TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/26 91/09/0070

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Veröffentlicht am 26.06.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
BDG 1979 §43 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §63 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 20. November 1990, GZ. 17/18-DOK/90, betreffend Disziplinarschuldspruch ohne Strafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bezüglich des Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrensablaufes wird, um Wiederholungen zu vermeiden auf das die beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1990, Zl. 89/09/0164, verwiesen, mit welchem der Bescheid der belangten Behörde vom 8. November 1989 betreffend den im Instanzenzuge bestätigten Schuldspruch, der Beschwerdeführer habe durch seine am 8. März 1988 bei einer außerdienstlichen Versammlung der Mitarbeiter der Veranlagungsabteilung des Finanzamtes A abgegebene Äußerung, der Esso-Manager, der zwei Vorgesetzte erschossen habe, imponiere ihm und auch er werde sich über kurz oder lang aufhängen, jedoch dabei noch einige mitnehmen, schuldhaft die Dienstpflicht des § 43 Abs. 2 BDG 1979 verletzt, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Der Gerichtshof hatte zunächst zur konkreten Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in einer die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bindenden Weise ausgeführt, daß dann eine innerdienstliche Pflichtverletzung vorliegt, wenn eine derartige Äußerung gegenüber Mitarbeitern während einer dienstlich geduldeten und üblichen Geburtstags(Beförderungs)feier während des Dienstes im Amtsgebäude abgegeben wird. Auch bei solchen Anlässen hat sich ein Vorgesetzter gegenüber seinen Mitarbeitern und Untergebenen vorbildlich und rücksichtsvoll zu verhalten. Er hatte jedoch für die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften für bestimmend erachtet, daß Beweisanträge nur dann abgelehnt werden dürfen, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Ersatzbescheid vom 20. November 1990 wurde der Berufung des Beschwerdeführers, soweit sie sich gegen den oben wiedergegebenen streitverfangenen Anschuldigungspunkt des erstinstanzlichen Erkenntnisses bezieht, mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der Schuldspruch bestätigt, jedoch gemäß § 115 BDG 1979 von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen wurde. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde habe zunächst die Frage für entscheidungswesentlich gehalten, ob und in welcher Form die dem Beschwerdeführer im Anschuldigungspunkt angelastete Äußerung gefallen sei. Weiters sei es von Bedeutung gewesen, zu klären, ob sich der Beschwerdeführer zum fraglichen Zeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, wie er im Verfahren insbesondere mit der Behauptung, ihm sei Schnapswein verabreicht worden, behauptet habe. Nach Darstellung des Ergebnisses der in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 1990 im fortgesetzten Verfahren durchgeführten zehn Zeugenvernehmungen führte die belangte Behörde im Zusammenhang aus, in Würdigung dieser Beweismittel halte sie es für erwiesen, daß der Beschwerdeführer im Zuge der am 8. März 1988 im Finanzamt A abgehaltenen Geburtstagsfeier die streitverfangene Äußerung von sich gegeben habe. Die Zeugen VB R, Kontrollor G und VB Z hätten diesen Sachverhalt im vollen Umfang bestätigt. Die übrigen Zeugen hätten angegeben, über die Äußerung hinsichtlich des Mitnehmens anderer Personen keine Wahrnehmungen gemacht zu haben. Wenngleich somit die disziplinär maßgebliche Äußerung des Beschwerdeführers nicht von allen beteiligten Bediensteten vollinhaltlich bestätigt werden konnte, so bildeten die übereinstimmenden, glaubwürdigen und schlüssigen Angaben dreier unter Wahrheitspflicht stehender Zeugen nach Meinung der belangten Behörde eine ausreichende Grundlage dafür, die Erweisbarkeit der Anschuldigung annehmen zu können. Gründe, die für eine leichtfertige bzw. sogar vorsätzliche ungerechtfertigte Belastung des Beschwerdeführers durch die Zeugen hätten sprechen können, seien bei keinem der Vernommenen gefunden worden. Etwaige dienstliche Konsequenzen, die sich für die Zeugen aus deren Angaben ergeben könnten, stünden in keinem Verhältnis zu den Nachteilen, die ihnen aus einer falschen Beweisaussage erwachsen würden. Die abweichenden Wahrnehmungen der drei angeführten Zeugen einerseits und der übrigen sieben Bediensteten anderseits seien durchaus aus der bei einer derartigen Feier üblichen Fluktuation der Teilnehmer erklärbar, die zwischenzeitlich etwa dienstliche Erledigungen, Telefongespräche und ähnliches durchführen mußten, sodaß nicht alle Bediensteten während der gesamten Dauer der Veranstaltung anwesend gewesen seien und daher nicht den gesamten Ablauf des Geschehens verfolgen konnten. Ein weiterer Grund für die Annahme, daß nicht alle Teilnehmer den gesamten Wortlaut der Äußerung des Beschwerdeführers hätten hören können, sei nach Ansicht der belangten Behörde darin gelegen, daß bei derartigen Feiern sich üblicherweise kleinere Gesprächsrunden bilden, der allgemeine Lärmpegel erhöht sei und daher auch bei Anwesenheit aller Beteiligten nicht jeder einzelne Teilnehmer jedes Wort verstehen könne, das in den Raum gesprochen werde. Für die Wahrheitsfindung sei es ohne Belang, ob die Mehrheit der Zeugen etwas gehört zu haben bekunde, weil keinesfalls alle gehört haben müßten. Was die Anträge der Verteidigung auf Einvernahme der Zeugen P und B betreffe, so sei die belangte Behörde der Ansicht, daß diese Personen lediglich Aussagen über Wahrnehmungen bezüglich der Weihnachtsfeier 1987 hätten machen können, weil sie nur bei dieser Veranstaltung zugegen gewesen seien, nicht jedoch bei der Geburtstagsfeier am 8. März 1988, wie auch von der Verteidigung unbestritten geblieben sei. Die Schlußfolgerung, daß aus der Bestätigung bestimmter Vorgänge anläßlich der Weihnachtsfeier, nämlich der Verabreichung von Schnapswein an den Beschwerdeführer, abzuleiten wäre, daß bei der Geburtstagsfeier am 8. März 1988 gleiches geschehen sei, habe die belangte Behörde für nicht nachvollziehbar gehalten. Vielmehr stehe zweifelsfrei fest, daß die genannten Personen hinsichtlich des Vorfalles vom 8. März 1988 keine eigenen Wahrnehmungen machen konnten. Da nur dieser Sachverhalt Gegenstand des Verfahrens sei, sei dem diesbezüglichen Beweisantrag keine Folge zu geben gewesen. Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens das Vorliegen einer erheblichen Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers auszuschließen gewesen sei. Für die belangte Behörde habe somit kein Anlaß bestanden, das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes anzunehmen.

