TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/23 90/07/0044

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Veröffentlicht am 23.04.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

VwRallg;
WRG 1959 §54 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N. gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 23. Jänner 1990, Zl. 15.414/02-I5/90, betreffend Ausnahmegenehmigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. Jänner 1990 ließ die belangte Behörde auf Grund eines von der Beschwerdeführerin nachgereichten Antrages "das der wasserrechtlichen Bewilligungsverhandlung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Dezember 1989 zugrunde gelegene Vorhaben 'Abwasserreinigung Werk K - Rohprojekt, Oktober 1989' gemäß § 54 Abs. 3 WRG 1959 als Ausnahme von § 1 Abs. 1 im Zusammenhang mit § 2 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. April 1977 zur Verbesserung der Wassergüte der Donau und ihrer Zubringer, BGBl. Nr. 210/77, in Ergänzung zur Ausnahmegenehmigung vom 5. Jänner 1990, Zl. 15.414/15-I5/89," zu. Dies "bei

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Einführung der Sauerstoffbleiche ab 1. Juli 1991 mit Weiterführung der Hypochloritbleiche bis 31. Dezember 1994,

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Die AOX-Fracht darf nicht größer sein als 120 kg/d.

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vollbiologischer Reinigung der gesamten betrieblichen Abwässer ab 31. Dezember 1993 mit einem Reinigungsgrad bei BSB5 von 95 % und CSB von mindestens 70 %,

-

sowie Inbetriebnahme einer Flockungsfiltration ab 31. Dezember 1993 für die Gesamtabwässer, wobei alle Werte sich auf eine Produktion von max. 120 t Zellstoff atro gebleicht/d und auf eine Produktion von max. 200 t/d Papier beziehen."

In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde zunächst aus, sie habe der Beschwerdeführerin bereits mit Bescheid vom 5. Jänner 1990 eine mit 30. Juni 1995 befristete Ausnahmegenehmigung von der im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Verordnung (DonauVo) hinsichtlich der maximalen Ablauftemperatur aus der Kläranlage erteilt. Nunmehr habe die Beschwerdeführerin ergänzend um eine Ausnahmegenehmigung von der DonauVo für das gleiche Vorhaben insoweit angesucht, als bis zum 31. Dezember 1994 die Durchführung einer biologischen Reinigung der Abwässer nur für die Papierfabrik und die Brüdenkondensate der Zellstoffabrik sowie die Einleitung einer Feststoffracht von 2,06 t/d (SS = suspended solids) im Sinne eines vorgelegten "Stufenplanes" zugelassen werden sollten. Dies habe die Beschwerdeführerin unter Nachreichung einer Stellungnahme ihres Projektanten Dr. F. damit begründet, daß bereits mit Inbetriebnahme der "ersten Stufe der Biologie" den Erfordernissen des § 2 Z. 8 der DonauVo nach weitgehender Entfernung von Fest- und Faserstoffen sowie von biologisch abbaubaren Stoffen entsprochen werde. Demgegenüber sei die belangte Behörde der Auffassung, daß im Hinblick auf anderen Zellstoff- und Papiererzeugungsunternehmen auferlegte Fristen für die Inbetriebnahme von biologischen Reinigungsanlagen für nahezu alle Betriebsabwässer (insbesondere auch für Zellstoff- und Bleichereiabwässer) mit nachgeschalteter Flockungsfiltration es zur Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Beschwerdeführerin gerechtfertigt sei, von dieser die Durchführung einer vollbiologischen Reinigung aller Abwasserströme aus der Zellstoffproduktion einschließlich der gesamten Bleichereiabwässer bis spätestens 31. Dezember 1993 zu verlangen. Da die Abwasserfrachten und die erzielbaren Reinigungsleistungen bekannt seien, lägen ausreichende Grundlagen für die Realisierung der geforderten Maßnahmen vor. Die Entsorgung des zusätzlichen Schlammes aus der biologischen Reinigung könne - wie dies auch bei einem anderen Unternehmen der Fall sei - in der Verbrennungsanlage (allenfalls nach Adaptierung derselben) der Beschwerdeführerin erfolgen. Mit Hilfe einer als Stand der Technik anzusehenden Flockungsfiltration könne im Unternehmen der Beschwerdeführerin eine Feststoffracht von 500 kg/d (gegenüber der von der Beschwerdeführerin angestrebten Fracht an suspended solids von 2,2 t/d) unterschritten werden. Nur eine solche Vorgangsweise könne im Sinne der DonauVo als weitgehende Entfernung von Fest- und Faserstoffen angesehen werden. Dem Fortbetrieb der Hypochloritbleiche, auf den die Beschwerdeführerin bis 31. Dezember 1994 nicht verzichten könne, habe in Anbetracht der bereits erfolgversprechend durchgeführten Probeproduktionen mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff ebenso wie der AOX-Fracht aus der Bleiche bis zu diesem Termin zugestimmt werden können. Weiters sei eine Ausnahmegenehmigung über den bewilligten Zeitraum hinaus, d.h. ab 1. Jänner 1995, nur vorstellbar, wenn - dem Stand der Technik entsprechend - die Abwässer aus der Sauerstoffbleiche eingedampft und verbrannt würden und auf den Einsatz von Hypochlorit verzichtet würde. Die Beschwerdeführerin habe sich in der Kollaudierungsverhandlung betreffend ihr 1983 wasserrechtlich bewilligtes Abwassersanierungsprojekt einverstanden erklärt, die zweite Ausbaustufe (Biologie für die gesamten Zellstoffabwässer) bis Ende 1992 zu verwirklichen. Die spruchgemäß als Voraussetzung für eine Ausnahmegenehmigung nach der DonauVo von der Beschwerdeführerin verlangten Maßnahmen seien sohin auch im Lichte des hg. Erkenntnisses vom 27. September 1988, Zl. 88/07/0014, als zulässig und zumutbar anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, wobei die der Beschwerdeführerin erteilten Auflagen insoferne nicht bekämpft werden, als die Einführung einer vollbiologischen Reinigung der gesamten betrieblichen Abwässer ab 31. Dezember 1993 vorgeschrieben wurde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der von ihr beantragten Ausnahmegenehmigung ohne die beanstandeten im angefochtenen Bescheid enthaltenen einschränkenden Auflagen verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 der auf Grund der §§ 33 und 54 WRG 1959 erlassenen DonauVo ist bei der Handhabung der §§ 30 bis 33 WRG 1959 das Ziel zu verfolgen, an der Donau und an ihren Zubringern einschließlich der Seitenkanäle alle jene Maßnahmen zu treffen, durch die eine Verbesserung der Wassergüte (§ 30 Abs. 2 WRG 1959) herbeigeführt wird.

