TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/19 90/08/0142

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Veröffentlicht am 19.02.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §113 Abs1 idF 1986/111;
ASVG §412;
ASVG §413;
ASVG §59 idF 1986/111;
AVG §60;
AVG §66 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):90/08/0144 E 19.2.1991 90/08/0143 E 19.2.1991

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Juli 1990, Zl. MA 14 - BZ 158/88, betreffend Aufhebung eines in Angelegenheit eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ergangenen Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG (mitbeteiligte Partei: Friederike P), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 20. April 1988 gemäß § 113 Abs. 1 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 15.000,- vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Einspruch.

Im Einspruchsverfahren hat die Beschwerdeführerin der belangten Behörde auf Anfrage die Höhe der Verzugszinsen, welche von den seitens der mitbeteiligten Partei nicht oder verspätet entrichteten Beiträgen zu berechnen sind, mit S 27.991,-- bekanntgegeben. Unter einem hat die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mitgeteilt, sie vertrete die Auffassung, für die Verhängung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG seien die Verzugszinsen nicht nur in der sich aus § 59 Abs. 1 ASVG ergebenden Höhe, sondern auch in einer nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung herabgesetzten Höhe zu berücksichtigen. Sollte sich die belangte Behörde dieser Rechtsauffassung nicht anschließen, so werde beantragt, den beeinspruchten Bescheid dahin abzuändern, daß anstelle des Beitragszuschlages von S 25.000,-- ein solcher von S 27.991,-- vorgeschrieben und damit die Mindestgrenze des § 113 Abs. 1 ASVG unter Bedachtnahme auf § 59 Abs. 1 ASVG eingehalten werde. Auf einen darüberhinausgehenden Ersatz des Verwaltungsmehraufwandes verzichte die Beschwerdeführerin unter Bedachtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der mitbeteiligten Partei.

Nachdem die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei Parteiengehör gewährt, diese sich jedoch innerhalb der ihr gesetzten Frist zur Frage der Höhe des Beitragszuschlages nicht geäußert hatte, erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 11. Juli 1990, mit welchem der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Beschwerdeführerin zurückverwiesen wurde. Dieser Bescheid wurde von der belangten Behörde im wesentlichen damit begründet, daß die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse im erstinstanzlichen Verfahren keinerlei Ermittlungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der mitbeteiligten Partei durchgeführt und überdies jegliche Darstellung des ihr entstandenen Verwaltungsmehraufwandes verabsäumt habe, sodaß die belangte Behörde im vorliegenden Fall keine Möglichkeit sehe, sich mit dem erhobenen Einspruch meritorisch zu befassen. Im Hinblick auf diesen Umstand sei die belangte Behörde vielmehr der Auffassung, daß im gegenständlichen Fall zu der für die Entscheidung unumgänglich notwendigen Klärung der obgenannten Fragen eine mündliche Verhandlung unerläßlich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Art. I Z. 33 der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986) können Beitragszuschläge den in § 111 ASVG genannten Personen (Stellen) in dem in § 113 Abs. 1 Z. 1 bis 3 näher umschriebenen Fällen vorgeschrieben werden, wobei als Höchstgrenze jeweils das Doppelte der Summe der überhaupt nicht, verspätet oder nicht zur Gänze entrichteten Beiträge normiert ist. Die beiden letzten Sätze dieser Gesetzesbestimmung lauten:

"Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären."

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist der Beitragszuschlag im Sinne des § 113 Abs. 1 ASVG auch nach seiner durch die 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986 erfolgten Novellierung weiterhin eine (neben der Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe) weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung. Demgemäß darf er objektiv einerseits nicht das Ausmaß des durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachten Verwaltungsmehraufwandes zuzüglich des Zinsenentganges infolge der verspäteten Beitragsentrichtung, andererseits aber auch nicht das Zweifache der nachzuzahlenden Beträge überschreiten. Der objektiv auf diese Weise nach oben hin zweifach begrenzte Beitragszuschlag kann bei der vorgesehenen Ermessensübung, bei der auch das Verschulden des Meldepflichtigen zu berücksichtigen ist, eine Reduzierung erfahren (vgl. das Erkenntnis vom 26. März 1987, Zl. 86/08/0223, und das Erkenntnis vom 17. März 1988, Zl. 87/08/0012 mit weiteren Hinweisen).

