TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/11 91/14/0052

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Veröffentlicht am 11.06.1991
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §140;
BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs3;
EStG 1972 §34;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Karl Paul I gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 28. Dezember 1990, Zl. 369/1-3/90, betreffend Einkommensteuer 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erklärte für die Streitjahre bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft als Gutsbesitzer einen Gewinn von rund S 1,7 Mio und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß von rund S 74.000,--. An außergewöhnlicher Belastung machte er auch Aufwendungen in der Höhe von S 347.311,-- für seinen seit 1973 verheiratet gewesenen Sohn geltend. Als Begründung hiefür brachte er im Lauf des Verwaltungsverfahrens vor, die Ehe dieses Sohnes sei mit Beschluß des Außerstreitrichters vom 19. Dezember 1986 auf Grund einvernehmlichen Antrags der Ehegatten geschieden worden. Nach der als Voraussetzung dieser Scheidung gemäß § 55a Abs. 2 EheG geschlossenen Vereinbarung habe sein Sohn der geschiedenen Ehefrau zur Abgeltung ihrer Ansprüche an der Ehewohnung - einer dem Sohn des Beschwerdeführers gehörigen Eigentumswohnung im Ausmaß von 92 m2 im 7. Wiener Gemeindebezirk - S 200.000,-- zu bezahlen. Die Entrichtung dieses Betrages habe der Beschwerdeführer ebenso übernommen wie die Abdeckung der Kreditschulden des Ehepaares von S 51.951,-- und S 35.360,--, zu deren Alleinzahlung sich der Sohn im Scheidungsvergleich verpflichtete, und die Zahlung der Schulden seines Sohnes bei dessen Dienstgeber aus einem Gehaltsvorschuß von S 50.000,--. Schließlich habe er seinem Sohn S 10.000,-- als "erste Lebenshilfe" angewiesen. Der Sohn sei auf Grund seiner Vermögens- und Einkommenslage zur Bestreitung dieser Beträge nicht imstande gewesen. Sein Sohn habe aus seiner Anstellung bei einer internationalen Organisation 12 mal jährlich etwas mehr als S 20.000,-- als Lohn erhalten. Daraus habe er seine 1972 geborene eheliche Tochter mit monatlich S 4.000,-- alimentieren müssen. Die Eigentumswohnung sei noch mit Pfandrechten für langfristige Darlehen, die für die Errichtung des Gebäudes verwendet worden seien, von etwas über S 700.000,-- belastet gewesen. Wäre der Beschwerdeführer nicht mit den genannten Beträgen eingesprungen, wäre der Sohn zahlungsunfähig geworden und hätte auf Grund der Satzung seines Dienstgebers den Arbeitsplatz und damit seine Einkunftsquelle verloren. Der Sohn habe lediglich AHS-Ausbildung und sei seit seiner Kindheit durch einen Unfall körperlich behindert (Blindheit auf einem Auge, Verlust der Funktionsfähigkeit einer Hand); er hätte daher mit keinem anderen Arbeitsplatz rechnen können und wäre ebenso wie seine Tochter dem Beschwerdeführer als Unterhaltspflichtigem zur Last gefallen. Außerdem hätte sich der Sohn des Beschwerdeführers wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter strafbar gemacht. Der Beschwerdeführer sei daher rechtlich und sittlich zu den Aufwendungen verpflichtet gewesen. Die Gewährung eines Darlehens zur Überbrückung der Zahlungsschwierigkeiten wäre wegen der Vermögenslage des Sohnes aussichtslos gewesen; die Eigentumswohnung habe keinen die auf ihr lastenden Schulden übersteigenden Wert aufgewiesen, ihre abgenützte Einrichtung hätte keinen Erlös mehr erbracht; der Sohn hätte außerdem nicht die Mittel gehabt, sich in Wien eine Mietwohnung zu beschaffen. Zwar habe der Sohn 1976 vom Beschwerdeführer, der ihn wegen der Zerwürfnisse im Zusammenhang mit der Eheschließung enterbt hatte, auf Grund eines Notariatsaktes (Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag) S 1,000.000,-- zur Anschaffung der Eigentumswohnung erhalten. Von diesem Betrag seien S 303.360,-- an die Wohnbaugesellschaft gezahlt, S 200.000,-- seien für Einrichtungsgegenstände aufgewendet worden. 