TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/12 88/13/0170

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Veröffentlicht am 12.06.1991
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Index

21/02 Aktienrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/03 Steuern vom Vermögen;
33 Bewertungsrecht;

Norm

AktG 1965 §1;
BAO §24 Abs1 litc;
BewG 1955 §10 Abs1;
BewG 1955 §10 Abs2;
BewG 1955 §13 Abs2;
VermStG §1 Abs1 Z2 lita;
VermStG §7 Z1 litb;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1992/4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Verlassenschaft nach R gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. Juli 1988, Zl. 6/1-1082/86, betreffend Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1982 und dem 1. Jänner 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Dezember 1979 erwarben G und sein Sohn U zu einem Kaufpreis von S 25,000.000,-- das gesamte Aktienkapital einer schweizerischen Aktiengesellschaft, deren "einziges Vermögen" ein in Österreich gelegener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb ist; diesen Betrieb wollten die beiden Erwerber gemeinsam bewirtschaften.

Im Jahr 1981 übertrug G 49 Prozent des Aktiennominales an seine Ehefrau R. Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Bewertung dieser Aktien zu den Stichtagen 1.1.1982 und 1.1.1983.

Den Verwaltungsakten ist dazu folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt zu entnehmen:

Im Zuge der Vermögensteuerveranlagungen zu den beiden genannten Stichtagen leitete das Finanzamt den gemeinen Wert der Aktien gemäß § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Bewertungsgesetz von den seinerzeitigen Anschaffungskosten ab und setzte ihn mit S 12,250.000,-- (= 49 Prozent von S 25,000.000,--) fest.

In ihrer Berufung gegen die beiden Vermögensteuerbescheide beantragte R, die Aktien mit dem Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zu bewerten. Eine Ableitung aus den seinerzeitigen Anschaffungskosten widerspreche der Erlaßmeinung des Bundesministeriums für Finanzen, wonach bei der Bewertung nur Verkäufe innerhalb eines Zeitraumes von etwa sechs Monaten vor und nach dem Bewertungsstichtag herangezogen werden könnten. Die einzelnen Aktien seien praktisch unverkäuflich, weil sinnvollerweise nur der gesamte Aktienbesitz verkauft werden könne. Das Aktienvermögen sei "deckungsgleich mit dem Eigentum an den land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken".

Nach Ergehen von zwei abweisenden Berufungsvorentscheidungen beantragte R die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, daß der Anschaffungspreis der Aktien nachträglich um insgesamt S 660.000,-- herabgesetzt worden sei.

Die belangte Behörde forderte R auf, mitzuteilen, ob irgendwelche Umstände eingetreten seien, die für 1982 oder 1983 einen anderen Wert als den seinerzeitigen Kaufpreis in Höhe von S 25,000.000,-- rechtfertigen würden.

Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Am 6. Mai 1987 verstarb R.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 15. Mai 1987 brachte der Steuerberater der Verstorbenen vor, daß der Berufungsantrag "auf Bewertung des Aktienbesitzes mit dem Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zuzüglich Einheitswert des Schloßgebäudes" laute. Auf die Frage des Vorsitzenden des Berufungssenates, ob der Wert des land- und forstwirtschaftlichen Besitzes einschließlich des Schlosses seit der Anschaffung der Aktien wesentlich geringer geworden sei, verwies der Steuerberater "auf das allgemein zu beobachtende Waldsterben". Sonst sei ihm "kein Umstand bekannt".

Die belangte Behörde gab der Berufung teilweise statt, indem sie die nachträgliche Minderung der Anschaffungskosten der Aktien um S 660.000,-- berücksichtigte. Im übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die von der Verlassenschaft nach R eingebrachte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Mit der Bewertung des streitgegenständlichen Aktienvermögens hat sich der Gerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 29. Mai 1985, Zl. 83/13/0224, betreffend den Ehegatten der R befaßt. Er hat dabei zu Recht erkannt, daß für den begehrten "Durchgriff" auf das Vermögen der Aktiengesellschaft, das als land- und forstwirtschaftliches Vermögen mit einem am Ertragswert orientierten Einheitswert bewertet wurde, jede gesetzliche Deckung fehle. Vielmehr bestimme § 13 Bewertungsgesetz, daß für die Bewertung von Aktien deren Kurswert bzw., soweit sie im Inland keinen Kurswert haben, der gemeine Wert maßgebend sei. Dieser sei aus Verkäufen abzuleiten oder zu schätzen.

