TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/20 86/13/0047

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Veröffentlicht am 20.02.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §115 Abs4;
BAO §119 Abs1;
BAO §124;
BAO §125;
BAO §184 Abs3;
BAO §207 Abs2;
BAO §209 Abs1;
BAO §303 Abs4;
BAO §304;
VwGG §36;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1992, 231;

Betreff

Ing. H gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Jänner 1986, Zl. 6/1-1426/8/1981, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1973 bis 1977, Einkommensteuer für die Jahre 1969 bis 1977, Vermögensteuer ab 1. Jänner der Jahre 1971, 1974 und 1977 sowie Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner der Jahre 1974 und 1977) und die im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Sachbescheide

Spruch

Soweit der angefochtene Bescheid die Einkommensteuer für die Jahre 1969 bis 1972 einschließlich Wiederaufnahme des Verfahrens betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erzielte in den Jahren 1969 bis 1977 Einkünfte als selbständiger Handelsvertreter. Er ermittelte seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG. Für den genannten Zeitraum fand bei ihm eine Betriebsprüfung statt, die u.a. zu folgenden Feststellungen des Prüfers führte:

1. Der Beschwerdeführer habe bei der Firma T und bei der Firma Z Kapitalanlagen getätigt, die bisher nicht offengelegt worden seien.

Bei der Firma T handle es sich um Beträge von insgesamt S 900.000,--. Der Beschwerdeführer habe erklärt, diese Beträge für die C-AG (Sitz in der Schweiz) angelegt zu haben. Daß die Kapitalanlagen auf seinen Namen lauteten, sei darauf zurückzuführen, daß die Herren der Schweizer Firma nicht ständig in Wien gewesen seien und daher hinsichtlich der Behebung der Zinsen Schwierigkeiten entstanden wären. Die Abrechnung der Kapitalerträge sei halbjährlich erfolgt. Ein Durchschlag darüber sei nicht angefertigt worden, sodaß der Beschwerdeführer über keine Abrechnungsunterlagen verfüge. Diese Vorgangsweise sei mit den ausgezeichneten geschäftlichen Kontakten des Beschwerdeführers zu der C-AG erklärbar. Zwischenzeitig seien die Kapitalanlagen aufgekündigt worden. Auch diesbezüglich verfüge der Beschwerdeführer über keine Abrechnungsbelege mit der C-AG. Die ihm durch die Kapitalanlagen erwachsenen Aufwendungen habe er der C-AG unter Anschluß der Belege in Rechnung gestellt, sodaß er auch diesbezüglich über keine Aufzeichnungen und Belege verfüge.

Zum Beweis für sein Vorbringen habe der Beschwerdeführer folgende Schriftstücke vorgelegt:

a) Schreiben der C-AG vom 19. Dezember 1973, in dem das Interesse an einer Kapitalanlage in Österreich zum Ausdruck gebracht wird;

b) Schreiben der C-AG vom 6. August 1974, in dem die Übergabe eines unbestimmten Betrages in Aussicht gestellt wird. Der Betrag möge bei der Firma T angelegt und vom Beschwerdeführer verwaltet werden;

c) Schreiben der C-AG vom 24. Jänner 1979, mit dem der Beschwerdeführer ersucht wird, die Kapitalanlagen aufzukündigen und das Kapital an die C-AG zurückzuzahlen;

d) Vereinbarung vom 7. März 1980, mit der das im Februar 1974 begründete Treuhandverhältnis zwischen der C-AG und dem Beschwerdeführer aufgelöst und die Rückzahlung der Beträge bestätigt wird;

e) Schreiben der C-AG vom 28. April 1980, mit dem bestätigt wird, daß der Beschwerdeführer die Kapitalerträge aus dem treuhändig bei der Firma T angelegten Kapital an die C-AG weitergeleitet habe.