1976 und 1982 habe der Sohn jeweils einen Gebrauchtwagen um S 100.000,-- angeschafft. Weitere Beträge seien von ihm in den Folgejahren für anderweitige Haushaltsartikel, Geschirr, Wäsche, Ergänzung von abgewohnten Einrichtungsgegenständen, für die Neueinrichtung des Kinderzimmers der Tochter und schließlich für den laufenden Lebensunterhalt verwendet worden, weil er ab 1978 Alleinerhalter der Familie gewesen sei. Von der Pflichtteilsabfindung sei daher zur Zeit der Scheidung nichts mehr vorhanden gewesen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid anerkannte die belangte Behörde im Instanzenzug die erwähnten Aufwendungen für den Sohn nicht als außergewöhnliche Belastung. Sie verneinte die Zwangsläufigkeit mit der Begründung, zwar hätte der Sohn bei den sich ergebenden monatlichen Belastungen (Tilgung der Darlehen für die Wohnung sowie Betriebskosten S 5.528,--, Alimente für die Tochter S 4.000,--, Strom und Telefon S 1.000,--, Kreditrückzahlung S 5.513,--) mit den von ihm monatlich erzielten Einkünften (S 20.109,--) nicht das Auslangen gefunden. Er habe jedoch über die Eigentumswohnung verfügt. Auch der Wert der Einrichtungsgegenstände (geschätzt S 50.000,--) sei zu berücksichtigen. Bei Verkauf der Eigentumswohnung samt Einrichtung wäre nach Abzug der auf der Wohnung lastenden Schulden noch ein Überschuß von S 437.027,-- verblieben. Darüber hinaus sei die Wertsteigerung, die die Wohnung im Verlaufe der zehn Jahre mit Sicherheit erfahren habe, zu berücksichtigen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre daher ein noch größerer Überschuß verblieben. Es sei deshalb weder Überschuldung noch eine existenzbedrohende Notlage vorgelegen. Umstände, die den Verkauf der Wohnung unzumutbar gemacht hätten, seien nicht vorgebracht worden. Bei der Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit seien nicht nur die Einkommensverhältnisse, sondern auch die Vermögensverhältnisse heranzuziehen, weil erforderlichenfalls auch der Stamm des Vermögens zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten herangezogen werden müsse. Die Erfahrung zeige, daß für Einrichtungsgegenstände nicht unbeachtliche Ablösen verlangt und bezahlt würden, weshalb der Einwand, aus dem Verkauf der Einrichtungsgegenstände sei kein Erlös zu erzielen gewesen, nicht überzeuge. Darüber hinaus sei im Scheidungsvergleich festgehalten, daß der Sohn des Beschwerdeführers den Betrag von S 200.000,-- an seine geschiedene Frau als Abgeltung für deren Ansprüche an der Ehewohnung bezahle. Dieser Verbindlichkeit stehe daher ein Wert, nämlich die Wohnung gegenüber, der in das Vermögen des Sohnes falle. Hinsichtlich dieser Verbindlichkeit könne schon deshalb keine Pflicht des Vaters zur Abdeckung bestehen, weil eine solche auf das nicht zu rechtfertigende Ergebnis hinausliefe, einen Teil der Anschaffungskosten einer Wohnung im Wege der Steuerermäßigung nach § 34 EStG 1972 auf die Allgemeinheit zu überwälzen. Der vom Beschwerdeführer abgedeckte Bankkredit sei ebenfalls vom Ehepaar aufgenommen worden, sodaß der Beschwerdeführer mit seiner Zahlung auch eine Schuld der Schwiegertochter beglichen habe, wozu jede rechtliche und sittliche Pflicht gefehlt habe. Dem Beschwerdeführer müsse auch entgegengehalten werden, daß von seinem Sohn nicht die endgültige, sondern lediglich die vorschußweise Tragung der Aufwendungen hätte verlangt werden können. Dabei hätte es sich nur um eine Vermögensumschichtung gehandelt, die keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung hätte finden können. Dem Einwand des Beschwerdeführers, der Sohn hätte mit seinem Einkommen nicht das Auslangen gefunden, sei entgegenzuhalten, daß durch die vorschußweise Abdeckung der Schulden die monatlichen Belastungen an Darlehensrückzahlung (S 5.313,--) weggefallen wären, andererseits die Einkünfte des Sohnes bei der gleichen Ausgabensituation eine wesentliche Steigerung erfahren haben, da der Sohn bereits 1988 über ein monatliches Nettoeinkommen von S 27.491,-- verfügt habe.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in dem Recht auf Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung durch die erwähnten Aufwendungen für seinen Sohn verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist vor dem Verwaltungsgerichtshof strittig, ob die belangte Behörde auf Grund der von ihr festgestellten Ermittlungsergebnisse die Voraussetzung der Zwangsläufigkeit einer außergewöhnlichen Belastung hinsichtlich der Aufwendungen des Beschwerdeführers für seinen Sohn aus Anlaß dessen Scheidung verneinen durfte.

