TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/13 90/13/0241

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Veröffentlicht am 13.03.1991
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Index

61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
FamLAG 1967 §26 Abs1;
FamLAG 1967 §26 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Dr. G gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. August 1990, Zl. GA 5-1978/90, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die bescheidmäßige Rückforderung von Familienbeihilfe für die Zeit vom 1. Oktober 1984 bis 31. Dezember 1988 durch das Finanzamt. Die Rückforderung gründet sich im wesentlichen auf den Umstand, daß die am 11. Jänner 1964 geborene Tochter, für welche die Beschwerdeführerin die Familienbeihilfe bezogen hatte, während eines vom Wintersemester 1982/83 bis zum Sommersemester 1988 dauernden Studiums weder positive noch negative Prüfungsergebnisse habe vorweisen können.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr (bis 31. Dezember 1987: 27. Lebensjahr) noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden. Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. September 1990, Zl. 89/14/0070, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, Zl. 86/14/0059, ausgeführt, es sei Ziel einer Berufsausbildung, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehöre regelmäßig auch der Nachweis einer ernstlichen Bemühung um diese Qualifikation. Das Ablegen vorgesehener Prüfungen sei essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Aus dem Erkenntnis Zl. 89/14/0070, auf das der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verweisen kann, geht zudem hervor, daß der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung für sich allein noch nicht ausreicht, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Hinzu muß vielmehr das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, das sich im Antreten zu den erforderlichen (Vor-)Prüfungen zu manifestieren hat. Zwar ist, wie das Erkenntnis Zl. 89/14/0070 weiters darlegt, nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend. Das anspruchsvermittelnde Kind muß aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluß der Berufsausbildung zu erfüllen.

Für den Beschwerdefall ergibt sich aus den Grundsätzen, wie sie in den Erkenntnissen Zl. 86/14/0059 und Zl. 89/14/0070 zum Ausdruck kommen, folgendes:

Die Tochter der Beschwerdeführerin hatte nach der Aktenlage vom Wintersemester 1983/84 bis zum Sommersemester 1988 an der Universität Wien die Studienrichtung Psychologie inskribiert. Für das Studium in der Studienrichtung Psychologie ist eine Studiendauer von zehn Semestern vorgesehen; innerhalb dieser Zeit sind als Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluß des Studiums (Erlangung des Diplomgrades) mehrere Prüfungen (Vorprüfungen und Diplomprüfungen) abzulegen, darunter z.B. die erste Diplomprüfung nach vier Semestern (siehe das Bundesgesetz über geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Studienrichtungen, BGBl. Nr. 326/71, und die Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 31. August 1973 über die Studienordnung für die Studienrichtung Psychologie, BGBl. Nr. 473). Die Tochter der Beschwerdeführerin hat zwar während der gesamten für das Psychologiestudium vorgesehenen Studiendauer an der Universität Wien diese Studienrichtung belegt, in dieser Zeit aber unbestrittenermaßen keine einzige Prüfung abgelegt. Bei einer solchen Sachlage kann nicht mehr im Sinne der Vorjudikatur die Rede davon sein, daß sich die Tochter ernstlich und zielstrebig um die Berufsausbildung in der Studienrichtung Psychologie bemüht hätte. Es wird zwar ein ernstliches und zielstrebiges Studium nicht schon dann in Abrede zu stellen sein, wenn ein Kind mit vorgesehenen Prüfungen durch einige Zeit in Verzug gerät. Ein Studium jedoch, bei dem schon bald nach seinem Beginn Prüfungen abzulegen sind, bei dem das Kind aber während der gesamten Studiendauer zu keiner einzigen Prüfung antritt, kann keinesfalls mehr als Berufsausbildung gewertet werden, mag auch das während des Studiums erworbene Wissen dem Kind später (wie von der Beschwerdeführerin behauptet) beim Beruf des Werbefachmannes dienlich gewesen sein. Es kann daher auch keinen Verfahrensmangel bedeuten, wenn die belangte Behörde Beweise über die Vorteile des Psychologiestudiums für den späteren Beruf des Kindes nicht erhob.

Dem Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Grundsatz von Treu und Glauben ist entgegenzuhalten, daß § 26 Abs. 1 FLAG, wonach derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen hat, eine objektive Erstattungspflicht ohne Rücksicht darauf normiert, ob die Beträge gutgläubig empfangen worden sind oder nicht und ob die Rückgabe eine Härte bedeutet (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1978, Zl. 1019/77, Slg. Nr. 5275/F, und Burkert-Hackl-Wohlmann-Reinold, Kommentar zum Familienlastenausgleich, Kommentierung zu § 26 Seite 1). Selbst wenn man dem Grundsatz von Treu und Glauben im Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 FLAG Raum geben wollte, wäre für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil die Beihilfenbehörde damit, daß sie sich - wenn auch durch mehrere Jahre - mit der Vorlage von Inskriptionsbestätigungen begnügte und keine weiteren Unterlagen zur Prüfung des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beihilfenanspruches (§ 10 Abs. 1 FLAG) anforderte, noch nicht gegen diesen Grundsatz verstieß.

Die Beschwerdeführerin beruft sich schließlich noch auf § 26 Abs. 4 FLAG. Danach sind die Oberbehörden ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre. Diese Bestimmung verhilft der Beschwerde jedoch deshalb nicht zum Erfolg, weil das Gesetz der jeweiligen Partei des Verwaltungsverfahrens keinen Anspruch auf Ausübung dieses Aufsichtsrechts einräumt (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1988, Zl. 85/14/0130, und Burkert-Hackl-Wohlmann-Reinold, aaO, Kommentierung zu § 26 Seite 3).

Die Beschwerdeführerin vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Ihre Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990130241.X00

Im RIS seit

01.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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