Zu der - auch im vorliegenden Fall maßgebenden - Frage der Ermittlung des pauschalierten Mehraufwandes der Verwaltung einschließlich des Kapitalaufwandes (bzw. Zinsenentganges) infolge der verspäteten Beitragsentrichtung hat der Verwaltungsgerichtshof in dem erwähnten Erkenntnis vom 26. März 1987, Zl. 86/08/0223, ausgesprochen, daß es sich dabei nicht schlechthin um jenen Verwaltungsaufwand handle, der zur Feststellung der Meldepflichtverletzungen aufgewendet worden sei, sondern vielmehr um den dadurch verursachten (zusätzlichen) Aufwand, der nicht aufgelaufen wäre, wenn keine Meldeverstöße festgestellt worden wären, d.i. beispielsweise etwa der Verwaltungsaufwand, der dem Versicherungsträger durch die neue Feststellung und Vorschreibung von Beiträgen sowie für die Berechnung der Verzugszinsen erwachsen sei.

Als Untergrenze des Beitragszuschlages darf die Höhe der Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG nicht unterschritten werden (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0172 mwH).

Bei der Ermessensübung innerhalb der solcherart gegebenen Unter- bzw. Obergrenzen des Beitragszuschlages kommt der Art des Meldeverstoßes, dem Verschulden des Meldepflichtigen an diesem Verstoß und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners Bedeutung zu (vgl. das Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 87/08/0140, und vom 23. Juni 1988, Zl. 86/08/0182).

Die Beschwerdeführerin bringt zusammengefaßt vor, daß sie der belangten Behörde die Höhe der Verzugszinsen (als Untergrenze für den Beitragszuschlag) bekanntgegeben, jedoch auf einen darüber hinausgehenden Ersatz des entstandenen Verwaltungsaufwandes unter Bedachtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der mitbeteiligten Partei im Rahmen der Ermessensübung verzichtet habe. Die belangte Behörde hätte daher in der Sache selbst entscheiden und einen Beitragszuschlag in der Höhe der Verzugszinsen verhängen müssen.

Die belangte Behörde hält in ihrer Gegenschrift hingegen daran fest, daß ihr eine Überprüfung möglich sein müsse, wie die Beschwerdeführerin zu ihrer Entscheidung gelangt sei. Über diese Überprüfungsmöglichkeit habe die belangte Behörde aufgrund der unzureichenden Mitteilung der Beschwerdeführerin "hinsichtlich des Sachverhaltes, insbesondere der Höhe des Verwaltungsaufwandes sowie der wirtschaftlichen Verhältnisse" nur zum Teil verfügt. Da mangels zureichender Sachverhaltsfeststellungen bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Überprüfung der Entscheidung der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen, und aus diesem Grunde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erschienen sei, habe die belangte Behörde mit einer kassatorischen Entscheidung vorgehen müssen.