Demgegenüber seien vom Prüfer folgende Feststellungen getroffen worden:

Die Vermögensanlageverträge lauteten nicht nur auf den Beschwerdeführer, sondern es seien im Falle seines Ablebens seine Ehegattin und sein Sohn - und nicht etwa die C-AG - als Begünstigte ausgewiesen. Die C-AG scheine bei der Firma T nicht auf. Es lägen jedoch Schriftstücke mit den Namensaufdruck des Beschwerdeführers vor, die zusätzlich noch andere Firmenbezeichnungen enthielten, nämlich "SP" und "B". Eine schriftliche Treuhandvereinbarung habe nicht vorgelegt werden können. Die Behauptung des Beschwerdeführers, mit der C-AG in laufender Geschäftsverbindung zu stehen, finde in seiner Buchhaltung keinen Niederschlag. Die Schreiben der C-AG vom 6. August 1974 und vom 24. Jänner 1979 seien nachweislich und vom Beschwerdeführer zugestandenermaßen rückdatiert worden. Laut Auskunft des Beschwerdeführers sei als Beweismittel die Vorlage rückdatierter Schreiben an Stelle von Gedächtnisprotokollen gewählt worden. Der Beschwerdeführer sei vergeblich aufgefordert worden, zum Nachweis des Treuhandverhältnisses Belege über Geldtransaktionen vorzulegen.

Bei der Firma Z sei eine Kapitalanlage in Höhe von

S 400.000,-- getätigt worden, über die der Beschwerdeführer verfügt habe. Es sei ein Überbringersparbuch ausgestellt worden, welches den Vermerk "BV/CH" aufweise. Im Anlageakt befinde sich ein Schreiben der Firma B vom 3. Oktober 1977 welches mit "G" paraphiert sei. Es handle sich dabei offensichtlich um die Paraphe jener Person, die als Verwaltungsrat auch die Schreiben der C-AG unterzeichnet habe. Mit diesem Schreiben sei die Kapitalanlage aufgekündigt worden. Es stelle die einzige Ausnahme in der sonst nur von und mit dem Beschwerdeführer geführten Korrespondenz betreffend die Kapitalanlage dar. Der Beschwerdeführer habe trotz wiederholter Aufforderungen keine Beweismittel zum Nachweis dafür vorgelegt, daß ihm diese Kapitalanlage nicht zuzurechnen sei.

2. Für die in den Jahren 1973 bis 1977 verbuchten Honorarerlöse, stammend von der Firma B, welche in den Jahren 1975 bis 1977 die einzigen Erlöse des Beschwerdeführers dargestellt hätten, existierten nur selbstgeschriebene Handbelege. Für das vierte Quartal 1973 seien keine Einnahmen ausgewiesen worden, obwohl der Beschwerdeführer auch in diesem Zeitraum für die genannte Firma tätig gewesen sei. Ebenso seien für die Monate Jänner bis Oktober 1974, Jänner bis Juni 1975 sowie Oktober bis Dezember 1976 in der Buchhaltung keine Honorare ausgewiesen worden. Dies lasse den Schluß zu, daß nicht alle Erlöse verbucht worden seien. Ab dem Jahr 1974 seien die Aufwendungen und Aufwandsvergütungen betreffend die Tätigkeit für die Firma B nicht mehr über die Buchhaltung des Beschwerdeführers geführt worden.

3. Die im Jahr 1973 von der Firma S erzielten Provisionserlöse seien ebenfalls nur durch eigenhändige Aufzeichnungen belegt.

4. Die vom Beschwerdeführer behaupteten ausgezeichneten geschäftlichen Kontakte zu der C-AG und die Geschäftsverbindung mit der Firma SP, die beide in der Buchhaltung des Beschwerdeführers keinen Niederschlag gefunden hätten, ließen (ebenfalls) den Schluß zu, daß Geschäftsvorfälle unverbucht geblieben seien.

5. Provisionserlöse von der Firma G in Höhe von DM 1.000,-- (im Jahr 1975), DM 1.067,11 (im Jahr 1976) und DM 19.312,69 (im Jahr 1977) seien unverbucht geblieben.

6. In der Buchhaltung aufscheinende Darlehen der Firma B seien belegmäßig nicht nachweisbar gewesen. Laut Auskunft des Beschwerdeführers seien die Darlehen bei der zwischenzeitig in Konkurs gegangenen Firma B ausgebucht worden. Es werde daher angenommen, daß die als Darlehen verbuchten Beträge in Wahrheit Honorarzahlungen der Firma B gewesen seien (Gesamtbetrag: S 121.155,98).

7. Die vom Beschwerdeführer als gemäß § 6 Z. 3 UStG echt befreiten Umsätze behandelten Honorare der Firma B seien als nicht steuerbare Umsätze zu qualifizieren gewesen, weil der Beschwerdeführer die betreffenden Leistungen in den Ostblockstaaten erbracht habe.

