TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/24 90/15/0161

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Veröffentlicht am 24.06.1991
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Index

32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

GebG 1957 §33 TP19 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-Bank gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Jänner 1990, Zl. GA 11 - 1588/89, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Bank schloß mit der B-GmbH einen Kontokorrentkreditvertrag über einen Betrag von S 500.000,-- mit einer Laufzeit bis 31. Mai 1985. Die von beiden Vertragsteilen unterzeichnete Urkunde über diesen Vertrag wurde am 16. Juli 1984 errichtet. Sie trägt den Vermerk:

"Gebührenfreie Umschuldung gemäß GebG 1957/Nov. 1984 zum Kreditvertrag der Kreditunternehmung B. über S 500.000,--".

Der in diesem Vermerk angeführte Kreditvertrag mit der Kreditunternehmung B. war von der Kreditnehmerin am 2. Juli 1981 mit einer Laufzeit bis 31. Mai 1983 abgeschlossen und mit einer am 20. Juni 1983 beurkundeten Vereinbarung bis 30. September 1983 prolongiert worden.

Die Beschwerdeführerin, der gemäß § 3 Abs. 4 GebG die Selbstberechnung der Gebühren bewilligt wurde, behandelte den am 16. Juli 1984 beurkundeten Kreditvertrag als gebührenfrei. Das Finanzamt setzte im Zuge einer Gebührennachschau gemäß § 201 BAO gegenüber der Beschwerdeführerin für den Kontokorrentkreditvertrag vom 16. Juli 1984 eine Gebühr gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 1 GebG von S 4.000,-- und eine Erhöhung gemäß § 9 Abs. 2 GebG von S 2.000,-- fest. Es vertrat die Auffassung, die Gebührenbefreiung gemäß § 33 TP 19 Abs. 5 GebG komme nicht zum Tragen, weil der frühere Kreditvertrag bereits am 30. September 1983 durch Zeitablauf beendet worden sei. Eine Erhöhung im Ausmaß von 50 % sei gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführerin das Gebührengesetz bekannt gewesen sei.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, sie bestreite vorsichtshalber, daß das Kreditverhältnis bei der B. tatsächlich am 30. September 1983 abgelaufen sei. Ihr seien keine diesbezüglichen Beweisergebnisse in einem Ermittlungsverfahren vorgehalten worden. Sie bringe sicherheitshalber vor, daß das Kreditverhältnis zumindest stillschweigend verlängert worden sei. Jedenfalls sei der Kreditnehmerin der Kontokorrentkreditrahmen bei der B. bis zur Umschuldung nach wie vor zur Verfügung gestanden. Der synallagmatische Vertrag erlösche nicht durch Zeitablauf (§ 1449 ABGB), sondern es wäre jedenfalls auch noch die Tilgung (§ 1412 ABGB) erforderlich gewesen. Die von der Beschwerdeführerin eingeräumte Kreditvaluta habe zur Abdeckung des Kredites der B. gedient. Im kaufmännischen Sinn liege jedenfalls eine Umschuldung vor. Die Abgabenbehörde unterstelle dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt, wenn sie die Anwendung der Umschuldungsbegünstigung auf Fälle beschränkt wissen wolle, bei denen die formelle Laufzeit des umzuschuldenden Kredites noch nicht abgelaufen sei. Gebührenrechtlich unschädlich hätte die B. die Laufzeit des Kredites schriftlich bis Juli 1984 verlängern können.

Das Erkennen der Gebührenpflicht habe der Beschwerdeführerin nicht zugemutet werden können, da jedenfalls eine Streitfrage vorliege. Die Klärung derartiger Streitfragen könne ohne die Gefahr einer Gebührenerhöhung im Rechtsweg erfolgen. Wenn überhaupt eine Erhöhung gerechtfertigt sei, so jedenfalls nicht in diesem Ausmaß, sondern höchstens im Ausmaß von 5 %. Zum Beweis für ihr Vorbringen berufe sich die Beschwerdeführerin auf die zeugenschaftliche Vernehmung ihres Angestellten Dr. S.

Mit Berufungsvorentscheidung gab das Finanzamt der Berufung der Beschwerdeführerin insoweit statt, als die Erhöhung gemäß § 9 Abs. 2 GebG mit 30 v.H. von S 4.000,--, das sind S 1.200,--, festgesetzt wurde; im übrigen wies es die Berufung als unbegründet ab. Die Festsetzung der Gebührenerhöhung betreffend führte das Finanzamt nach Darlegung der Rechtslage aus, der Beschwerdeführerin sei das Erkennen der Gebührenschuld zumutbar gewesen; sie habe keine Gebührenanzeige vorgenommen und die Gebührenbestimmungen wiederholt verletzt. Es seien daher die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für eine Gebührenerhöhung zweifelsohne gegeben. Die von der Beschwerdeführerin begehrte Erhöhung um 5 v.H. sei nicht ausreichend; dies wäre eine Einladung, Gebühren nicht ordnungsgemäß abzurechnen. Zwischen dem Entstehen der Gebührenschuld und der allfälligen Aufdeckung der nicht entrichteten Gebühr liege zumeist ein größerer Zeitraum, sodaß der Gewinn aus der verspäteten Abrechnung das Ausmaß der Erhöhung überschreiten würde. Durch die Erhöhung solle einerseits gewährleistet werden, daß die Beschwerdeführerin mit der größtmöglichen Sorgfalt die Gebühren entrichte und durch eine Nichtentrichtung keinerlei finanzielle Vorteile erziele; andererseits dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß die Beschwerdeführerin als Abrechnerin im Sinne des § 3 Abs. 4 GebG grundsätzlich Gewähr für die Einhaltung der Gebührenvorschriften biete und im allgemeinen die Gebühren für Darlehens- und Kreditverträge ordnungsgemäß abrechne. Unter der Annahme, daß das Finanzamt innerhalb der Verjährungsfrist eine stichtprobenartige Gebührenprüfung durchführen könne und bei einer Nichtentrichtung von Gebühren bis zum Ende des fünften Jahres eine Zinsenersparnis von etwa 20 v.H. eintreten könne, erscheine eine Erhöhung von 30 v.H. angemessen, um eine sorgfältige Einhaltung der Gebührenvorschriften zu gewährleisten.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde gab der Berufung teilweise Folge. Nach dem Wortlaut des Spruches wurde "der angefochtene Bescheid im Sinne der Berufungsvorentscheidung (insoweit) abgeändert, als die Erhöhung gemäß § 9 Abs. 2 GebG im Ausmaß von 30 v.H. von S 4.000,-- festgesetzt wird". Im übrigen gab sie der Berufung nicht statt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde insbesondere darauf, daß nach Lage der Urkunden der vorangegangene Kreditvertrag durch Zeitablauf am 30. September 1983 beendet gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht dargelegt, daß im Gefolge des von ihr abgeschlossenen Kreditvertrages ein anderer Kreditvertrag aufgehoben worden sei. Die Aufhebung des alten Kreditvertrages wäre aber nach dem Wortlaut des § 33 TP 19 Abs. 5 GebG Voraussetzung für die Gewährung der Befreiung gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 25. September 1990, Zl. B 262/90, ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin mit ergänzendem Schriftsatz Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 33 TP 19 Abs. 1 GebG unterliegen Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird, einer Gebühr.

Nach § 33 TP 19 Abs. 5 GebG gilt bei Umschuldungen, wodurch ein Kreditvertrag aufgehoben, die Kreditsumme zurückgezahlt und als Ersatz ein Kreditvertrag mit einem anderen Kreditgeber abgeschlossen wird, der neue Kreditvertrag gebührenrechtlich als Nachtrag (Aufstockung, Prolongation) des ursprünglichen Kreditvertrages, wenn die Urkunde über den neuen Kreditvertrag einen Vermerk über die Umschuldung enthält und Aufhebung sowie Rückzahlung innerhalb eines Monats ab Beurkundung des neuen Kreditvertrages erfolgen.

Die Beschwerdeführerin hält der Auffassung der belangten Behörde, die Begünstigung nach der zitierten Vorschrift käme nur zum Tragen, wenn die Aufhebung des umzuschuldenden Kreditvertrages nach Abschluß des neuen Kreditvertrages erfolge, entgegen, der Gesetzgeber habe bei der Schaffung einer Umschuldungsbegünstigung an wirtschaftliche Gegebenheiten angeknüpft, sodaß ein Anwendungsfall der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vorliege. Jedenfalls in wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde jedermann, der einen Kreditvertrag kurz nach dessen Auslaufen umschulde (weil er die Kreditvaluta naturgemäß noch nicht zurückgezahlt habe), von einer "Umschuldung" und nicht von einem "Neuabschluß eines Kreditvertrages" ausgehen.

Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß in wirtschaftlicher Betrachtungsweise von "Umschuldung" auch dann gesprochen werden kann, wenn im Zeitpunkt der Beurkundung des neuen Kreditvertrages zwar der "umzuschuldende" Kreditvertrag (z.B. durch Kündigung, einvernehmliche Auflösung oder Zeitablauf) bereits aufgehoben, die Verbindlichkeit des Kreditnehmers zur Rückzahlung der Kreditvaluta aber noch nicht getilgt ist, weil wirtschaftlich die Entschuldung gegenüber dem Altgläubiger mit Hilfe der vom Neugläubiger erhaltenen Mittel im Vordergrund steht. Der insoweit eindeutige Wortlaut des § 33 TP 19 Abs. 5 GebG verbietet es aber, einen solchen Fall ebenfalls der Befreiungsvorschrift zu unterstellen. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Auslegung der Vorschrift überschreitet die äußersten Grenzen des Wortsinnes.