Gemäß dem im Verfahren über die nach § 412 ASVG erhobenen Einsprüche vom Landeshauptmann aufgrund Art. II Abs. 2 lit. A Z. 1 EGVG anzuwendenden § 66 Abs. 4 AVG hat die Einspruchsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist dabei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60 AVG) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Die belangte Behörde hatte daher nicht nur im Bereich rechtlicher Gebundenheit, sondern auch im Ermessensbereich volle Kognition und somit gegebenenfalls das Recht und die Pflicht, ihre Anschauung an die Stelle jener der Behörde erster Instanz zu setzen (vgl. das Erkenntnis vom 17. Mai 1961, Slg. 5570/A u.a.) und dabei gemäß § 56 iVm § 37 AVG von Amts wegen vorzugehen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich zunächst die Auffassung der Beschwerdeführerin, zufolge ihres "Verzichtes" hätte die belangte Behörde den Beitragszuschlag in Höhe der Verzugszinsen festsetzen müssen, als unzutreffend: Der belangten Behörde stand jedenfalls im Rahmen des von der mitbeteiligten Partei erhobenen Einspruches die volle Befugnis zur Ermessensübung innerhalb der dargelegten Grenzen und unter Beachtung der dabei zu berücksichtigenden Kriterien zu, wobei einer (im Rahmen rechtlicher Gebundenheit zwingenden) Anhebung des Beitragszuschlages weder auf die Höhe der Verzugszinsen, noch darüberhinaus im Rahmen der Ermessensübung bis zu den dargelegten Obergrenzen ein rechtliches Hindernis entgegenstand; insbesondere auch nicht ein Verbot der "reformatio in peius", welches dem Administrativverfahren (etwa analog § 51 Abs. 4 VStG) fremd ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A).

Aber auch die Auffassung der belangten Behörde, sie hätte "mangels Überprüfungsmöglichkeit" des erstinstanzlichen Bescheides kassatorisch entscheiden müssen, ist (aus den gleichen Gründen) unzutreffend, zumal der Landeshauptmann im Einspruchsverfahren gemäß § 412 ASVG Rechtsmittelbehörde und nicht bloß Aufsichtsbehörde ist (zur eingeschränkten Kognition der Aufsichtsbehörde in Ermessensfragen vgl. das Erkenntnis vom 22. Oktober 1981, Slg. 10571/A). Wenn daher der belangten Behörde der bei ihr mittels Einspruch bekämpfte erstinstanzliche Bescheid unzureichend begründet erschien, dann hätte sie von Amts wegen vorgehen, sich selbst die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen verschaffen und danach ihre Entscheidung über das Rechtsmittel treffen müssen. Dies hat die belangte Behörde - worauf die Beschwerdeführerin mit Recht hinweist - hinsichtlich des Mehraufwandes der Verwaltung nicht einmal versucht (etwa dadurch, daß sie die Beschwerdeführerin zu dessen Bekanntgabe aufgefordert hätte). Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei allerdings angemerkt, daß auch eine etwaige mangelnde Mitwirkung der Gebietskrankenkasse an der Feststellung der Höhe des Verwaltungsmehraufwandes die belangte Behörde nicht von der Verpflichtung entbunden hätte, diesen amtswegig (allenfalls unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen) zu ermitteln; dies auch ungeachtet der (davon zu trennenden) noch zu behandelnden Frage des § 66 Abs. 2 AVG 1950, ob gegebenenfalls der im Verfahren nicht mitwirkende Versicherungsträger durch einen Bescheid, mit welchem in einem solchen Fall ein Beitragszuschlag (bloß) in der Höhe der Verzugszinsen (als gesetzliche Untergrenze) verhängt würde, in seinen Rechten verletzt wäre (welche Frage für den vorliegenden Beschwerdefall dahinstehen kann). Damit erweist sich die Begründung des angefochtenen Bescheides, die belangte Behörde habe "keine Möglichkeit" gehabt, sich mit dem Einspruch meritorisch zu befassen, als rechtlich unzutreffend.