Im Hinblick auf die festgestellten Buchführungsmängel ermittelte der Betriebsprüfer die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungsweg, wobei er unter Berücksichtigung der dem Beschwerdeführer zugerechneten Kapitalanlagen und deren Erträgnisse eine Vermögensdeckungsrechnung durchführte. Die solcherart ermittelten Umsatzhinzurechnungen betrugen S 50.000,-- (1973), S 500.000,-- (1974), S 320.000,-- (1975), S 70.000,-- (1976) und S 200.000,-- (1977).

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Die "unter Umständen nicht unproblematische" Erfassung der Erlöse durch selbstgeschriebene Handbelege sei durch die vorangegangene Betriebsprüfung nicht beanstandet worden. Daher habe der Beschwerdeführer bzw. dessen damaliger steuerlicher Vertreter diese Praxis nicht geändert.

Die unregelmäßige Erfassung der Honorarerlöse von der Firma B sei auf deren Liquiditätsschwierigkeiten zurückzuführen. Seine Aufwendungen habe der Beschwerdeführer direkt von der Firma B vergütet erhalten, sodaß "keine direkten Aufwendungen entstanden" seien.

Aus der Geschäftsverbindung mit der C-AG seien "keinerlei wirtschaftliche Einnahmen zugeflossen". Sie habe "ausschließlich der Pflege kaufmännischer Zusammenarbeit" gedient. Ebensowenig hätten die Geschäftsverbindungen zu der Firma SP zu Betriebseinnahmen geführt.

Bezüglich der nichtverbuchten Provisionserlöse von der Firma G sei vom Beschwerdeführer der Nachweis angeboten worden, daß diese Beträge im Jahr 1978 erfaßt worden seien.

Bei den Vermögensdeckungsrechnungen sei den tatsächlichen Gegebenheiten nicht Rechnung getragen worden:

Bei der für das Jahr 1973 zu Unrecht vorgenommenen Zuschätzung seien Darlehen von der Firma B sowie die Belehnung einer Lebensversicherung unberücksichtigt geblieben.

Die Zuschätzungen für die Jahre 1974 bis 1976 beruhten auf den unrichtigen Zurechnungen von Treuhandgeldern an den Beschwerdeführer.

Die Zuschätzung für das Jahr 1977 gehe von der willkürlichen Annahme von Ersparnissen in der Höhe von S 400.000,-- aus.

Das Treuhandverhältnis zur C-AG sei durch Vorlage des Schreibens vom 19. Dezember 1973 nachgewiesen worden. Dieses weise die Unterschrift des damaligen, mittlerweile lange Zeit verstorbenen Geschäftsführers aus. Außerdem sei im Zuge der Betriebsprüfung eine schriftliche Abrechnung der einzelnen Treuhandbeträge und der Erträgnisse vorgelegt worden, "die eine notariell beglaubigte Vereinbarung über die Begründung und Auflösung des Treuhandverhältnisses zeigt".

Zu der Treuhandanlage für die Firma B bzw. für deren Gesellschafter-Geschäftsführer CB sei folgendes zu sagen:

Es treffe zwar zu, daß ein Schreiben an die Firma Z von HG (= Gesellschafter-Geschäftsführer der C-AG) paraphiert worden sei; dies sei jedoch mit den engen wirtschaftlichen Verbindungen der C-AG mit der Firma B erklärbar. Die Abgabenbehörde verkenne das Wesen eines Treuhandverhältnisses, wenn sie das Fehlen von Vereinbarungen, Bankbelegen und anderen Beweismitteln zum Anlaß nehme, um das Treuhandvermögen dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Ein Treuhandverhältnis beruhe auf einem außerordentlichen gegenseitigen Vertrauen. Es wäre widersinnig, es durch "schriftliche Erfassung" ersichtlich zu machen.

Abgesehen von der aufgezeigten Unzulässigkeit der Hinzuschätzungen wären diese (wenn überhaupt) ausschließlich den nicht steuerbaren Umsätzen hinzuzurechnen gewesen, weil der Beschwerdeführer für die Firma B nur im Ausland tätig geworden sei.