Gemäß § 2 dieser Verordnung sind zur Erreichung des Zieles nach § 1 bei der Handhabung der §§ 9, 28, 30 bis 33 und 112 WRG 1959 unter Bedachtnahme auf das Ergebnis des Ermittlungsvefahrens im Einzelfall insbesondere folgende Gesichtspunkte zu beachten:

    ..............

    5. Wenn die Abwässer von Betrieben gesondert behandelt

werden, sind sie so zu reinigen, daß das abfließende Abwasser

nicht in schädlichen Mengen giftige, nicht abbaubare,

abbauhemmende, ungelöste Stoffe, Mineralölprodukte sowie

radioaktive Stoffe enthält.

    ..............

8. Bei den Zellstoffwerken ist die beim Aufschluß des Holzes entstehende Ablauge weitgehend zu erfassen und vom Vorfluter fernzuhalten. Dabei ist auf eine möglichst geringe Belastung von Eindampfkondensaten mit organischen Stoffen zu achten. Die Rückgewinnung der beim Aufschluß des Holzes verwendeten Chemikalien ist anzustreben. Produktions- und Betriebsabwässer sind weitgehend im Kreislauf zu führen. Fest- und Faserstoffe sind weitgehend zu entfernen. Menge und Schmutzfracht der Bleichereiabwässer sind durch innerbetriebliche Maßnahmen möglichst gering zu halten. Die in den Restabwässern verbleibenden biologisch abbaubaren Stoffe sind weitgehend zu entfernen.

Gemäß § 54 Abs. 3 WRG 1959 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 252/1990 sind Ausnahmen von wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügungen - die DonauVo ist infolge ihrer Erlassung unter Berufung auf § 54 WRG 1959 als gesetzliche Grundlage als wasserwirtschaftliche Rahmenverfügung anzusehen - im Einzelfall durch Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft zuzulassen, wenn die volkswirtschaftlichen Verhältnisse es erfordern und der Zweck der wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung nicht beeinträchtigt wird.

Prüfungskriterien für eine derartige behördliche Erlaubnis sind zufolge § 54 Abs. 3 WRG 1959 einerseits die Frage des Vorliegens eines durch volkswirtschaftliche Verhältnisse bedingten Erfordernisses und andererseits die Frage, ob der Zweck der wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung nicht beeinträchtigt wird. Ungeachtet der Frage, ob hier die belangte Behörde überhaupt dazu berufen war, Nebenbestimmungen festzulegen, kann die Befugnis der Behörde hiezu im Rahmen einer solchen Ausnahmebewilligung aber - ebensowenig wie im Fall der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für ein Vorhaben - keinesfalls so weit gehen, daß projektsändernde Auflagen vorgeschrieben werden. Vielmehr ist auch im Verfahren gemäß § 54 Abs. 3 WRG 1959 davon auszugehen, daß Gegenstand desselben nur ein umfänglich bestimmtes Vorhaben sein kann und demgemäß allenfalls aus dem Blickwinkel der öffentlichen Interessen festzusetzende Nebenbestimmungen stets auf dieses Vorhaben abgestimmt sein müssen (vgl. hg. Erkenntnisse vom 11. Oktober 1968, Zl. 340/68, und vom 27. Februar 1990, Zl. 89/07/0047).

Aus diesem Blickwinkel ergibt sich, daß die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Nebenbestimmungen in den Rahmen des der wasserrechtlichen Bewilligungsverhandlung des Landeshauptmannes von Niederöstereich zugrunde gelegenen Sanierungsvorhabens der Beschwerdeführerin nicht einfügbar sind. Dadurch daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit den Rahmen des Vorhabens übersteigenden Auflagen verknüpft hat, hat sie die ihr zur Erteilung einer Ausnahme zustehende Befugnis jedenfalls überschritten. Soweit die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 88/07/0014, Slg. NF Nr. 12.782/A, hinweist, kann daraus die Zulässigkeit der von ihr festgesetzen Auflagen nicht abgeleitet werden, weil dem angeführten Erkenntnis - anders als im vorliegenden Beschwerdefall - ein auf § 33 Abs. 2 WRG 1959 gestützter wasserpolizeilicher Anpassungsauftrag für die Abwasserbeseitigungsanlage eines Hotelbetriebes zugrunde lag.

Da sich sohin der angefochtene Bescheid als rechtlich nicht gedeckt erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die Aufhebung hatte ungeachtet der lediglich teilweisen Anfechtung zur Gänze zu erfolgen, weil die mit dem angefochtenen Bescheid erteilte Erlaubnis mit den an sie geknüpften Nebenbestimmungen eine rechtlich untrennbare Einheit bildet.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Im Hinblick auf das Vorliegen einer Entscheidung über die Beschwerde konnte ein Abspruch über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990070044.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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