TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/20 86/13/0195

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Veröffentlicht am 20.02.1991
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §162;
BAO §167 Abs2;
BAO §184 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs4;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991/457;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 10. Oktober 1986, Zl. 6/2-3253/3/82, betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 1975 bis 1978, Gewerbesteuermeßbetrag für die Jahre 1977 und 1978 sowie Einheitswert des Betriebsvermögens, Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab 1. Jänner der Jahre 1975 bis 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden GmbH. fand für die Jahre 1975 bis 1978 eine Betriebsprüfung statt, bei der unter anderem die Kosten von Flugreisen des Geschäftsführers nicht als Betriebsausgaben anerkannt wurden. Der Prüfer begründete dies damit, daß wohl entsprechende Reisebürorechnungen, nicht aber die Flugtickets selbst vorgelegt worden seien. Nur die Flugtickets seien jedoch als Aufwandsnachweis geeignet, weil "hiebei das Datum der Reisetage dokumentiert wäre". Ihre Aufbewahrung als Beilage zu den Ausgabenbelegen für firmeninterne Kontrollzwecke sei üblich. Auch allfällige Stornierungen seien sonst nicht nachprüfbar. Es sei festgestellt worden, daß die Flugtickets in einzelnen Fällen nachweislich "zur Geltendmachung von Betriebsausgaben bei anderen Firmen gedient hätten, womit der Aufwand zweimal geltend gemacht worden sei. Daraus folge, daß die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen in Zweifel gezogen werden müsse.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Bei den Reisebürorechnungen handle es sich um ordnungsgemäß fakturierte Rechnungen, aus denen sowohl der Tag der Leistung als auch die jeweilige Flugroute hervorgehe. Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde ergänzend vorgebracht, daß die Möglichkeit von Stornierungen bei jeder Art von Aufwand denkbar und daher nicht geeignet sei, Betriebsausgaben die steuerliche Abzugsfähigkeit zu versagen.

In der Folge wurde ein Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vorgelegt, aus dem hervorging, daß der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens der Untreue und des Vergehens des schweren Betruges bestraft worden war, weil er ein von der Beschwerdeführerin bezahltes Flugticket (S 33.170,--) für außerbetriebliche Zwecke verwendet und die Kosten eines weiteren Fluges (S 6.450,--) der Beschwerdeführerin verrechnet habe, obwohl ihm diese Kosten von der Gemeinde A vergütet worden waren. Mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt werde eingeräumt, daß der Betrag von S 33.170,-- nicht als Betriebsausgabe anzuerkennen sei. Die übrigen Flugkosten müßten jedoch als Betriebsausgaben Berücksichtigung finden. Sie seien auch vom Gericht genau überprüft worden. Die zu Unrecht verrechneten Flugkosten von S 6.450,-- beträfen einen anderen Gewinnermittlungszeitraum

(Wirtschaftsjahr 1978/79) und seien daher schon aus diesem Grund für die Frage der Anerkennung der übrigen Flugkosten außer Betracht zu lassen.

Die belangte Behörde gab der Berufung in einigen anderen Punkten Folge, wies sie aber bezüglich der Flugkosten ab.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid ausdrücklich nur hinsichtlich der Nichtanerkennung von

Flugkosten als Betriebsausgaben. Die Beschwerde ist berechtigt:

Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung ausschließlich damit, daß im Hinblick auf das Vorhandensein von zwei Belegen, nämlich der Reisebürorechnungen einerseits und der Flugtickets andererseits, Doppelverrechnungen möglich gewesen und auch tatsächlich erfolgt seien. Um derartige Doppelverrechnungen auszuschließen, könne als "einwandfreier Beleg für derartige Aufwendungen nur das Flugticket selbst, gegebenenfalls zusammen mit der entsprechenden Reisebürorechnung, anerkannt werden".

Zunächst ist grundsätzlich festzustellen, daß als Betriebsausgaben auch finanzielle Einbußen und sonstige Schäden in Betracht kommen, die dem Betriebsinhaber dadurch erwachsen, daß sich seine Angestellten oder seine Gesellschaftsorgane widerrechtlich bereichern, z.B. durch Diebstahl, Untreue oder Betrug (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1988, Zl. 87/14/0118). Ein derartiges, die Beschwerdeführerin schädigendes Verhalten ihres Geschäftsführers hat die belangte Behörde festgestellt. Sie hat daraus den Schluß gezogen, daß der Beschwerdeführerin durch die rechnungsmäßig belegten Flugkosten in Wahrheit kein betrieblich veranlaßter Aufwand erwachsen ist.