In seiner Stellungnahme zu der Berufung wies der Betriebsprüfer darauf hin, daß die dem Beschwerdeführer zugerechneten Kapitalanlagen im Zuge der Auswertung von beschlagnahmten Unterlagen der Firma T festgestellt worden seien.

Der Beschwerdeführer sei einer von zahlreichen Kapitalanlegern gewesen, die ihre Anlagen der Abgabenbehörde gegenüber nicht offengelegt hätten. Die bei der Firma Z festgestellten Kapitalanlagen seien im Zuge der Betriebsprüfung durch Kontrollmaterial hervorgekommen. Die in beiden Fällen vom Beschwerdeführer behaupteten Treuhandverhältnisse seien nicht nachgewiesen worden. Die bloße "Vorlage von Erklärungen" ausländischer Geschäftsfreunde, wie sie der Beschwerdeführer als Beweismittel angeboten habe, sei hiefür nicht ausreichend. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer auch versucht habe, die Treuhandverhältnisse mit unbestritten rückdatierten Schreiben zu beweisen.

Die vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den Vermögensdeckungsrechnungen erwähnten Darlehen seien nicht zur Deckung der Lebenshaltungskosten verwendet, sondern dem Betriebsvermögen zugeführt worden. Sie seien daher bei den Vermögensdeckungsrechnungen nicht zu berücksichtigen. Die Hinzuschätzung für das Jahr 1977 im Ausmaß von S 200.000,-- werde damit begründet, daß der Beschwerdeführer in diesem Jahr von der Firma G vereinnahmte Provisionen im Ausmaß von S 137.120,09 (= DM 19.312,69,--) steuerlich nicht erklärt habe. Die Ersparnisse von S 400.000,-- ergäben sich als Saldo der nachgewiesenen bzw. geschätzten Einnahmen und der Ausgaben.

Die Stellungnahme des Betriebsprüfers wurde dem Steuerberater des Beschwerdeführers zur Kenntnis gebracht. Für eine allfällige Gegenäußerung wurde eine Frist von 14 Tagen - später verlängert auf insgesamt 25 Tage - gesetzt. Eine Gegenäußerung erfolgte nicht.

Die belangte Behörde gab der Berufung "hinsichtlich der Einkommensteuer 1977 teilweise Folge", indem sie den bisher zu Unrecht berücksichtigten Alleinverdienerabsetzbetrag nicht mehr berücksichtigte und dementsprechend zu einer höheren(Ü) Einkommensteuervorschreibung gelangte. Im Übrigen wies sie die Berufung ab.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. VERJÄHRUNG:

Der Beschwerdeführer bringt vor, daß eine Wiederaufnahme des Verfahrens jedenfalls für die Jahre 1969 bis 1973 zu Unrecht erfolgt sei, weil der Prüfungsauftrag vom 12. Juli 1979 stamme, sodaß "mangels von Unterbrechungstatbeständen für alle Abgabenfälle bis zum 31. Dezember 1973" Bemessungsverjährung gemäß § 207 Abs. 2 BAO eingetreten sei. Die für hinterzogene Abgaben vorgesehene zehnjährige Verjährungsfrist komme schon deswegen nicht zum Tragen, weil die Abgabenbehörde in keiner Phase des Verfahrens von einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung ausgegangen sei.

Mit dieser Rüge ist der Beschwerdeführer zum Teil im Recht. Gemäß § 304 BAO ist eine (amtswegige) Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung ausgeschlossen. Die belangte Behörde tritt in ihrer Gegenschrift der Behauptung des Beschwerdeführers nicht entgegen, daß keine Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 209 BAO gesetzt worden seien. Auch den Verwaltungsakten lassen sich keine solchen Amtshandlungen entnehmen. Eine vorsätzliche Abgabenverkürzung wurde dem Beschwerdeführer nicht angelastet. Eine derartige Feststellung wäre aber als Vorfragenentscheidung erforderlich gewesen, um von der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO ausgehen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1988, Zl. 87/14/0173). Der erstmals in der Gegenschrift enthaltene Hinweis auf das Verhalten des Beschwerdeführers, der "sehr wohl um seine steuerlichen Verfehlungen wußte bzw. weiß" vermag diese im angefochtenen Bescheid fehlende Vorfragenentscheidung nicht zu ersetzen. Bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides hat der Gerichtshof daher von der im § 207 Abs. 2 BAO vorgesehenen Verjährungsfrist von fünf Jahren auszugehen. Damit erweist sich die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1969 bis 1972 als rechtswidrig.

