TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/28 91/18/0071

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Veröffentlicht am 28.06.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
KFG 1967 §103 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. Dezember 1990, Zl. VerkR-12.953/4-1990-II/Aum, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. Dezember 1990 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe als vom Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws benannte Person, die für den Zulassungsbesitzer Auskunft erteilen könne, auf Verlangen der Behörde nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung einer schriftlichen Aufforderung, somit im Zeitraum vom 22. März bis zum 5. April 1989, Auskunft darüber erteilt, wer das Kraftfahrzeug am 4. Jänner 1989 um 14.48 Uhr gelenkt habe. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) begangen; es wurde eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde erhoben:

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG in der Fassung der 10. Novelle kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt bzw. vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Die belangte Behörde ging davon aus, daß für die Zulassungsbesitzerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Magister A jene Person sei, die für die Zulassungsbesitzerin Auskunft erteilen müsse. Magister A habe nun den Beschwerdeführer als die Person benannt, die die Auskunft erteilen könne; der gegenständliche Pkw sei nämlich das Dienstfahrzeug des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer hat demgegenüber im Laufe des Verwaltungsstrafverfahrens, so z.B. in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung vom 12. Juni 1989, wiederholt in seiner Berufung vom 15. Februar 1990, vorgebracht, daß zur nachgefragten Zeit das Fahrzeug gar nicht ihm überlassen war, sondern einem ihm unbekannten Dritten. Er selbst habe am nachgefragten Tag, an dem er auf Schiurlaub in Kitzbühel gewesen sei, ein anderes Fahrzeug (Kennzeichen L nmo) benützt.

Die belangte Behörde hat, ausgehend offenbar von dem noch aufzuzeigenden Rechtsirrtum, die Überprüfung der Behauptung des Beschwerdeführers unterlassen, das Fahrzeug sei ihm am nachgefragten Tag gar nicht überlassen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in seinem Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0178 ausgeführt, der Fall, daß der Zulassungsbesitzer die Auskunft nicht erteilen könne, werde in der Regel dann vorliegen, wenn er die Gewahrsame am Kraftfahrzeug an eine andere Person weitergegeben hat. Unter Gewahrsame werde die körperliche Verfügungsmacht zu verstehen sein, die vornehmlich durch Übergabe von Kraftfahrzeugschlüsseln, unter Einhaltung der rechtlichen Vorschriften aber auch (§ 102 Abs. 5 lit. b KFG) des Zulassungsscheines sowie sonstiger vom Lenker bei der Fahrt mitzuführender Urkunden erfolgt (vgl. EB zur RV der 3. Novelle zum KFG, 57 BlgNR 14 GP, 46: Übergabe des Zulassungsscheins und der Fahrzeugschlüssel). Liegt eine solche Übergabe an die vom Zulassungsbesitzer nach Name und Anschrift genannte Person vor - was die Behörde allenfalls gemäß § 103 Abs. 2, Satz 2, letzter Halbsatz KFG zu überprüfen hat - so treffen den Zulassungsbesitzer hinsichtlich des weiteren Verhaltens dieser Person gegenüber der Behörde keine weiteren Auskunftspflichten, mag diese Person nun eine richtige oder falsche Auskunft erteilen oder diese verweigern.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bildet die Angabe des Magister A, das nachgefragte Fahrzeug sei das Dienstfahrzeug des Beschwerdeführers, keine schlüssige Grundlage für die Annahme, das Fahrzeug sei zur nachgefragten Zeit dem Beschwerdeführer von jener Person, die für die Zulassungsbesitzerin kraftfahrrechtlich zu handeln hatte, überlassen worden. Der Beschwerdeführer hat eine solche Überlassung an den oben angeführten Stellen des Verwaltungsstrafaktes bestritten.

Es wäre somit Sache der belangten Behörde gewesen, über die Tatsache der Überlassung des Kraftfahrzeuges an den Beschwerdeführer Ermittlungen zu pflegen und Feststellungen zu treffen. Nur im Falle, daß die Überlassung des Kraftfahrzeuges zur nachgefragten Zeit an den Beschwerdeführer erweislich ist, hätte seine Pflicht zur Beantwortung der Anfrage vom 16. März 1989 bestanden.

Da die belangte Behörde aus dem oben aufgezeigten Rechtsirrtum die Klärung dieser Tatfrage unterlassen hat, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, einerseits, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist, andererseits, weil die in drei Ausfertigungen einzubringende Beschwerde nur mit dreimal S 120,-- = S 360,-- zu vergebühren war.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Vorweggenommene antizipative Beweiswürdigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180071.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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