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1972 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Tatsächliche Gründe sind solche, die den Steuerpflichtigen unmittelbar selbst treffen. Sie kommen daher im Beschwerdefall nicht in Betracht.

Als rechtlichen Grund mußte die belangte Behörde nur die gesetzliche Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern berücksichtigen. Aus ihr erfließt keine Verbindlichkeit der Eltern, für die von den Kindern eingegangenen Schulden aufzukommen. Sie müssen den Kindern lediglich den anständigen Unterhalt gewähren, wenn diese nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ihn sich zu verschaffen. Für die Aufwendungen des Beschwerdeführers zur Entschuldung seines Sohnes durfte die belangte Behörde daher eine Zwangsläufigkeit aus rechtlicher Pflicht verneinen. Im Hinblick auf die Einkommenslage des Sohnes des Beschwerdeführers im Jahr 1986 aus einem aufrechten Dienstverhältnis lag aber auch kein (auch nur teilweiser) Verlust der Selbsterhaltungsfähigkeit vor. Der Beschwerdeführer hatte daher keine Aufwendungen aus der elterlichen Unterhaltspflicht zu erbringen. Damit erübrigte sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob Hindernisse für das Wiederaufleben der Unterhaltspflicht im Falle des Verlustes der Selbsterhaltungsfähigkeit vorgelegen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1990, 89/14/0243, ÖStZB 1990, 311).

Zu prüfen ist daher noch, ob den Beschwerdeführer im Streitjahr eine sittliche Pflicht zur Aufwendung traf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, daß von einer sittlichen Pflicht nicht schon dann gesprochen werden kann, wenn eine Handlung von der Sittenordnung gutgeheißen wird, sondern nur dann, wenn entsprechendes Handeln von ihr gefordert ist. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen, in dem das Rechtsgefühl der Gemeinschaft zum Ausdruck kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnisse vom 23. April 1985, 84/14/0158, ÖStZB 1985, 358).