Bei dieser Sach- und Rechtslage brauchte auf die Frage der sogenannten absoluten Verjährung (§ 209 Abs. 3 BAO in der Fassung vor dem Zweiten Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 312) nicht eingegangen zu werden; für das fortgesetzte Verfahren wird jedoch auf das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1990, Zl. 89/15/0083 hingewiesen.

Dem Beschwerdeführer ist allerdings nicht zu folgen, wenn er den Eintritt der Verjährung auch bei den das Jahr 1973 betreffenden Abgaben behauptet. Da eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren voraussetzt, muß im Beschwerdefall von solchen Bescheiden ausgegangen werden, auch wenn sie den Verwaltungsakten nicht angeschlossen wurden. Da die Abgabenbescheide für das Jahr 1973 frühestens im Jahr 1974 erlassen worden sein konnten - die Möglichkeit einer früheren Bescheiderlassung, etwa infolge Wegfalles der Steuerpflicht, ist im Beschwerdefall ausgeschlossen - und da mit einer Bescheiderlassung jedenfalls eine Unterbrechungshandlung gesetzt wurde, war die Bemessungsverjährung betreffend die Abgabenschuldigkeiten des Jahres 1973 bei Beginn der Betriebsprüfung noch nicht eingetreten und wurde daher durch diese neuerlich unterbrochen.

2. WIEDERAUFNAHMSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer bestreitet, daß im Zuge der Betriebsprüfung neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen seien, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gerechtfertigt hätten. Da EIN Wiederaufnahmsgrund ausreicht, um bei entsprechender Relevanz für die Abgabenvorschreibung eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu verfügen, genügt es, auf die für alle Streitjahre zutreffenden Buchführungsmängel hinzuweisen, die darin bestanden haben, daß für sämtliche erklärten Betriebseinnahmen nur die vom Beschwerdeführer eigenhändig geschriebenen Belege vorhanden waren. Der Beschwerdeführer erkennt selbst, daß darin eine "nicht unproblematische Erfassung der Erlöse" zu erblicken ist (Berufungsvorbringen). Er beruft sich aber auf den Grundsatz von Treu und Glauben, den er dadurch verletzt sieht, daß dieser Buchführungsmangel bei einer vorangegangenen Betriebsprüfung nicht aufgegriffen worden sei, sodaß er vertraut habe, daß die bisher tolerierte Vorgangsweise auch weiterhin toleriert werde.

Wie der Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, stellt es keine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben dar, wenn die Abgabenbehörde bisher übersehene oder aus anderen Gründen nicht aufgegriffene Unrichtigkeiten im Zuge späterer Abgabenverfahren wahrnimmt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1981, Zl. 17/3166/79).

Das weitere Argument des Beschwerdeführers, die Abgabenbehörde habe von seinen Buchführungsmängeln bereits in den Vorjahren Kenntnis gehabt, sodaß diesbezüglich keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien, ist ebenfalls verfehlt. Auch gleichartige, für einen längeren Zeitraum hindurch festgestellte Buchführungsmängel sind aus der Sicht der einzelnen Abgabenperioden jeweils von neuem aufzugreifende Unrichtigkeiten. Wird eine solche Unrichtigkeit in einer bestimmten Periode festgestellt und hatte die Abgabenbehörde bisher keine Kenntnis davon, daß diese Unrichtigkeit (auch) in DIESER Periode unterlaufen ist, so stellt die Unrichtigkeit eine neu hervorgekommene Tatsache dar, die bei entsprechender Relevanz für die Abgabenvorschreibung als Wiederaufnahmsgrund in Betracht kommt.

Schon aus diesem Grund und ohne auf die übrigen sonst noch in Betracht kommenden Wiederaufnahmsgründe einzugehen, die nicht für alle Jahre gleichermaßen zutreffen, erweist sich die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Jahre 1973 bis 1977 nicht als rechtswidrig.

Die erstmals in der Gegenäußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde aufgestellte Behauptung, bei den Eigenbelegen habe es sich in Wahrheit um Kassaquittungen gehandelt, fällt ebenso wie das übrige Neuvorbringen des Beschwerdeführers unter das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot.

