TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/19 86/05/0138

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.1991
beobachten
merken

Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;
B-VG Art18 Abs2;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Juli 1986, Zl. II/2-V-83106/1, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) FA und AA,

2) Stadtgemeinde K), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des auf Grund eines Devolutionsantrages der Erstmitbeteiligten zuständig gewordenen Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Jänner 1986 wurde das Ansuchen der Erstmitbeteiligten um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Zubaues und einer Senkgrube auf den Grundstücken Nr. 158 und Nr. 160/1 des Grundbuches über die Kat.Gem. X im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß die beiden Grundstücke in ihrer derzeitigen Form nicht als Bauplatz angesehen werden könnten, weil ein Teil derselben nach dem geltenden Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche gewidmet sei. Die zu verbauende Fläche schließe nicht an eine bestehende öffentliche Verkehrsfläche an, sondern liege zum Teil im Bereich der ausgewiesenen Verkehrsfläche. Eine baubehördliche Bewilligung habe zwingend einen Bauplatz zur Voraussetzung, welcher jedoch derzeit nicht gegeben sei. Die in Rede stehenden Grundstücke könnten infolge der vorgelagerten Verkehrsfläche nicht als Bauplatz im Sinne des § 100 Abs. 1 der NÖ. Bauordnung 1976 bezeichnet werden. Es müßte daher zunächst der als Verkehrsfläche zusätzlich gewidmete Streifen der beiden Grundstücke in das öffentliche Gut (Verkehrsfläche) abgetreten werden. Dies werde jedoch von den Erstmitbeteiligten abgelehnt, weshalb die beantragte Baubewilligung zu versagen gewesen sei.

Mit Bescheid der NÖ. Landesregierung vom 10. Juli 1986 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Erstmitbeteiligten gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ. Gemeindeordnung 1973 Folge gegeben, der Berufungsbescheid der mitbeteiligten Gemeinde behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat als zuständige Baubehörde verwiesen.

Nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und einer Wiedergabe des Wortlautes des § 100 Abs. 1 und 4 sowie des § 2 Z. 7 der NÖ. Bauordnung 1976 führte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, es stehe unbestritten fest, daß für den Bereich der Kat.Gem. X eine rechtswirksame Plandarstellung eines Bebauungsplanes, in welcher der Verlauf der Straßenfluchtlinien dargestellt sei, nicht vorliege. Mit Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juni 1984 sei der vereinfachte Flächenwidmungsplan für die erwähnte Katastralgemeinde geändert worden. Diese Verordnung, welche mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. März 1985 aufsichtsbehördlich genehmigt worden sei, sei am 20. April 1985 rechtswirksam geworden. Die zugrunde liegende Plandarstellung im Maßstab 1 : 1000, welche auch sämtliche Festlegungen eines Bebauungsplanes enthalte, jedoch bisher als Bebauungsplan nicht rechtswirksam geworden sei, sehe im Bereich der Grundstücke Nr. 158 und Nr. 160/1 des Grundbuches über die Kat.Gem. X eine Verbreiterung der vorbeiführenden Verkehrsfläche in der Weise vor, daß ein Streifen in einer Breite von ca. 2 bis 3,5 m dieser Grundstücke nunmehr als Verkehrsfläche gewidmet sei. Die in der erwähnten Plandarstellung des geänderten vereinfachten Flächenwidmungsplanes eingetragene Grenzlinie zwischen öffentlicher Verkehrsfläche und Privatgrund stelle lediglich eine Widmungsgrenze, jedoch keine Straßenfluchtlinie im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 der NÖ. Bauordnung 1976 dar. Eine derartige Festlegung könne erst im Rahmen eines Bebauungsplanes getroffen werden. Die geänderte Festlegung der Verkehrsfläche könne nach Ansicht der Aufsichtsbehörde daher nur dann für die Versagung einer baubehördlichen Bewilligung als geeignete Grundlage herangezogen werden, wenn die Bauführung (Zubau) im Bereich der als Verkehrsfläche gewidmeten Teilfläche des Bauplatzes erfolgen würde. Dies sei jedoch hier nicht der Fall, da der geplante Zubau an der Rückseite des bestehenden Hauses (Baufläche Nr. 160/1) erfolgen soll. Wie bereits im Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 1983 ausgeführt worden sei, seien nach § 120 Abs. 4 der NÖ. Bauordnung in der Bewilligung einer Bauführung nach § 92 Abs. 2 Z. 1 bis 3, 7 und 8 sowie § 93 auf einem noch unbebauten Grundstück, das nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes oder eines vereinfachten Bebauungsplanes liege, die Straßen- und Baufluchtlinien sowie das Niveau zu bestimmen. Die in Rede stehenden Grundstücke würden im Geltungsbereich des gemäß § 120 Abs. 1 der NÖ. Bauordnung als vereinfachter Bebauungsplan weiter geltenden Regulierungsplanes der mitbeteiligten Gemeinde aus dem Jahre 1966 liegen. In der diesem Regulierungsplan zugrunde liegenden Plandarstellung im Maßstab 1 : 5000 seien auf Grund dieses Maßstabes keinerlei Straßenfluchtlinien festgelegt. Aus der Tatsache des Vorliegens eines vereinfachten Bebauungsplanes biete jedoch die angeführte Bestimmung des § 120 Abs. 4 der NÖ. Bauordnung keine Grundlage, im vorliegenden Verfahren neue Straßenfluchtlinien festzulegen. Nach dem Akteninhalt sei unbestritten, daß die beiden angeführten Grundstücke im Sinne der Bauplatzdefinition des § 2 Z. 7 der NÖ. Bauordnung, wonach ein in der Katastermappe als Baufläche (Bauareal) ausgewiesenes bebautes Grundstück (Nr. 161/1) mit einem an einer oder mehreren Seiten anschließenden Grundstück zusammen als ein Bauplatz gelte, zusammen als ein Bauplatz anzusehen seien. Entgegen der Ansicht der Gemeindebehörde würden daher nach Auffassung der Aufsichtsbehörde keine Tatsachen vorliegen, welche einer Bewilligung des genannten Bauvorhabens entgegenstehen. Insbesondere habe keine gesetzliche Grundlage dafür bestanden, von den Bauwerbern als Voraussetzung der Erteilung der baubehördlichen Bewilligung die Abtretung des zusätzlich als Verkehrsfläche gewidmeten, vor den beiden Grundstücken gelegenen Grundstreifens (Teilungsplan) zu verlangen. Die baubehördliche Bewilligung hätte antragsgemäß erteilt werden müssen. Die Aufsichtsbehörde sei auf Grund dieser Erwägungen der Auffassung, daß die Erstmitbeteiligten durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Durchführung eines den Bestimmungen der NÖ. Bauordnung entsprechenden Verfahrens, insbesondere auf Erteilung der beantragten baubehördlichen Bewilligung, verletzt worden seien.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde eines Anrainers der Erstmitbeteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die Erstmitbeteiligten erwogen:

Zunächst ist in Erwiderung auf ein diesbezügliches Vorbringen in der Gegenschrift darauf hinzuweisen, daß die Beschwerde gemäß § 26 Abs. 2 VwGG auch erhoben werden kann, bevor der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gilt in diesem Falle der Bescheid als an dem Tag zugestellt, an dem der Beschwerdeführer von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat. Die Beschwerdeberechtigung besteht auch dann, wenn der Bescheid zwar erlassen, an den Adressaten nicht gerichtet, diesem aber dennoch zugekommen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1972, Zl. 541/71). Es genügt daher, daß dem Beschwerdeführer mit Schreiben der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. August 1986 eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides übermittelt worden ist. Die innerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG nach der solcherart erfolgten Zustellung des angefochtenen Bescheides eingebrachte Beschwerde ist daher ungeachtet des Umstandes zulässig, daß die Zustellung desselben nicht über Auftrag der belangten Behörde erfolgt ist.

Der Behauptung des Beschwerdeführers, die in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretene Auffassung, es sei bisher kein Bebauungsplan wirksam geworden, sei im Hinblick auf den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag. Abt. 64, vom 10. Jänner 1953 unrichtig, ist zu erwidern, daß mit diesem Bescheid - lediglich - "die Abteilung der Grundstücke 158 und 160 ... auf zwei Trennstücke ... gemäß § 13 Abs. 2 lit. a der Bauordnung ..." sowie die Abschreibung eines Trennstückes und Übertragung desselben in eine neue Einlage genehmigt worden ist. Abgesehen davon, daß Bebauungspläne Verordnungscharakter haben (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1965, Slg. N. F. Nr. 6785/A), enthält der erwähnte Bescheid keine Bestimmungen über die Bebauungsdichte, weshalb der Beschwerdeführer mit der von ihm in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten "Überschreitung der Höchstgrenze der Bebauungsdichte" schon aus diesem Grunde keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes im Sinne des § 118 Abs. 9 der NÖ. Bauordnung 1976 geltend machen kann.

Unter diesem Gesichtspunkt kann es aber auch dahingestellt bleiben, ob die Berufungsbehörde mit Recht davon ausgegangen ist, daß, wie der Beschwerdeführer meint, "zuerst ein Grundstückszusammenlegungsverfahren hätte eingeleitet werden müssen", weil die Vorschriften über die Bauplatzeignung nur den öffentlichen Interessen dienen und daher keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Anrainer begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1985, Slg. N. F. Nr. 11.685/A).

Der Beschwerdeführer weist zwar mit Recht darauf hin, daß ihm die belangte Behörde kein Parteiengehör eingeräumt und ihm nicht einmal den angefochtenen Bescheid zugestellt hat, doch kann er damit für seinen Standpunkt nichts gewinnen, weil sein Übergehen im aufsichtsbehördlichen Verfahren auch unter Zugrundelegung seiner Parteistellung im Sinne des § 118 Abs. 8 leg. cit. nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte, wenn die belangte Behörde im Falle seiner Beiziehung zum aufsichtsbehördlichen Verfahren zu einer Abweisung der Vorstellung der Erstmitbeteiligten gekommen wäre. Auch wenn der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt hätte, die zum Gegenstand seiner Beschwerde gemachten Erwägungen schon während des aufsichtsbehördlichen Verfahrens vorzubringen, wäre aber die belangte Behörde aus den vorstehend dargelegten Gründen zu keinem für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid gekommen, weshalb der geltend gemachte Verstoß gegen Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht wesentlich ist und daher zu keiner Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Diverses BauRallg11/4Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Tod des BeschwerdeführersNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1986050138.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten