TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 88/18/0041

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Veröffentlicht am 22.03.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;
86/01 Veterinärrecht allgemein;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG;
B-VG Art18 Abs1;
FleischUG 1982 §4 Abs2;
FleischUG 1982 §6 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 15. Mai 1987, Zl. 441.159/1-VII/10/87, betreffend Fleischuntersuchung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid vom 15. Mai 1987 wird, soweit darin der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 17. Dezember 1984 bestätigt wird, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde legte dem Verwaltungsgerichtshof nur Teile der das vorliegende Verwaltungsverfahren betreffenden Verwaltungsakten vor, sodaß die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Aktenlage kein vollständiges Bild des Verwaltungsgeschehens bildet. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher bei seiner vorliegenden Entscheidung zufolge § 38 Abs. 2 VwGG hinsichtlich jenes Verwaltungsgeschehens, das nicht durch die ihm vorliegenden Akten dokumentiert ist, von den Behauptungen des Beschwerdeführers aus. Danach liegt folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt vor:

Der Beschwerdeführer wurde mit Verfügung der Stadtgemeinde X vom 11. Juni 1979 zum Fleischbeschauorgan für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung in der Katastralgemeinde Y bestellt und übte diese Tätigkeit in der Folge auch (alleine) aus. Mit Verfügung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 17. Dezember 1984 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 1 des Fleischuntersuchungsgesetzes bis auf weiteres beauftragt, ab 1. Jänner 1985 in den geraden Monaten in dieser Katastralgemeinde die Schlachttier- und Fleischuntersuchung durchzuführen, während für die ungeraden Monate ein anderes Organ für die Durchführung dieser Untersuchungen bestellt wurde. Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer (unter anderem) unter Anführung der Gründe "Aufsichtsbeschwerde" an den Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz mit dem Antrag, "die angefochtene Verfügung des Landeshauptmannes vom 17. Dezember 1984 als gesetzwidrig aufzuheben". Mit Zuschrift des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. Mai 1985 wurde der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt, daß der Bundesminister keinen Anlaß zu einer aufsichtsbehördlichen Verfügung gefunden habe. Im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer bekanntgegebene diesbezügliche Rechtsansicht des Bundesministers erhob der Beschwerdeführer in der Folge beim Landesgericht für ZRS Wien eine Feststellungsklage gegen den Landeshauptmann von Niederösterreich, welche jedoch mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 31. Jänner 1986 wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges rechtskräftig zurückgewiesen wurde.

Mit Antrag vom 29. September 1986 begehrte der Beschwerdeführer "die Erlassung eines Bescheides über die Verfügung des Landeshauptmannes vom 17. Dezember 1984". Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. November 1986 wurde dieser Antrag gemäß § 8 AVG 1950 zurückgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 15. Mai 1987 wurde dieser Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufgehoben. Gleichzeitig bestätigte der Bundesminister den "Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 17. Dezember 1984, GZ. ..., wonach Dr. Otto N beauftragt wurde, ab 1. Jänner 1985 in der KG Y, Gemeinde X, in den geraden Monaten die Schlachttier- und Fleischuntersuchung durchzuführen, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Fleischuntersuchungsgesetzes BGBl. Nr. 522/1982".

Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges im wesentlichen aus, der Verfügung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 17. Dezember 1984 sei Bescheidcharakter zuzuerkennen. Die Berufungsbehörde habe daher nicht nur auf die Einwendungen gegen den angefochtenen Bescheid vom 18. November 1986, sondern auch auf die grundsätzlichen Berufungsausführungen zur Verfügung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 17. Dezember 1984, der Bescheidcharakter zukomme, einzugehen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Betrauung eines anderen Tierarztes mit der Durchführung der Schlachttier- und Fleischuntersuchung in den ungeraden Monaten bedeute für ihn eine de facto-Enthebung in den ungeraden Monaten, die im § 6 Abs. 3 des Fleischuntersuchungsgesetzes keine gesetzliche Deckung finde, sei entgegenzuhalten, daß es dem Landeshauptmann unbenommen bleiben müsse, in Vollziehung der ihm durch die Bundesverfassung übertragenen Organisation der Verwaltung in den Ländern auch den zeitlichen Wirkungsbereich der bestellten Fleischuntersuchungstierärzte in der ihm zweckmäßig erscheinenden Form festzulegen, obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung im Fleischuntersuchungsgesetz fehle. Da es sich um eine dem Ermessen des Landeshauptmannes überlassene rein organisatorische Maßnahme handle, liege sohin nach Ansicht der Berufungsbehörde eine Enthebung im Sinne des § 6 Abs. 3 des Fleischuntersuchungsgesetzes nicht vor. Grundsätzlich stehe keinem freiberuflich tätigen Tierarzt ein Rechtsanspruch auf Bestellung zum Fleischuntersuchungsorgan durch den Landeshauptmann in einem bestimmten Umfang zu. Diese Rechtsauffassung werde durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes erhärtet, wonach einem Fleischuntersuchungstierarzt im Verfahren betreffend Bestellung eines anderen Fleischuntersuchungstierarztes nach dem Fleischuntersuchungsgesetz keine Parteistellung zukomme.