3. BEHAUPTETES TREUHANDVERMÖGEN:

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, sie habe ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht entsprochen, indem sie die Beweislast für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses dem Beschwerdeführer aufgebürdet habe, weil sie selbst das Gegenteil "nicht beweisen kann". Er vertritt die Auffassung, seiner Offenlegungspflicht gemäß § 119 BAO vollständig mit dem Hinweis nachgekommen zu sein, daß er "die Kapitalanlagen nur als Treugeber" (gemeint ist offensichtlich als Treunehmer) für die C-AG und die Firma B getätigt habe.

Damit verkennt aber der Beschwerdeführer den Umfang seiner Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, die sich keineswegs auf das Vorbringen unbewiesener Tatsachen beschränkt. Umstände, die regelmäßig oder sogar ihrer Natur entsprechend nach außen nicht in Erscheinung treten, sind in erster Linie von demjenigen unter Beweis zu stellen, der ihr Vorliegen behauptet. Dies trifft im besonderen Maße für Treuhandvereinbarungen zu, die dadurch gekennzeichnet sind, daß das äußere Erscheinungsbild des im eigenen Namen auftretenden Treunehmers das Innenverhältnis zum Treugeber ganz oder teilweise verdeckt. Aus diesem Grund kann ein Treuhandverhältnis nur dann als erwiesen angenommen werden, wenn klare vertragliche Abmachungen über Umfang und nähere Modalitäten des Treuhandauftrages, tunlichst in Schriftform beigebracht und allenfalls vorgenommene Abrechnungen belegmäßig nachgewiesen werden. Derartige Beweismittel hat der Beschwerdeführer nicht angeboten, geschweige denn vorgelegt. Seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren (Berufung), daß das außerordentliche gegenseitige Vertrauen, welches ein Treuhandverhältnis kennzeichne, schriftliche Unterlagen darüber "widersinnig" erscheinen ließe, vermögen nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren halbjährliche schriftliche Abrechnungen behauptet hat, von denen allerdings keine Durchschriften angefertigt worden seien, sodaß er über keine Belege verfüge, übersieht er, daß es selbst bei größter Vertrauenswürdigkeit des Treunehmers erforderlich sein kann, ein zunächst verdecktes Treuhandverhältnis offenzulegen und zu beweisen, z.B. bei unvorhergesehenem Tod des Treunehmers. Es widerspricht wirtschaftlichen Gepflogenheiten, solche Risken völlig unberücksichtigt zu lassen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß die Kapitalanlagen bei der Firma T als begünstigte Personen im Fall des Todes des Beschwerdeführers dessen Ehefrau und Kind (nacheinander) ausweisen, ein Umstand, den der Beschwerdeführer lediglich mit "Zweckmäßigkeitsgründen" zu erklären versucht.

Bedenkt man weiters, daß der Beschwerdeführer als Beweis für das Vorliegen des Treuhandverhältnisses zugegebenermaßen zum Teil rückdatierte Schreiben vorgelegt hat, so kann die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die das angebliche Treuhandvermögen dem Beschwerdeführer zugerechnet hat, nicht als den Denkgesetzen widersprechend bezeichnet werden. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt unbegründet.

4. LÜCKEN IN DER AUFZEICHNUNG VON PROVISIONEN:

Der Beschwerdeführer hat den Umstand, daß er wiederholt monatelang weder Betriebseinnahmen noch Betriebsausgaben verbucht hat, damit zu erklären versucht, daß die ihm zustehenden Honorare entweder noch nicht fällig gewesen (Firma G) oder infolge Liquiditätsschwierigkeiten des Schuldners nicht ausbezahlt worden seien (Firma B). Seine Aufwendungen habe er direkt durch die auftraggebenden Firmen bezahlen lassen, "sodaß keine direkten Aufwendungen entstanden" seien.

Dieses Vorbringen geht an der Tatsache vorbei, daß der Beschwerdeführer seinen Gewinn unbestritten gemäß § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt hat, sodaß die Honorare nicht erst im Zeitpunkt ihres Zuflusses, sondern bereits in jenem Zeitpunkt steuerlich zu erfassen gewesen wären, in denen die jeweiligen Honoraransprüche entstanden waren. Auch die von den auftraggebenden Firmen bezahlten Aufwendungen hätten im Rechenwerk des Beschwerdeführers Berücksichtigung finden müssen und zwar einerseits als Betriebseinnahmen und andererseits als Betriebsausgaben. Eine Behandlung als "durchlaufende Posten" war gesetzlich nicht gedeckt.

