TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/17 91/05/0091

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Veröffentlicht am 17.09.1991
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BauO Wr §10 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde

1. des Dr. J M und 2. der I M in Wien, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 7. März 1991, Zl. MD-VfR-B XIII-41/90, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 12. Juli 1988 ersuchten die Beschwerdeführer um die Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für ein Einfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. nn1, EZ nn2, KG Auhof A-Straße 42). Nach dem Einreichplan liegt das Wohngebäude 18 m hinter der A-Straße, teilweise unmittelbar an die westliche Grundgrenze anschließend, im vorderen Bereich von dieser 60 cm entfernt. Überdies weist der Einreichplan zwei Nebengebäude, eine Waschküche unmittelbar an der östlichen Grundgrenze sowie einen Holzschuppen in einer Entfernung von 60 cm zur östlichen Grundgrenze auf.

Über dieses Ansuchen wurden mehrere Bauverhandlungen durchgeführt, bei der Verhandlung am 6. Juni 1990 erklärte die Eigentümerin der westlich des zu bebauenden Grundstückes situierten Liegenschaft (A-Straße Nr. 44), der Errichtung des Gebäudes auf Nr. 42 nur zuzustimmen, wenn die Beschwerdeführer ihrerseits einer Kuppelung für das Gebäude Nr. 44 zustimmen. Diese Zustimmung wurde nach der Aktenlage nicht erteilt.

Mit Bescheid vom 9. November 1990 versagte der Wiener Magistrat gemäß den §§ 70 und 71 der Bauordnung für Wien (BO) die nachträgliche Bewilligung für die Errichtung eines ebenerdigen Einfamilienhauses sowie einer Waschküche und eines Holzschuppens. In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, alle vorhandenen Gebäude seien von früheren Besitzern bereits 1930 errichtet worden, wofür das Gemeindeamt Hadersdorf-Weidlingau (zum Teil nachträgliche) Bewilligungen erteilt habe. Zusammenfassend wurde um eine nachträgliche Baubewilligung entsprechend dem am 12. Juli 1988 eingelangten Ansuchen ersucht.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 7. März 1991 hat die belangte Behörde die Versagung der Bewilligung nach § 70 BO hinsichtlich des Einfamilienhauses und der Waschküche bestätigt. Die Versagung der Baubewilligung nach § 71 leg. cit. wurde hinsichtlich des Einfamilienhauses bestätigt, hinsichtlich der Waschküche und des Schuppens wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG (richtig wohl § 66 Abs. 2 AVG) die Versagung der Baubewilligung nach § 71 BO, hinsichtlich des Schuppens auch die Versagung nach § 70 BO behoben und die Angelegenheit zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen.

Gegen den die Baubewilligungen versagenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Angefochten wurde daher die Versagung der Baubewilligung gemäß §§ 70 und 71 hinsichtlich des Einfamilienhauses sowie die Versagung der Baubewilligung gemäß § 70 hinsichtlich der Waschküche.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unbestritten ist, daß nach dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für die gegenständliche Liegenschaft die Widmung Wohngebiet, die Bauklasse I und die offene Bauweise festgesetzt ist. Die Gebäudehöhe ist auf 6,50 m beschränkt und die unmittelbar bebaubare Fläche durch Baufluchtlinien abgegrenzt. Der übrige Bauplatz ist gärtnerisch zu gestalten. Pro Bauplatz darf nur ein Nebengebäude, welches den Bestimmungen des § 82 Abs. 4 BO entspricht, bis zu einer bebauten Fläche von 25 m2 errichtet werden. Das Bauansuchen der Beschwerdeführer vom 12. Juli 1988 war mit einem Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen belegt, in dem die oben genannten Festlegungen wiedergegeben waren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. N.F. Nr. 9315/A, ausgesprochen, daß für die Rechtsmittelbehörde im allgemeinen die Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Erledigung maßgeblich ist. Zur maßgeblichen Rechtslage gehören auch die geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungspläne. § 10 der Wiener Bauordnung normiert, daß einer Entscheidung über ein Ansuchen um die Erteilung einer Baubewilligung jene Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes zugrunde zu legen sind, die im Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen festgehalten wurden.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit des eingereichten Bauvorhabens ist es unerheblich, ob ein Teil der Gebäude von einer rechtskräftigen Baubewilligung erfaßt ist. Tatsächlich haben ja die Beschwerdeführer ein Bauvorhaben eingereicht, das zur Gänze eine neue Baubewilligung vorsieht. Im übrigen soll der Altbestand durch wesentliche Änderungen der inneren Raumeinteilungen und Integrierung in das neue Einfamilienhaus so verändert werden, daß ein Umbau vorliegt, da das neu entstehende Haus gegenüber dem alten als ein anderes anzusehen ist (vgl. § 60 Abs. 1 lit. a vorletzter Satz BO). Die umfangreichen Feststellungen, die die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in bezug auf den konsentierten Altbestand vorgenommen hat, waren daher für die Beurteilung, ob nunmehr eine Baubewilligung erteilt werden kann, nicht erforderlich. Lediglich aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu der Bemerkung veranlaßt, daß die Feststellungen, die die belangte Behörde zum Altbestand getroffen hat, in den vorgelegten Bauakten Deckung finden. Zutreffend hat auch die belangte Behörde ausgeführt, daß mit der Kenntnisnahme einer Grundabteilung gemäß § 13 Abs. 5 und 6 der Bauordnung für Wien in der im Jahre 1946 geltenden Fassung keine Erteilung der Baubewilligung verbunden war.

