TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/19 89/08/0139

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Veröffentlicht am 19.03.1991
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §67 Abs10 idF 1986/111;
ASVG §67 Abs10;
BAO §80;
BAO §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Dipl. Ing. F gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 11. April 1989, Zl. VII/2-3915/6-1989, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 28. Juni 1988 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß der Beschwerdeführer gemäß den §§ 67 Abs. 10 und 83 ASVG verpflichtet sei, der Mitbeteiligten die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin Firma Dipl. Ing. F & Co GmbH in Liquidation (in der Folge: GmbH), rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrag von S 172.672,48 aus der Zeit vom Rest September 1987 bis Dezember 1987 sowie Verzugszinsen ab 1. Mai 1988, berechnet von S 166.867,31, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Nach der Begründung seien die im angeschlossenen Rückstandsausweis vom 28. Juni 1988 ausgewiesenen Beiträge samt Nebengebühren bisher trotz Fälligkeit und Mahnung nicht entrichtet worden. Der Beschwerdeführer sei als Geschäftsführer zur Vertretung des Beitragsschuldners berufen. Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehöre es, dafür zu sorgen, daß die Beiträge bei Fälligkeit entrichtet würden. Da dies schuldhaft unterblieben sei, habe die Haftung ausgesprochen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Einspruch erhoben.

1.2. Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurde dem Einspruch von der belangten Behörde keine Folge gegeben und der Bescheid der Gebietskrankenkasse bestätigt.

In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf den Einspruch des Beschwerdeführers, in dem dieser im wesentlichen vorgebracht habe, daß für die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge mit Schreiben der Mitbeteiligten vom 19. Jänner 1988 ein Zahlungsplan vereinbart worden sei. Dessen erste Rate sei auch eingehalten worden. Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 24. Februar 1988 sei die Beitragsschuldnerin (die GmbH) von Amts wegen aufgelöst und der Beschwerdeführer zum Liquidator bestellt worden. Als solcher habe er das vorhandene Vermögen der Firma zu verwerten und gleichmäßig auf die Gläubiger aufzuteilen, falls eine volle Befriedigung der Schulden nicht möglich sei. Eine volle Befriedigung der Forderungen der Gebietskrankenkasse im Rahmen des vereinbarten Zahlungsplanes hätte demgemäß eine Begünstigung und damit eine strafbare Handlung des Liquidators dargestellt. Der Beschwerdeführer habe daher vorerst die Ratenzahlungen einstellen und die Vermögens- und Liquidationssituation abklären müssen. Eine Schuldhaftigkeit von ihm als Liquidator sei daher nicht gegeben, zumal er von Rechts wegen nicht habe anders handeln können. Als Geschäftsführer sei er den Verpflichtungen stets nachgekommen.

Nach Wiedergabe des § 67 Abs. 10 ASVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwies die belangte Behörde zunächst auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht als Liquidator der GmbH, sondern als deren Geschäftsführer für die rückständigen Beiträge aus der Zeit vom Rest September 1987 bis Dezember 1987 herangezogen worden sei. Laut Abschrift aus dem Handelsregister sei die Auflösung der GmbH erst mit 11. April 1988 erfolgt. Zwar sei richtig, daß der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Jänner 1988 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse herangetreten sei und um Zahlungserleichterung ersucht habe und daß am 19. Jänner 1988 unter Bedachtnahme auf die geschilderten Verhältnisse der Firma zur Begleichung der damaligen Schuld Monatsraten von S 40.000,-- bei Terminverlust bewilligt worden seien, die Vereinbarung jedoch in der Folge nicht eingehalten worden sei. Der Beschwerdeführer sei deshalb auch mit Schreiben vom 9. Mai 1988 davon in Kenntnis gesetzt worden, daß die Mitbeteiligte nun beabsichtige, ihn gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für die offenen Beiträge haftbar zu machen. Dabei sei er auch eingeladen worden, anläßlich einer persönlichen Vorsprache alle jene Tatsachen vorzubringen, welche seiner Ansicht nach gegen eine entsprechende Haftung sprächen. Anläßlich einer persönlichen Vorsprache am 25. Mai 1988 habe der Beschwerdeführer jedoch lediglich erklärt, die Angelegenheit vorerst mit seinem Rechtsfreund besprechen zu müssen und sich anschließend zum Gegenstand zu äußern. Dies sei jedoch nicht geschehen, weshalb der beinspruchte Bescheid von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erlassen worden sei.