Gerät ein Kind durch Schulden in Zahlungsschwierigkeiten und damit in Bedrängnis, wie dies vom Beschwerdeführer hinsichtlich seines Sohnes behauptet wurde, so hängt die Pflicht der Eltern zur Unterstützung nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen u.a. davon ab, auf Grund welcher Umstände die Schulden, die die Zahlungsschwierigkeiten bewirken, entstanden. Liegt die Ursache ihrer Entstehung in schicksalhaften Ereignissen, wird eine sittliche Pflicht zum Beistand auf angemessene Art und in angemessenem Ausmaß bestehen. Ist die Verschuldung aber etwa auf unverhältnismäßigen Lebensaufwand oder durch freiwillige Übernahme unangemessener Pflichten herbeigeführt worden, ist nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen die Unterstützung des solcherart in Not geratenen Kindes nicht sittliche Pflicht der Eltern, mag die Unterstützung auch nach der Sittenordnung durchaus noch gutzuheißen sein. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach dargelegt hat, besteht keine sittliche Pflicht, Angehörige aus einer Notlage zu befreien, die ohne besondere Notwendigkeit oder leichtfertig herbeigeführt wurde (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 7. Dezember 1988, 88/13/0020, ÖStZB 1989, 212, und vom 26. April 1989, 86/14/0085, ÖStZB 1989, 411). Entspringen die Schulden, die die Bedrängnis herbeiführen, der privaten Lebensführung und befindet sich der in Not Geratene in durchschnittlichen Einkommensverhältnissen, so muß derjenige, der aus ihnen eine sittliche Pflicht zur Unterstützung und aus dieser wieder eine steuerliche Begünstigung ableiten will, schon im Verwaltungsverfahren aus eigener Initative darlegen und nachweisen bzw. glaubhaft machen, daß die Verschuldung nicht durch das freiwillige Eingehen unangemessener Verpflichtungen, also durch im Verhältnis zur Einkommens- und Vermögenslage unangemessene Ausgaben herbeigeführt wurde, sondern durch einen schicksalhaften Verlauf verursacht ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, tritt bei Begünstigungstatbeständen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der Begünstigungswerber hat also selbst und aus eigenem Antrieb auch negative Voraussetzungen der angestrebten Begünstigung darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1989, 88/16/0183, ÖStZB 1989, 316, und vom 22. Mai 1990, 90/14/0033, ÖStZB 1991, 148).

Behauptungen, die einen Schluß in dieser Richtung zulassen, trug der Beschwerdeführer nie vor. Der Sohn des Beschwerdeführers hatte als Angestellter einer internationalen Organisation, wenn man seinen Gehaltsvorschuß (S 60.000,-- rückzahlbar in 30 Monaten), aus dessen Rückzahlung sich eine Verringerung seiner monatlichen Einkünfte ergab, außer Betracht läßt, ein für österreichische Verhältnisse überdurchschnittliches monatliches Nettoeinkommen (vgl. Statistisches Handbuch für die Republik Österreich 1986, S 177 ff). Außerdem hatte der Sohn 1976 eine Pflichtteilsabfindung von 1 Mio Schilling erhalten und diese nur zu einem Bruchteil widmungsgemäß für Anschaffung und Einrichtung der Eigentumswohnung verwendet, im übrigen jedoch für Autokäufe, für Neueinrichtungen und für den laufenden Lebensunterhalt. Bei dieser Situation mußte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, daß der Sohn des Beschwerdeführers schicksalhaft in eine finanziell bedrängte Lage geraten war. Schließlich boten sich auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Sohn des Beschwerdeführers durch von ihm nicht zu vertretende Umstände, also durch einen schicksalhaften Verlauf, dazu gezwungen gewesen wäre, eine nicht im Verhältnis zu seinem Einkommen und seinem Vermögen stehende Verpflichtung gegenüber seiner Frau aus Anlaß einer einverständlichen Scheidung vergleichsweise zu übernehmen (Wohnungsabfindung von S 200.000,-- und Übernahme der gemeinsamen Schulden zur Alleinzahlung). Nach dem Urteil billig und gerecht denkener Menschen trifft die Eltern eines Kindes grundsätzlich keine sittliche Pflicht, die aus dessen einverständlichen Scheidungen entstehenden Schulden und Schuldübernahmen zu finanzieren.

Daher kam auch der im übrigen unrichtigen Ansicht des Beschwerdeführers, sein Sohn hätte sich der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter ausgesetzt, Bedeutung nicht zu. Abgesehen davon reicht auch nach der Anspannungstheorie die Unterhaltspflicht nicht weiter als die Leistungskraft des Unterhaltspflichtigen. Ist der Unterhaltspflichtige auch bei Anspannung seiner Kräfte zur Erzielung höheren Einkommens nicht in der Lage, hat er eine hiedurch verursacht Unterversorgung der Berechtigten weder zivil- noch strafrechtlich zu verantworten.