Gemäß § 76 Abs. 2 BO müssen Gebäude in der offenen Bauweise freistehend in den im § 79 Abs. 3 festgesetzten Mindestabständen von den Bauplatzgrenzen errichtet werden. Der Mindestabstand beträgt in der Bauklasse I 6 m und kann unter bestimmten, hier vorliegenden Voraussetzungen, auf 3 m verringert werden. Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, soll aber das neue Einfamilienhaus in seinem hinteren Bereich unmittelbar an der westlichen Grundgrenze, in seinem vorderen Bereich in einem Abstand von bloß 60 cm zu dieser Grundgrenze errichtet werden. In der offenen Bauweise ist das Bauen an einer seitlichen Grundgrenze jedoch nicht schlechthin unzulässig. Gemäß § 76 Abs. 7 BO muß in der offenen bzw. offenen oder gekuppelten Bauweise sogar an die Nachbargrenze angebaut werden, wenn der Nachbar an diese Bauplatzgrenze bereits angebaut hat oder wenn auf dem Nachbarbauplatz nach dem Bebauungsplan bis an diese Grundgrenze gebaut werden darf. Diese Voraussetzungen für das Anbauen an der seitlichen Grundgrenze sind jedoch im vorliegenden Fall auf der westlichen Liegenschaft (A-Straße Nr. 44) nicht erfüllt. Da eine Ausnahme, wie sie hier notwendig wäre, auch im § 69 BO der Art nach nicht vorgesehen ist, konnte das Einfamilienhaus in der vorgesehenen Lage an der westlichen Grundgrenze nicht gemäß § 70 BO bewilligt werden. Eine Bewilligung gemäß § 71 BO kam schon wegen Fehlens der Zustimmung der Eigentümerin der Nachbarliegenschaft, die ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung des Mindestabstandes zu ihrem Grundstück hat, nicht in Betracht.

Die 4,50 m lange, 3,50 breite und ebenerdige Waschküche entspricht der im § 82 Abs. 1 BO enthaltenen Legaldefinition eines Nebengebäudes, ist aber wegen ihrer Gebäudehöhe von 2,68 m um 18 cm zu hoch, um gemäß § 82 Abs. 4 BO auch auf den kraft Gesetzes oder des Bebauungsplanes ansonst unbebaut zu belassenden Flächen des Bauplatzes errichtet werden zu dürfen. Die Bewilligung der Waschküche unmittelbar an der östlichen Grundgrenze, an der ebenso wie an der westlichen Grundgrenze ein Seitenabstand von 3 m einzuhalten wäre, war daher gemäß § 70 BO nicht möglich.

Zutreffend hat somit die belangte Behörde sowohl die Bewilligung des Einfamilienhauses gemäß den §§ 70 und 71 als auch jene der Waschküche gemäß § 70 BO versagt. Der angefochtene Bescheid war - im Rahmen des Beschwerdepunktes - nicht mit den behaupteten Rechtswidrigkeiten belastet. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050091.X00

Im RIS seit

17.09.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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