TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/19 91/03/0004

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Veröffentlicht am 19.06.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VStG §19;
VStG §24;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. November 1990, Zl. 11-75 Scho 16-90, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung der unter den Punkten 1-3 getätigten Aussprüche über die verhängten Strafen einschließlich der damit verbundenen Kostenbeiträge wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; in Ansehung der Schuldsprüche und in Ansehung des zu Punkt 4 getätigten Strafausspruches wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg verhängte mit Straferkenntnis vom 27. Dezember 1989 über den Beschwerdeführer wegen der von ihm am 14. November 1988 begangenen Übertretungen des 1) § 7 Abs. 2 StVO, 2) § 4 Abs. 1 lit. a StVO und 3) § 4 Abs. 5 StVO und wegen der von ihm am 15. November 1988 begangenen Übertretung des 4) "§ 5/2 StVO iVm 99/2b StVO" Geldstrafen von zu 1) und 2) je S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 6 Tage und 6 Stunden), zu

3) S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 18 Stunden) und zu 4) S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Tage und 18 Stunden).

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er die Höhe der verhängten Geldstrafen bekämpfte. Er bemängelte darin, daß von der Erstbehörde seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht erhoben worden seien und brachte dazu vor, daß er nur über ein Einkommen verfüge, das in Anbetracht seiner Sorgepflicht unter dem Existenzminimum liege. Er stellte den Berufungsantrag, die verhängten Strafen auf ein bestimmtes Maß herabzusetzen.

Nach Erhebung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers wies die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 12. November 1990 die Berufung gegen Punkt 4) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ab. Im übrigen gab die Steiermärkische Landesregierung der Berufung teilweise Folge und setzte die Strafen zu Punkt 1) und 3) auf je S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 2 1/2 Tage) und zu Punkt 2) auf S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 1/2 Tage) herab. Ferner änderte sie den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dahingehend ab, daß die dem Beschwerdeführer im Punkt 4) zur Last gelegte Verwaltungsübertretung der Bestimmung des § 5 Abs. 2 StVO in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. unterstellt werde. In der Begründung wurde ausgeführt, daß mit der Berufung nur die Höhe der verhängten Strafen bekämpft werde, weshalb der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen sei. Da der Beschwerdeführer keine einschlägigen Vorstrafen aufweise, könne mit den unter den Punkten 1) bis 3) herabgesetzten Geldstrafen das Auslangen gefunden werden, um den Beschwerdeführer von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Die aus dem Akt ersichtlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliches Einkommen von S 20.000,-- bis S 30.000,-- abzüglich Miete und Schulden, Sorgepflicht für zwei minderjährige Kinder) seien nicht geeignet, den Strafbetrag weiter herabzusetzen. Strafen müßten einen immerhin spürbaren Nachteil darstellen, um der Begehung derartiger Übertretungen wirksam vorbeugen zu können. Im übrigen solle auch aus generalpräventiven Erwägungen eine abschreckende Wirkung erzielt werden. Zu Punkt 4) sei jedoch das Vorliegen einer verwaltungsstrafrechtlichen und auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vormerkung als erschwerend zu werten. Dem Antrag auf Herabsetzung der Strafe habe in diesem Punkte auch unter dem Gesichtspunkte der generalpräventiven Wirkung nicht stattgegeben werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erstattete zur Gegenschrift der

belangten Behörde eine Äußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Obwohl die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausging, daß vom Beschwerdeführer mit der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis nur die Höhe der verhängten Strafen bekämpft wurde, die Schuldsprüche sohin in Rechtskraft erwachsen seien, wurde von ihr mit dem Spruch des angefochtenen Bescheides auch über die Schuldsprüche des erstinstanzlichen Straferkenntnisses entschieden und der Schuldspruch zu Punkt 4) in Ansehung der verletzten Verwaltungsvorschrift abgeändert. Dies stellt zwar eine Rechtswidrigkeit dar, doch wurde der Beschwerdeführer dadurch in keinem Recht verletzt. Der Beschwerdeführer hatte keinen Anspruch auf Fällung einer Sachentscheidung in der Schuldfrage, da darüber bereits rechtskräftig entschieden worden war (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1987, Zl. 86/03/0158, und vom 14. Dezember 1988, Zlen. 88/03/0074, 0140, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur). Das zur mangelnden Konkretisierung der Tat in der Beschwerde erstattete Vorbringen geht demnach fehl. In Ansehung der Schuldsprüche ist die Beschwerde unbegründet.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Strafbemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Rahmens stellt eine Ermessenentscheidung dar. Dem Art. 130 Abs. 2 B-VG zufolge liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Die Behörde hat daher - in Anwendung der Bestimmung des § 60 AVG 1950, der gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist - in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Slg. Nr. 10077/A).