Der Beschwerdeführer ist aber auch im Unrecht, wenn er meint, bei Prüfung der Notlage seines Sohnes müßte eine kapitalisierte Unterhaltspflicht für dessen Tochter von S 864.000,-- in Anschlag gebracht werden. Abgesehen davon, daß die Unterhaltspflicht nur bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit dieses Kindes reicht, ist für die im vorliegenden Zusammenhang allein ausschlaggebende finanzielle Bedrängnis des Sohnes des Beschwerdeführers im Streitjahr nur die laufende Pflicht zur Unterhaltsleistung von Bedeutung. Aus einem Erlös bei Verkauf der Eigentumswohnung mußte der Sohn des Beschwerdeführers nämlich nicht die Unterhaltsleistungen für die damals 14-jährige Tochter für weitere 18 Jahre im voraus entrichten. Nicht die belangte Behörde, sondern der Beschwerdeführer irrt daher auch in diesem Punkt.

Da der Beschwerdeführer durch Vorhalt der Behörde zur Beantwortung der Frage aufgefordert worden war, warum ein Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsproblemen seines Sohnes nicht genügt hätte, wäre es seine Aufgabe gewesen, den Schätzwert der Eigentumswohnung und ihrer Einrichtung auf fachkundiger Basis nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen. Dies unterließ er; statt dessen begnügte er sich mit allgemeinen Darlegungen, obwohl er als derjenige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nehmen wollte, die finanzielle Notlage seines Sohnes und damit auch den geringeren Wert der diesem Sohn gehörigen Wirtschaftsgüter nachzuweisen gehabt hätte. Diesen allgemeinen, nicht aussagekräftigen Darlegungen des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde die Erfahrungstatsachen steigender Grundstückspreise in der Großstadt sowie das Ansteigen des Baukostenindex in den letzten zehn Jahren seit Errichtung des Gebäudes entgegenhalten, ohne sich hiedurch dem Vorwurf der Rechtswidrigkeit auszusetzen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag es daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, daß die belangte Behörde feststellte, ein Verkauf der Wohnung hätte noch einen solchen Überschuß erbracht, daß von einem Notstand des Sohnes des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden könne oder zumindest der Beschwerdeführer im Vermögen seines Sohnes eine ausreichende Sicherheit für ein Überbrückungsdarlehen gefunden hätte. Daß ein solches zur Beseitigung vorübergehender Engpässe ausreicht, um einer allfälligen sittlichen Pflicht zur Befreiung naher Angehöriger aus bedrängter Lage zu genügen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen (vgl. dessen Erkenntnis vom 1. März 1989, 85/13/0091, ÖStZB 1989, 361).

Selbst wenn dem Sohn des Beschwerdeführers daher Insolvenz sowie auf Grund der Satzung seines Dienstgebers für diesen Fall der Verlust des Arbeitsplatzes gedroht hätte und ihm wegen seiner körperlichen Behinderung und seiner Vorbildung die Erlangung eines anderen Arbeitsplatzes nicht möglich gewesen wäre, hätte daher ein Überbrückungsdarlehen des Beschwerdeführers, das wegen der bloßen Vermögensumschichtung keine außergewöhnliche Belastung mit sich gebracht hätte, die Möglichkeit geboten, die bevorstehende Gefahrenlage zu beseitigen. Es ist daher auch ohne Bedeutung, daß die belangte Behörde das Einkommen des Sohnes des Beschwerdeführers im Jahre 1988 erwähnte.

Aus den bereits dargelegten Gründen durfte die belangte Behörde von dem von ihr festgestellten Sachverhalt ausgehen ohne hiedurch Verfahrensvorschriften zu verletzen. Weitere Ermittlungen durch sie von Amts wegen waren weder indiziert noch notwendig.

Dem angefochtenen Bescheid haftet daher weder eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften an, die den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzt.

Die Beschwerde mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991140052.X00

Im RIS seit

11.06.1991

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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