Wenn der Beschwerdeführer behauptete, als Liquidator keine Zahlungen an die Mitbeteiligte ohne Bevorzugung anderer Gläubiger leisten zu können, so stehe dem entgegen, daß es sich bei dem Rückstand um Sozialversicherungsbeiträge vom Rest September 1987 bis Dezember 1987 handle. Zu diesem Zeitpunkt sei die GmbH noch voll aufrecht und handlungsfähig gewesen. Geschäftsführer dieser Firma sei der Beschwerdeführer gewesen, der sohin damals in dieser Eigenschaft nicht dafür gesorgt habe, die Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Wenn der Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren vorgebracht habe, seine Berufung als Liquidator sei nicht erst mit der Eintragung ins Handelsregister am 11. April 1988, sondern mit Beschluß des Kreis- als Handelsgerichtes Wels bereits am 24. Februar 1988 erfolgt, so sei dies im Gegenstand insofern ohne Bedeutung, weil es sich bei dem Haftungsbetrag um Beiträge aus Rest September 1987 bis Dezember 1987 handle. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, daß Zahlungen bekanntlich im nachhinein erfolgten, so sei zu erwidern, daß die Beiträge Rest September 1987 bis Dezember 1987 nicht im nachhinein, sondern überhaupt nicht beglichen worden seien, wenngleich laut entsprechenden Erhebungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse noch Anfang Jänner 1988 Lohnzahlungen geleistet worden seien, wie dies aus Bestätigungen der Dienstnehmer hervorginge.

In der weiteren Folge ihrer Begründung verwies die belangte Behörde darauf, daß die ausständigen Beiträge jeweils am Letzten des Monats fällig geworden seien. Die Beiträge seien somit zu einem Zeitpunkt fällig und zu bezahlen gewesen, in welchem die GmbH noch voll aufrecht und handlungsfähig gewesen sei. Es sei auch darauf zu verweisen, daß in den angeführten Beiträgen auch die Dienstnehmeranteile enthalten seien, die den einzelnen Versicherten zwar abgezogen, jedoch nicht an die Kasse abgeführt worden seien. Erst am 15. Jänner 1988 sei der Beschwerdeführer schriftlich an die Mitbeteiligte herangetreten, und habe um Zahlungserleichterung angesucht. Diese sei zwar bewilligt, jedoch in weiterer Folge nur zum Teil eingehalten worden.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG idF der 41. Novelle, BGBl. 1986/111, haften die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge aus Verschulden des Vertreters nicht bei Fälligkeit entrichtet werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. März 1989, G 163/88 und Folgezahlen, die Worte "zur Vertretung juristischen Personen berufenen Personen und die" in § 67 Abs. 10 ASVG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 28. Februar 1990 in Kraft tritt. Da der dem Beschwerdeführer zugrundliegende Tatbestand jedoch vor Aufhebung verwirklicht worden ist und es sich um keinen Anlaßfall handelt, ist die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesstelle im Beschwerdefall gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG weiterhin anzuwenden.

2.2. In der Beschwerde wird - wie im gesamten Verwaltungsverfahren - vorgebracht, der Beschwerdeführer habe ab seiner Bestellung zum Liquidator am 24. Februar 1988 nach dem Gesetz nicht anders handeln können, als das vorhandene Vermögen GLEICHMÄSSIG auf alle Gläubiger aufzuteilen. Auch als Geschäftsführer habe er seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt, weshalb er nicht für die Beitragsschuld hafte. Die belangte Behörde bestätige in ihrem Bescheid, daß der Beschwerdeführer noch am 19. Jänner 1988 Stundungsverhandlungen mit der mitbeteiligten Partei geführt habe. Wenn behauptet werde, daß die Ratenvereinbarung nicht eingehalten worden sei, so müsse darauf hingewiesen werden, daß die Bezahlung der ersten Rate in Form von zwei Schecks a S 20.000,-- seitens der mitbeteiligten Partei akzeptiert worden sei. Wenn diese die übersandten Schecks erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Einlösung bzw. Gutschrift auf das Beitragskonto der Firma bringe, so sei daraus keine Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ableitbar. Sozialversicherungsbeiträge würden jeweils im Folgemonat errechnet und könnten daher erst nach diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden. Die Behauptung der belangten Behörde, die Beiträge Rest September 1987 bis Dezember 1987 seien nicht im nachhinein, sondern überhaupt nicht beglichen worden, sei unrichtig, da auf Grund der Stundungsvereinbarung Zahlungen am