Weder die Rechtslage noch die tatsächlichen Verhältnisse habe seither eine Änderung erfahren.

Die Auffassung der Beschwerdeführerin, für die Bewertung der Aktien seien die Bewertungsgrundsätze maßgebend, nach denen das Vermögen der Aktiengesellschaft zu bewerten sei, widerspricht der Rechtslage. Sie läßt den Umstand unberücksichtigt, daß einer Aktiengesellschaft Rechtspersönlichkeit zukommt und sie daher selbst Träger von Rechten und Pflichten ist. Ihr Vermögen ist allein ihr zuzurechnen. Das Vermögen der Aktionäre ist losgelöst vom Vermögen der Aktiengesellschaft nach eigenen, im Bewertungsgesetz normierten Vorschriften zu ermitteln. Daß der Einheitswert eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes beachtlich von jenem Wert abweichen kann, den ein Erwerber des Betriebes zu zahlen bereit ist, erklärt sich aus den unterschiedlichen Bewertungsvorschriften.

Es mag zutreffen, daß diese Abweichung im Beschwerdefall besonders deutlich in Erscheinung tritt, weil der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens der Aktiengesellschaft einschließlich des Wertes des Schlosses mit S 1,212.000,-- bloß einen Bruchteil des Wertes der Aktien beträgt. Das ändert aber nichts daran, daß die Aktien im Dezember 1979 um insgesamt S 25,000.000,-- erworben wurden und die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nichts vorgebracht hat, was auf einen überhöhten Kaufpreis oder eine zwischenzeitige Wertminderung schließen ließe.

Unzutreffend ist auch das Beschwerdevorbringen, die Stellung der Aktiengesellschaft lasse sich "als Treuhandschaft verstehen"; ihr Vermögen sei in Wahrheit direkt den Aktionären als Treugeber zuzurechnen. Diesem Argument liegt offensichtlich die Überlegung zugrunde, daß die Aktionäre bei Erwerb der Aktien nicht an deren Wert, sondern direkt am Wert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens der Aktiengesellschaft interessiert gewesen waren. Eine derartige Motivation für den Kauf von Aktien führt jedoch keinesfalls dazu, das Vermögen der Aktiengesellschaft zu einem Treuhandvermögen der Aktionäre umzudeuten.

Die Ausführungen in der Beschwerde, die sich mit einer seit Erwerb der Aktien eingetretenen Wertminderung befassen, verstoßen gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG). Die Beschwerdeführerin bzw. ihr steuerlicher Vertreter haben den diesbezüglichen schriftlichen Vorhalt der belangten Behörde überhaupt nicht beantwortet und in der mündlichen Berufungsverhandlung auf abermalige Befragung durch den Vorsitzenden des Berufungssenates lediglich "auf das allgemein zu beobachtende Waldsterben" hingewiesen, ohne konkrete Auswirkungen auf die Wertentwicklung der Aktien auch nur anzudeuten. Der Vorwurf, die belangte Behörde habe bei der Wertermittlung gegen ihre amtswegige Ermittlungspflicht verstoßen, erweist sich daher als unberechtigt.

Auch der Rüge, die belangte Behörde habe es zu Unrecht unterlassen, das sogenannte Wiener Verfahren anzuwenden, ist das Neuerungsverbot entgegenzuhalten, weil es sich bei diesem Verfahren um eine Schätzung handelt, die dem Bereich der Sachverhaltsermittlung zuzuordnen ist und sich die belangte Behörde zur Schätzung nicht veranlaßt sah, weil sie den Wert der Aktien gemäß § 13 Abs. 2 Bewertungsgesetz aus Verkäufen abgeleitet hat, ohne daß die Beschwerdeführerin - wie bereits erwähnt - einen überhöhten Kaufpreis oder einen nachträglichen Wertverlust der Aktien behauptet hätte.

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unberechtigt und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsfrage nicht erwarten ließ.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 107/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988130170.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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