Der Beschwerdeführer behauptet in der gegen diesen Ersatzbescheid erhobenen Beschwerde - deren Behandlung vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. Feber 1991, B 1393/90, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde -, er sei in seinem Recht darauf, daß er nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 BDG 1979 einer Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt werde und in seinem Recht auf ein faires und mängelfreies Verfahren und auf Abführung der beantragten Beweise verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes im Einklang mit seinem Vorbringen im ersten Rechtsgang zunächst vor, der ihm zur Last gelegte Sachverhalt stelle keine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 dar, weil der Ort des Geschehens (Finanzamt A) nicht jedermann zugänglich sei.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage grundlegend.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Einen in Gemäßheit des § 63 Abs. 1 VwGG erlassenen Ersatzbescheid kann der Verwaltungsgerichtshof nur dahin überprüfen, ob er der im vorausgegangenen Erkenntnis geäußerten Rechtsansicht entspricht, an die auch der Verwaltungsgerichtshof selbst gebunden ist (vgl. VwSlg. 3999/A, 8336/A).

Daß aber die dem Beschwerdeführer als erwiesen zur Last gelegte Äußerung eine (innerdienstliche) Pflichtverletzung des zur Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides erhobenen § 43 Abs. 2 BDG 1979 darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 4. September 1989, Zl. 89/09/0076) im ersten Rechtsgang ausdrücklich festgestellt. Die belangte Behörde konnte daher nicht nur diesbezüglich in ihrem Ersatzbescheid den vom Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang bestätigten Standpunkt übernehmen, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen, sondern sie war verpflichtet dies zu tun.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer die Ablehnung des von ihm in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 1990 gestellten Antrages auf Einvernahme der B und auf neuerliche Einvernahme des P zum "früheren Beweisthema".

Auch dieser Einwand vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen.

Die belangte Behörde hat bei ihrer Beweiswürdigung diesem Beweisantrag keine für das Beweisthema "Äußerung anläßlich der Geburtstagsfeier vom 8. März 1988" relevante Bedeutung beigemessen.

Der Gerichtshof kann in dem Verfahren, das zu dieser Beurteilung durch die belangte Behörde führte, keine Fehler erblicken. Die belangte Behörde hat nämlich im Einklang mit der Aktenlage (Aussage des Zeugen P (Kellner) in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 1990 sowie schriftliche Bestätigung der B (Restaurantinhaberin) vom 19. Oktober 1990 in nicht rechtswidriger Weise ausgeführt, daß diese beiden Personen aus eigener Wahrnehmung nur in der Lage seien, über das - auch von ihnen nicht wahrgenommene - Mischen von Wein mit Schnaps anläßlich der Weihnachtsfeier 1987 im Gasthof K auszusagen. Es war daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn sie die Ablehnung dieses Beweisantrages als für das vorliegende Beweisthema (streitverfangene Äußerung anläßlich einer Geburtstagsfeier am 8. März 1988 in den Räumlichkeiten des Finanzamtes A) als unerheblich, d.h. als ungeeignet qualifizierte, auf die von ihr getroffene Entscheidung irgendeinen Einfluß zu üben.

Da auch die Frage, ob die Zeugenaussagen bezüglich das Vorliegen einer erheblichen Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers Glaubwürdigkeit verdienen oder nicht, nicht nachträglich durch das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen gelöst, sondern nur von den Mitgliedern des erkennenden Senates auf Grund ihres bei den mündlichen Verhandlungen unmittelbar gewonnenen persönlichen Eindruckes von Zeugen und Beschuldigtem im Rahmen der freien Beweiswürdigung gelöst werden kann, vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Nichtbeiziehung eines medizinischen Sachverständigen zur Frage des Grades der (Nicht-)Alkoholisierung des Beschwerdeführers zum fraglichen Zeitpunkt keinen relevanten Verfahrensmangel zu erblicken.

Somit wurde der Beschwerdeführer im Beschwerdepunkt durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat erfolgen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer SachverständigerSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel ZeugenbeweisBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungAblehnung eines BeweismittelsSachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991090070.X00

Im RIS seit

26.06.1991

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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