3. und 24. Februar 1988 und am 15. Juli 1988 geleistet worden seien. Bei Terminverlust durch den Abgabenschuldner hätte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Stundungsvereinbarung ablehnen und Zwangsmaßnahmen ergreifen können. Da die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit einer Teilzahlung einverstanden gewesen sei, habe sie stillschweigend für die bis zum Datum der Vereinbarung (19. Jänner 1988) überschrittene Frist auf die Geltendmachung der Haftung des Geschäftsführers verzichtet. Diese Haftung wieder aufleben lassen zu wollen, weil für die Zeit ab dieser Vereinbarung die weitere Entwicklung durch den Liquidationsbescheid vom 24. Februar 1988 und ohne Veranlassung des Beschwerdeführers anders als erwartet verlaufen sei, erscheine unzulässig.

2.3. Die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadensersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Behandlung die von Lehre und Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. die Erkenntnisse vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025, und vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0044) - kann z.B. darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberücksichtigt läßt (vgl. die Erkenntnisse vom 10. Juni 1980, VwSlg. 5494/F, sowie vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013).

Leichte Fahrlässigkeit des Geschäftsführers reicht für die Haftung aus und ist schon dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, mit weiteren Judikaturhinweisen).

2.4. Ein entsprechendes Vorbringen (vgl. zur Behauptungs- und Beweislast auch das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217) hat der Beschwerdeführer - obwohl ihm dazu im Verwaltungsverfahren mehrmals Gelegenheit geboten worden ist - nicht erstattet. So wurde er etwa von der mitbeteiligten Kasse mit Schreiben vom 9. Mai 1988 aufgefordert (vgl. ONr. 9 des Verwaltungsaktes der Kasse), alle Tatsachen vorzubringen, die seiner Ansicht nach geeignet seien, gegen eine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG zu sprechen. Bei einer darauf am 25. Mai 1988 erfolgten Vorsprache hat der Beschwerdeführer erklärt, nach Rücksprache mit seinem Anwalt neuerlich bei der Kasse vorsprechen zu wollen (vgl. die unter der ONr. 10 im Verwaltungsakt erliegende Niederschrift), was jedoch unterblieben ist und zur Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides führte. Zu dem im Rahmen des ergänzenden Ermittlungsverfahrens erfolgten Vorhalt der belangten Behörde, nach Erhebungen der Kasse seien noch Anfang Jänner 1988 Lohnzahlungen geleistet worden, erklärte der Beschwerdeführer lediglich, sich daran nicht erinnern zu können; sollten tatsächlich damals noch Zahlungen geleistet worden seien, so könne es sich nur um Teil/Zahlungen von Löhnen für 1987 beendete Dienstverhältnisse handeln (vgl. ONr. 26 des Verwaltungsaktes).

Das umfangreiche Vorbringen des Beschwerdeführers zu der von ihm namens der Beitragsschuldnerin im Jänner 1988 abgeschlossenen Teilzahlungsvereinbarung und zur Frage, ob diese Vereinbarung in der Folge eingehalten worden ist oder nicht, ist nicht geeignet darzulegen, daß der Beschwerdeführer für die rechtzeitige Entrichtung der Beiträge (gemäß § 58 Abs. 1 ASVG sind die allgemeinen Beiträge am letzten Tag des Kalendermonates fällig) IN DER ZEIT VON SEPTEMBER BIS DEZEMBER 1987 Sorge getragen hat bzw. IN DIESEM ZEITRAUM dem Gleichbehandlungsprinzip entsprochen hat. Dies gilt auch für das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er nach seiner Bestellung zum Liquidator (im Februar 1988) nach dem Gesetz verpflichtet gewesen sei, das vorhandene Vermögen gleichmäßig zu verteilen. Ein allgemeiner Rechtssatz - wie er in der Beschwerde vertreten wird -, wonach auf Grund einer Vereinbarung der Kasse mit dem Beitragsschuldner (der GmbH) über Teilzahlung von rückständigen Beiträgen die Haftung des Geschäftsführers für nicht bei Fälligkeit entrichtete Beiträge "untergeht" bzw. "nicht wieder auflebt", ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

2.5. Auf Grund dieser Erwägungen handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie die Haftung des Beschwerdeführers für die Sozialversicherungsbeiträge der GmbH bejahte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.6. Eine Entscheidung über den Aufwandersatz entfällt mangels eines entsprechenden Begehrens.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989080139.X00

Im RIS seit

19.03.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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