Der von der Beschwerdeführerin ihrem gesamten Vorbringen zufolge ausschließlich geltend gemachte Beschwerdepunkt (nämlich dadurch in ihren Rechten verletzt zu sein, daß die belangte Behörde keinen Beitragszuschlag in der Höhe der Verzugszinsen verhängt habe) umfaßt dem Grunde nach jedenfalls auch die Geltendmachung des Anspruches auf eine Sachentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG anstelle der bloß kassatorischen Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG, ohne daß der Verwaltungsgerichtshof an die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beschwerdegründe gebunden wäre (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. 11525/A). Damit hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides letztlich von der (in der Beschwerde nicht berührten Frage) ab, ob die Meinung der belangten Behörde, daß zur Klärung der maßgebenden Fragen eine mündliche Verhandlung unvermeidlich sei, zutrifft. Bei Beantwortung dieser Frage ist zunächst davon auszugehen, daß die NOTWENDIGKEIT einer mündlichen Verhandlung (im Sinne der in § 66 Abs. 2 AVG geforderten Unvermeidlichkeit) sich immer nur im Tatsachenbereich, nie aber in der Frage der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes ergeben kann. Dies ergibt sich nicht nur aus § 43 AVG, sondern auch aus dem systematischen Zusammenhang mit dem Grundsatz der Gewährung von Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG, der sich nur auf Tatsachen, nicht aber auf Rechtsnormen bezieht (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 1986, Zl. 85/02/0179).

Bei der Prüfung der Frage, ob eine mündliche Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG unvermeidlich ist, ist jedoch nicht maßgebend, ob eine Verhandlung im kontradiktorischen Sinne oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1985, Zl. 84/08/0085).

Die für die (als Rechtsfrage aus der Betrachtung von vornherein ausscheidende) Ermessensübung erforderlichen Tatsachen sind vorliegendenfalls rechnerisch zu ermitteln. Es ist dem Verwaltungsgerichtshof kein Grund erkennbar, aus welchem die Behörde nicht in der Lage sein sollte, diese Tatsachenfeststellungen entweder selbst oder unter Zuhilfenahme von Sachverständigen zu treffen und zum Ergebnis ihrer Ermittlungen im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör zu gewähren. Die ohnehin nur für den (derzeit gar nicht vorliegenden) Fall der mangelnden Mitwirkung der Beschwerdeführerin am Einspruchsverfahren allenfalls bestehende Notwendigkeit umfangreicher rechnerischer Prüfungen hat zu dem in § 66 Abs. 2 AVG geregelten Sachverhalt jedenfalls keinen Bezug (vgl. das Erkenntnis vom 28. November 1980, Zl. 1569/79). Aus welchen besonderen Gründen die mitbeteiligte Partei allenfalls nicht in der Lage sein könnte, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse schriftlich darzulegen (worin unter Umständen ein Grund liegen könnte, zweckmäßigerweise darüber eine Einvernahme durchzuführen), ist aus dem angefochtenen Bescheid ebensowenig zu entnehmen. Ein Verfahrensmangel kann - nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1985, Slg. 11795/A - aber nur dann zur Aufhebung eines Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG führen, wenn sich der Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung (oder Vernehmung) beheben läßt; nur unter dieser Voraussetzung kommt der Behörde ein Ermessensspielraum in der Frage zu, ob sie von ihrer Befugnis Gebrauch macht oder im Sinne des § 66 Abs. 3 AVG die erforderlichen Sachverhaltsergänzungen selbst vornimmt (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 1987, Zl. 86/08/0243, und vom 20. September 1990, Zl. 89/06/0100 mit weiteren Hinweisen). Liegen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG hingegen nicht vor, so hat die Behörde (zwingend) im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG vorzugehen.

Abgesehen davon, daß die belangte Behörde selbst keine Gründe nennt, aus denen sie meint, daß die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unermeidlich wäre, vermag auch der Verwaltungsgerichtshof nach der derzeitigen Aktenlage solche Gründe derzeit nicht zu erkennen.

Aus den aufgezeigten Erwägungen erweist sich daher die Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG, mit welcher die belangte Behörde vorgegangen ist, als rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Umfang der Abänderungsbefugnis Unbestimmte Rechtsbegriffe ErmessenInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Anwendungsbereich des AVG §66 Abs4Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung AnfechtungserklärungInhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz)Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte ParteistellungHeilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990080142.X00

Im RIS seit

16.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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