulationen" durchgeführt haben müsse. Die Zeugin habe nämlich in diesem Zusammenhang lediglich ausgesagt, sie könne die Vollständigkeit der ihr übergebenen Unterlagen nicht bestätigen. Die dem Beschwerdeführer unterstellten "Manipulationen" entbehrten jeglicher sachlicher Grundlagen. Im Verfahren sei nämlich nie festgestellt worden, ob die vom Beschwerdeführer vorgelegten Belege vollständig gewesen seien oder nicht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung insoweit Folge gegeben, als die vom Spruchsenat verhängte Geldstrafe auf S 450.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Monat herabgesetzt wurden. Begründend wurde folgendes dargelegt:

"Schwergewichtig" bekämpfe der Beschwerdeführer die Annahme des Spruchsenates, er habe fahrlässig gehandelt. Hiezu sei zunächst von der nicht unterschriebenen Vereinbarung vom 27. April 1979, wonach dem Beschwerdeführer neben anderen Agenden auch die Buchhaltung, die Steuerangelegenheiten und die damit verbundenen Besprechungen und Weisungen im Rahmen der L Export-Import GesmbH, T dagegen sämtliche inländische Ein- und Verkäufe, der ständige Kontakt mit den inländischen Kunden, die Auslieferung der Bestellungen, das Warenlager und die interne Büroorganisation zukommen sollten, auszugehen. "Mag diese Vereinbarung auch zu Zweifeln Anlaß bieten", so komme ihr, wie die erste Instanz richtig erkannt habe, "auf Grund weiterer Indizien keine Bedeutung zu". Es könne dahingestellt bleiben, ob T ein Mitverschulden "an der hier zu beurteilenden Rechtsverletzung trifft oder nicht, jedenfalls ergebe sich aus anderen Beweisergebnissen, daß der Beschwerdeführer seiner Obsorgepflicht nicht vollkommen nachgekommen sei. Der Betriebsprüfer habe nämlich in der Buchhaltung jene Mängel festgestellt, "die schließlich zur Abgabenverkürzung führten". Da sich aber die Mängel auf überaus hohe Beträge bezögen, sei anzunehmen, daß der Beschwerdeführer nur flüchtige Überprüfungen vorgenommen habe, "was aber wegen der Tatsache des Nichtfunktionierens der EDV-Anlage als Verschulden anzulasten ist, zumal dieses Verhalten eine Verletzung" der objektiven Sorgfaltspflicht des Beschwerdeführers darstelle, "seine subjektive Befähigung hiezu vorhanden ist und ihm auch sorgfaltsgemäßes Verhalten durchaus zumutbar war".

Im übrigen sei festgehalten, daß gegen die festgestellte Höhe der Verkürzungsbeträge keine Bedenken bestünden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 162 Abs. 1 lit. e Finanzstrafgesetz hat die Rechtsmittelentscheidung eine Begründung zu enthalten.

Schließt sich die Berufungsbehörde ohne eigene Ermittlungen der Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz an und übernimmt sie deren Feststellungen zur Gänze als unbedenklich, ohne auf das Vorbringen in der Berufung einzugehen, so ist ihr Bescheid mit einem als Verfahrensfehler relevanten Begründungsmangel behaftet (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 603 angeführte Judikatur).

Zu Recht wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, daß der Beschwerdeführer in der Berufung vor allem "die Annahme des Spruchsenates" er habe fahrlässig gehandelt, bekämpft. Ohne ein eigenes Ermittlungsverfahren durchzuführen, legt die belangte Behörde dar, daß bei Beantwortung dieser Frage, nämlich ob der Beschwerdeführer vorliegendenfalls fahrlässig oder nicht fahrlässig gehandelt habe, von "der nicht unterschriebenen Vereinbarung vom 27. April 1979" betreffend die Kompetenzverteilung zwischen den beiden Geschäftsführern der L Export-Import GesmbH, auf welche sich auch die Behörde erster Instanz stütze, auszugehen sei. Aber schon im nächsten Satz führt die belangte Behörde aus, daß diese Vereinbarung "zu Zweifeln Anlaß" biete und ihr überhaupt "auf Grund weiterer Indizien keine Bedeutung" zukomme. An welche Indizien die belangte Behörde in diesem Zusammenhang konkret denkt, ist aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ersichtlich. Die belangte Behörde geht aber auch mit keinem Wort auf die - jedenfalls für die Strafbemessung maßgebenden - Berufungsausführungen ein, mit welchen der Beschwerdeführer versuchte, darzutun, daß neben ihm jedenfalls auch T, der sich angeblich auch mit der Anschaffung der EDV-Anlage befaßte, für Buchhaltungs- und Steuerfragen zuständig war. Statt dessen beschränkt sie sich auf die Behauptung, daß "jedenfalls ... aus anderen Beweisergebnissen" hervorgehe, daß der Beschwerdeführer "seiner Obsorgepflicht nicht vollkommen nachgekommen ist". Auch hier wird verschwiegen, welche bestimmte "andere Beweisergebnisse" die belangte Behörde tatsächlich meint.

Auf die Darlegungen des Beschwerdeführers in der Berufung, ob sich diese nun auf die ihm im erstinstanzlichen Bescheid zur Last gelegte Belegmanipulation oder seine Kompetenz im Rahmen der Geschäftsführung der L Export-Import GesmbH beziehen, geht die belangte Behörde konkret nicht ein, sondern beschränkt sich auf mehr oder weniger allgemein gehaltene Aussagen.

Da sich schon im Hinblick auf diese Mängel der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet erweist, war derselbe gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wird gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil lediglich die Vorlage von drei Beschwerdeschriftsätzen mit Beilagen erforderlich und für die Beschwerdeschriftsätze nur eine feste Gebühr von je S 120,-- zu entrichten war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130141.X00

Im RIS seit

19.12.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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