Die belangte Behörde konnte daher auch aus diesen festgestellten Buchführungsmängeln unbedenklich den Schluß ziehen, daß der Beschwerdeführer nicht sämtliche Betriebsvorfälle ordnungsgemäß verbucht hatte.

5. UNTERLASSEN DER SCHLUßBESPRECHUNG:

Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, daß keine Schlußbesprechung über die Betriebsprüfung stattgefunden habe. Abgesehen davon, daß dies ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen wäre und der Beschwerdeführer nicht aufzeigt, an welchem Vorbringen im zweitinstanzlichen Verfahren er dadurch gehindert worden wäre, erweist sich die Rüge als aktenwidrig: Laut TZ 67 des Prüfungsberichtes hat die Schlußbesprechung am 22. Juli 1980 im zuständigen Finanzamt stattgefunden.

6. SCHÄTZUNGSBERECHTIGUNG:

Der Beschwerdeführer bestreitet, daß die belangte Behörde zur Schätzung der Abgabenbemessungsgrundlagen berechtigt war. Zu diesem Vorbringen genügt es, auf die Ausführungen unter den Punkten 2, 3 und 4 zu verweisen, in denen die zur Schätzung Anlaß gebenden Buchführungsmängel aufgezeigt wurden.

7. SCHÄTZUNG STEUERBARER UMSÄTZE:

Der Beschwerdeführer bezeichnet es als Verstoß gegen das Umsatzsteuergesetz, daß die belangte Behörde seine Behauptung, ausschließlich in den Ostblockstaaten tätig gewesen zu sein, nicht als Beweis dafür anerkannt habe, daß die hinzugeschätzten Umsätze zur Gänze als nicht steuerbar zu qualifizieren gewesen wären.

Daß die belangte Behörde in einer Behauptung des Beschwerdeführers noch keinen überzeugenden Beweis erblickt hat, stellt weder einen Verstoß gegen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes noch einen solchen gegen die Grundsätze freier Beweiswürdigung dar. Da die Umsatzhinzuschätzungen letztlich auf Vermögensdeckungsrechnungen zurückzuführen waren, konnten keine Feststellungen darüber getroffen werden, aus welchen konkreten Tätigkeiten des Beschwerdeführers sie herrührten. Der Beschwerdeführer selbst hat es - wie bereits gesagt - bei bloßen Behauptungen bewenden lassen, was allerdings insofern verständlich ist, als er die Hinzuschätzungen überhaupt als rechtswidrig bezeichnete. Das ändert aber nichts daran, daß die belangte Behörde im Rahmen ihrer Schätzungsbefugnis geblieben ist, wenn sie die Herkunft der unaufgeklärten Geldmittel des Beschwerdeführers auf umsatzsteuerpflichtige Leistungsvergütungen zurückgeführt hat.

8. BEURTEILUNG DES DARLEHENS DER FIRMA D ALS HONORAR DES

BESCHWERDEFÜHRERS:

Der Beschwerdeführer wendet sich schließlich noch gegen die Annahme der belangten Behörde, daß der in seiner Buchhaltung als Darlehen der Firma B ausgewiesene Betrag, der nicht an die zwischenzeitig insolvent gewordene Firma B zurückgezahlt, sondern nach Ausbuchung bei der Firma B dem Beschwerdeführer verblieben war, in Wahrheit als Honoraranspruch des Beschwerdeführers gegen die Firma B anzusehen sei.

Diese Annahme hat der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nicht bekämpft. Die belangte Behörde hatte daher keine Veranlassung, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln, zumal es ungewöhnlich wäre, wenn eine insolvent gewordene Firma Darlehensforderungen ungeachtet ihrer Einbringlichkeit abschreiben würde. Der Vorwurf der Willkür, den der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erhebt, ist daher unberechtigt.

Aus den unter Punkt 1 aufgezeigten Gründen war der angefochtene Bescheid insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, als er die Einkommensteuer für die Jahre 1969 bis 1972 einschließlich der Wiederaufnahme der Verfahren betraf. Im übrigen war die Beschwerde gmäß $ 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17 April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2 Sachverhalt Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1986130047.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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