Ein solcher Schluß verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen Denkgesetze. Der vom Betriebsprüfer vermutete Umstand, daß die Flugtickets bei einem anderen Steuersubjekt zu Unrecht ein zweites Mal aufwandswirksam berücksichtigt worden sein könnten - Anhaltspunkte für diesen Verdacht sind den Verwaltungsakten im übrigen nicht zu entnehmen -, würde am betrieblich veranlaßten Aufwand der Beschwerdeführerin nichts ändern. Ein solcher fingierter Aufwand wäre nur bei jenem Steuersubjekt nicht abzugsfähig, das den betrieblichen Aufwand vorgetäuscht hätte.

Die vom Gericht als Untreue festgestellte Tat des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin, der ein Flugticket für eine nichtbetrieblich veranlaßte Reise verwendet hatte, begründete einen entsprechenden Rückforderungsanspruch gegen den Geschäftsführer und wirkte daher (bei der im Beschwerdefall vorgenommenen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich) aufwandsneutralisierend. Dementsprechend wurden diese Flugkosten von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren nicht mehr als Aufwand geltend gemacht. Die Straftat ließ jedoch nicht den Schluß zu, daß auch ALLE ANDEREN von der Beschwerdeführerin finanzierten Flugreisen ihres Geschäftsführers nicht in ihrem betrieblichen Interesse erfolgten.

Gleiches gilt für die vom Gericht festgestellte nochmalige Verrechnung von Flugkosten, die dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bereits von der Gemeinde A vergütet worden waren. Abgesehen davon, daß der betreffende Aufwand nicht die streitgegenständlichen Gewinnermittlungsperioden berührte, läßt auch diese betrügerische Vorgangsweise des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin nicht den Schluß zu, daß der Beschwerdeführerin die von ihr rechnungsmäßig belegten Flugkosten in Wahrheit gar nicht erwachsen sind.

Was schließlich das Argument betrifft, daß Flüge, für die als Belege keine Flugtickets, sondern nur die Rechnungen von Reisebüros vorlagen, storniert worden sein könnten, so trifft dies zwar als abstrakte Möglichkeit zu; eine solche Möglichkeit, die auf bloßen Vermutungen beruht, ohne daß irgendwelche konkreten Anhaltspunkte ihre Verwirklichung wahrscheinlich machen, genügt jedoch nicht, um einem im Wirtschaftsleben durchaus üblichen Aufwand die Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe zu versagen. Zu Recht verweist die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf die Reiseabrechnungen des Geschäftsführers, mit deren Beweiskraft sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt hat.

Die von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Beweiswürdigung erweist sich somit als unschlüssig und belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Mit Rücksicht auf die Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, daß "die Durchführung der Reisen als solche grundsätzlich nicht bestritten werden soll", sieht sich der Gerichtshof noch zu folgenden Feststellungen veranlaßt:

Die Möglichkeit einer mißbräuchlichen Verwendung von Ausgabenbelegen berechtigt die Abgabenbehörde nicht, bei Vorliegen eines von ihr ausdrücklich als unbestritten bezeichneten Sachverhaltes Aufwendungen die steuerliche Abzugsfähigkeit zu versagen, wenn im Hinblick auf die Sachverhaltsannahme keine Zweifel daran bestehen, daß die Aufwendungen dem Abgabepflichtigen tatsächlich erwachsen sind. Ebenso wie bei Ermittlung der Abgabenbemessungsgrundlagen im Schätzungsweg unbelegte, aber mit großer Wahrscheinlichkeit erwachsene betriebliche Aufwendungen zu berücksichtigen sind, ist auch außerhalb einer Schätzung ein glaubhaft gemachter betrieblicher Aufwand als solcher anzuerkennen, selbst wenn die Vermutung berechtigt ist, daß ein ANDERER Steuerpflichtiger den selben Aufwand zu Unrecht ebenfalls geltend gemacht hat. Dem Vortäuschen eines Aufwandes kann grundsätzlich nur bei jenem Steuerpflichtigen begegnet werden, zu dessen Vorteil die Täuschungshandlung gesetzt wird. Nur bei diesem kann als erwiesen angenommen werden, daß ihm der vorgetäuschte Aufwand in Wahrheit nicht erwachsen ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen lediglich im Anwendungsbereich des § 162 BAO in Betracht, der ausdrücklich vorsieht, daß Aufwendungen unberücksichtigt zu bleiben haben, wenn der Abgabepflichtige sich weigert, den Leistungsempfänger genau zu bezeichnen. Dies trifft im Beschwerdefall nicht zu.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17 April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1986130195.X00

Im RIS seit

20.02.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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