Der Eintritt der Fiktion, wonach der neue Kreditvertrag als Nachtrag (Aufstockung, Prolongation) des ursprünglichen Kreditvertrages gilt - was im Sinne des § 21 GebG zur Gebührenfreiheit führt, wenn keine zusätzlichen Rechte begründet werden - setzt nämlich unter anderem voraus, daß die Aufhebung (des umzuschuldenden Kreditvertrages) sowie die Rückzahlung (der Kreditsumme) INNERHALB eines Monates ab Beurkundung des neuen Kreditvertrages erfolgen. Mit dem Wort "innerhalb" wird im vorliegenden Zusammenhang nicht nur das Ende eines Zeitraumes (mit Ablauf eines Monates nach Beurkundung des neuen Kreditvertrages), sondern auch dessen Beginn (mit der Beurkundung des neuen Kreditvertrages) normiert.

Die Begünstigung setzt somit voraus, daß Aufhebung und Rückzahlung innerhalb des durch diese Zeitpunkte begrenzten Zeitraumes erfolgen (vgl. Arnold, Rechtsgebühren2 § 33 TP 19 Rz 47; ders., Die Umschuldung in (gerichts-)gebührenrechtlicher Sicht, ÖStZ 1984, 86; anders im Ergebnis offenbar aaO 77); die Rückzahlung der Kreditsumme und/oder die Aufhebung des umzuschuldenden Kreditvertrages vor - bzw. mehr als ein Monat nach - Beurkundung des neuen Kreditvertrages sind daher begünstigungsschädlich (vgl. Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz § 33 TP 19 34; Gaier, GebG ErgBd 1987, 53; Glega, Nochmals: Die Umschuldung in (gerichts-)gebührenrechtlicher Sicht, ÖStZ 1984, 193).

Die Aufhebung eines Kreditvertrages im Sinne der Befreiungsvorschrift liegt auch dann vor, wenn dieser durch Ablauf der vereinbarten Laufzeit endete. Dies folgt für befristete Dauerschuldverhältnisse schon aus dem Wortlaut des § 1449 ABGB und der systematischen Anordnung dieser Vorschrift im dritten, von der Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten handelnden Hauptstück des ABGB (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/15/0159, 0160).

Es wäre somit Sache der eine Begünstigung in Anspruch nehmenden Beschwerdeführerin gewesen, darzutun, daß der "umzuschuldende" Kreditvertrag nicht entsprechend der beurkundeten Vereinbarung am 30. Juni 1983 durch Zeitablauf endete, sondern innerhalb eines Monates ab Beurkundung des neuen Kreditvertrages - insbesondere durch Kündigung oder einvernehmliche Auflösung, aber auch durch Zeitablauf (nach Prolongation) - aufgehoben wurde. Letzeres hat die Beschwerdeführerin aber nicht behauptet.

Es kann daher im vorliegenden Fall auf sich beruhen, ob - insbesondere im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Begünstigung - konkrete, die Ermittlungspflicht der Rechtsmittelbehörde auslösende Tatsachenbehauptungen vorliegen, wenn auf dem Urkundeninhalt beruhende Sachverhaltsannahmen der Abgabenbehörde erster Instanz "vorsichtshalber bestritten" und ihnen "sicherheitshalber" nicht weiter konkretisierte Gegenbehauptungen entgegengesetzt werden, weil die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht behauptet hat, daß der "umzuschuldende" Kreditvertrag innerhalb eines Monates ab Beurkundung des neuen Kreditvertrages aufgehoben wurde. Es war somit nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde vom Fehlen dieses Tatbestandsmerkmales der Umschuldungsbegünstigung ausging. Bei dieser Sachlage ist es ohne Bedeutung, ob der "umzuschuldende" Kreditvertrag, wie die Beschwerdeführerin "sicherheitshalber" behauptet hat, über das vereinbarte Ende der Laufzeit hinaus "stillschweigend verlängert" wurde und der Kreditrahmen der Kreditnehmerin jedenfalls bis zur "Umschuldung" zur Verfügung stand.

Soweit die Beschwerdeführerin einen Mangel des angefochtenen Bescheides darin erblickt, daß die Gebührenerhöhung mit 30 v.H. von S 4.000,-- festgesetzt, der ziffernmäßige Betrag von S 1.200-- hingegen nicht ausgewiesen werde, genügt es, darauf zu verweisen, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich den Spruch der Berufungsvorentscheidung rezipiert, in dem der Betrag von S 1.200,-- ziffernmäßig angeführt wird.

Im übrigen wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Festsetzung der Erhöhung mit jenen Argumenten, die sie wortgleich in der zur hg. Zl. 90/15/0057 protokollierten Beschwerde vorgetragen hat. Zu diesen Beschwerdeausführungen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/15/0057, verwiesen.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990150161.X00

Im RIS seit

24.06.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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