Nur gegen den bestätigenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte - wie eingangs bereits dargelegt - Teile der Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist zu bemerken, daß der Verwaltungsgerichtshof in der "Aufsichtsbeschwerde" gegen die "Verfügung" des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 17. Dezember 1984 eine Berufung im Sinne des § 63 AVG erblickt, enthält dieser Schriftsatz doch alle wesentlichen Merkmale einer Berufung, nämlich Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag. Die unrichtige Bezeichnung als "Aufsichtsbeschwerde" vermag diesem Schriftsatz den Charakter als Berufung nicht zu nehmen, denn dem AVG ist - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat - jeder übertriebene Formalismus fremd (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 491 f zitierte hg. Rechtsprechung). Daß diese Berufung etwa außerhalb der Berufungsfrist erhoben worden wäre, ist den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt somit keine Bedenken gegen die Zuständigkeit der belangten Behörde zu einer materiellen Prüfung des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 17. Dezember 1984 im Sinne der Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG.

Gemäß § 4 Abs. 2 Fleischuntersuchungsgesetz (FlUG)in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 252/1989 hat sich der Landeshauptmann zur Erfüllung der Schlachttier- und Fleischuntersuchung besonders geschulter Organe (Fleischuntersuchungsorgane) zu bedienen. Diese sind vom Landeshauptmann nach Anhören der Gemeinde, in deren Bereich sie

ihre Tätigkeit ausüben sollen, zu bestellen... Als besonders

geschult gelten, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Tierärzte (Fleischuntersuchungstierärzte).

Zufolge § 6 Abs. 3 leg. cit. hat der Landeshauptmann die Beauftragung eines Fleischuntersuchungstierarztes zurückzunehmen, wenn

1.) dessen Befugnis zur Ausübung des tierärztlichen Berufes erloschen ist,

2.) der Tierarzt auf die Ausübung der Fleischuntersuchung verzichtet;

3.) der Tierarzt dauernd unfähig wird, die ihm auf Grund der amtlichen Betrauung obliegenden Pflichten zu erfüllen;

4.) er der Verpflichtung zur Teilnahme an einem Fortbildungslehrgang entgegen den Bestimmungen des § 13 nicht nachkommt oder

5.) der Tierarzt wegen Übertretung nach § 50 öfter als zweimal bestraft wurde.

Im Hinblick auf diese Rechtslage ist der belangten Behörde einzuräumen, daß der Landeshauptmann in Ausübung der ihm durch das Fleischuntersuchungsgesetz übertragenen Aufgaben zwar berechtigt ist, anläßlich der (erstmaligen) Bestellung von Fleischuntersuchungstierärzten auch deren zeitlichen Wirkungsbereich in der ihm zweckmäßig erscheinenden Form festzulegen.

Die belangte Behörde übersieht jedoch, daß - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1986, Zl. 85/09/0166, dargelegt hat - die Beauftragung eines Tierarztes mit den in § 4 FlUG genannten behördlichen Aufgaben durch den Landeshauptmann im Hinblick auf die Regelung des § 6 Abs. 3 leg. cit. zugleich ein subjektives Recht des Fleischuntersuchungstierarztes auf diese Rechtsstellung in sich schließt. In dieses subjektiv-öffentliche Recht des Fleischuntersuchungstierarztes darf nur in den im Gesetz vorgesehenen Fällen, also nur dann, wenn einer der in § 6 Abs. 3 leg. cit. taxativ (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1986, Zl. 85/09/0166) genannten Tatbestände erfüllt ist, eingegriffen werden.

Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Regelung insoferne einen Eingriff in die subjektiv-öffentliche Rechtsstellung des Beschwerdeführers als Fleischuntersuchungsorgan einschließt, als ihm damit die Befugnis, in den ungeraden Monaten jedes Jahres diese Berechtigung auszuüben, entzogen wurde. Wie der Beschwerdeführer zutreffend dartut, kommt dies einer (teilweisen) Zurücknahme der Beauftragung im Sinne des § 6 Abs. 3 Einleitungssatz FlUG gleich, ohne daß einer der in den Ziffern 1 bis 5 dieser Gesetzesstelle taxativ aufgezählten Tatbestände erfüllt wäre.

Entsprechend der oben dargestellten Rechtslage bildet die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung somit einen gesetzwidrigen Eingriff in subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

FormerfordernisseVerbesserungsauftrag Ausschluß BerufungsverfahrenBerufungsrecht Begriff des Rechtsmittels bzw der Berufung Wertung von Eingaben als BerufungenMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988180041.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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