Was die bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigenden Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers anlangt, hatte es die Erstbehörde unterlassen, darüber Feststellungen zu treffen, was vom Beschwerdeführer in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis zu Recht gerügt wurde, wobei er bezüglich seines Einkommens vorbrachte, daß dieses nach Abzug der Sorgepflichten unter dem Existenzminimum liege. Die belangte Behörde hat zwar die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers erhoben, die in dem Bericht des Gendarmeriepostens Stainz vom 7. März 1990 festgehalten sind. Obwohl aber das Ergebnis dieser Ermittlungen in Ansehung der Einkommensverhältnisse von der vom Beschwerdeführer in der Berufung aufgestellten Behauptung abweicht, wurde allein dieses von der belangten Behörde der Strafbemessung zugrunde gelegt, ohne dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wie von ihm in der Beschwerde behauptet wird. Gegenteiliges ist weder den Verwaltungsstrafakten noch der Gegenschrift der belangten Behörde zu entnehmen. Wohl wurden von der belangten Behörde die unter den Punkten 1) bis 3) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ausgesprochenen Strafen mit der Begründung herabgesetzt, daß der Beschwerdeführer in diesen Fällen keine einschlägigen Vorstrafen aufweise, eine weitere Herabsetzung jedoch ausdrücklich auch in Hinsicht auf die von ihr erhobenen und in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht für vertretbar erachtet, ohne sich mit der zu ihren Erhebungen in Ansehung der Einkommensverhältnisse erheblich divergierenden Behauptung des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Wenn die belangte in der Gegenschrift meint, sie vermöge mangels eines konkretisierten Vorbringens des Beschwerdeführers darüber, von welchen Vermögensverhältnissen und von welchen anderen als den aus dem Akt ersichtlichen Einkommensverhältnissen sie ausgehen hätte müssen, nicht zu erkennen, daß im gegenständlichen Fall ein Verfahrensmangel vorliege, ist ihr zu entgegnen, daß vom Beschwerdeführer mit seiner schon in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgestellten Behauptung, es liege sein Einkommen nach Abzug der Sorgepflichten unter dem Existenzminimum, eine konkrete Einwendung erhoben wurde, zu der die von ihr erhobenen und der Strafbemessung zugrunde gelegten Einkommensverhältnisse in Widerspruch standen. Die Annahme der belangten Behörde, es mangle insoweit an einem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers, ist demnach unrichtig, weshalb sie nicht ohne weiteres bei ihrer Entscheidung von einem monatlichen Einkommen "von S 20.000,-- bis S 30.000,-- abzüglich Miete und Schulden, Sorgepflicht für zwei minderjährige Kinder" ausgehen hätte dürfen. Es ist nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde, hätte sie dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt, jedenfalls in Ansehung der Strafaussprüche unter den Punkten 1) bis 3) zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher in Ansehung dieser Aussprüche gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Anders verhält es sich hinsichtlich der unter Punkt 4) verhängten Geldstrafe, die selbst bei Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer behaupteten Einkommensverhältnisse nicht als rechtswidrig zu erkennen ist. Alkoholdelikte zählen - wie die belangte Behörde zutreffend darlegte - zu den schwerwiegendsten Übertretungen der StVO. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer nach der insoweit nicht bestrittenen Begründung des angefochtenen Bescheides bereits einschlägig vorbestraft ist, was ihn aber nicht abhielt, diesbezüglich neuerlich straffällig zu werden. Wenn sich die belangte Behörde bei diesem Sachverhalt nicht veranlaßt sah, die ohnehin noch in dem unteren Bereich des bis zu S 50.000,-- reichenden Strafrahmens liegende Strafe der Erstinstanz herabzusetzen, um den Beschwerdeführer vor der Begehung weiterer solcher Straftaten abzuhalten, vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten. Für die Herabsetzung der Geldstrafe auf S 4.000,--, also unter das gesetzliche Mindestmaß von S 8.000,--, wie dies vom Beschwerdeführer beantragt wurde, bietet § 19 VStG keine Grundlage. Daß aber etwa die Voraussetzungen des § 20 VStG vorgelegen wären, wird nicht einmal vom Beschwerdeführer behauptet. Schließlich stellt es keine Rechtswidrigkeit dar, wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall das Strafausmaß auch aus Gründen der Generalprävention für erforderlich erachtete. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß die belangte Behörde in diesem Punkte von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte.

Die Beschwerde erweist sich demnach in Ansehung der Schuldsprüche und in Ansehung des Strafausspruches zu Punkt 4) als unbegründet, weshalb sie insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Kosten für Kopien waren im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes nicht zuzusprechen. Ferner hat die Abweisung des Mehrbegehrens nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand zum Gegenstand, weil die Beschwerde lediglich in zweifacher Ausfertigung und der angefochtene Bescheid lediglich in einer Ausfertigung beizubringen war.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Erschwerende und mildernde Umstände Vorstrafen Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Persönliche Verhältnisse des Beschuldigten Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Rücksichten der Generalprävention

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991030004.X00

Im RIS seit

19.06.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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