TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/8 90/08/0191

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Veröffentlicht am 08.10.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
61/01 Familienlastenausgleich;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §20 Abs2;
AlVG 1977 §56 Abs3;
B-VG Art140 Abs7;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
FamLAG 1967 §1;
FamLAG 1967 §12a;
FamLAG 1967 §2;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der Johanna S in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den auf Grund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 9. Mai 1990, Zl. IV b/7022/7100 B, 920/3061 150153, betreffend Familienzuschlag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste Wien vom 13. Dezember 1989 wurde u.a. festgestellt, daß der Beschwerdeführerin zur Notstandshilfe im Zeitraum vom 6. Mai 1987 bis 31. Jänner 1989 (betreffend ihren Sohn) bzw. vom 1. Oktober 1988 bis 31. Jänner 1989 (betreffend ihre Tochter) kein Familienzuschlag gemäß § 20 Abs. 2 AlVG gebühre.

Der beim Landesarbeitsamt Wien eingerichtete "zuständige Unterausschuß des Verwaltungsausschusses" gab mit dem vom Landesarbeitsamt Wien ausgefertigten angefochtenen Bescheid der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich dabei (ihrem gesamten Vorbringen nach) in ihrem Recht auf Zuerkennung von Familienzuschlägen für die angegebenen Zeiträume als verletzt.

1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde der belangten Behörde zunächst mit der Aufforderung zugestellt, sich binnen zwei Wochen gemäß § 35 Abs. 2 VwGG zu folgenden Fragen zu äußern:

"Die Nichtgewährung des Familienzuschlages für den Sohn Thomas wird für den Zeitraum vom 6.Mai 1987 bis 31. Mai 1988 damit begründet, daß die für ihn geleisteten Alimente den Grundbetrag der niedrigsten Lohnklasse um S 163,-- überstiegen hätten. In der Zeit vom 1. Juni 1988 bis 31. Jänner 1989 sei sein Einkommen - unter Berücksichtigung der Familienbeihilfe - über der "Geringfügigkeitsgrenze von S 2.527,-- (1988) bzw. S 2.593,-- (1989) gelegen. Die Nichtgewährung des Familienzuschlages für die Tochter der Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 1. Oktober 1988 bis 31. Jänner 1989 wird ebenfalls mit der bezogenen Familienbeihilfe begründet.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 15. Dezember 1988, Zl. 87/08/0082 und Zl. 88/08/0259, sowie ferner im Erkenntnis vom 25. Februar 1988, Zl. 87/08/0291, ausgeführt hat, zählt die Familienbeihilfe schon zufolge der ausdrücklichen Vorschrift des § 12a FLAG nicht zu den eigenen Mitteln des Kindes im Sinne des § 20 Abs. 2 AlVG. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß bei Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit im Sinne des § 20 Abs. 2 letzer Satz AlVG in der im streitgegenständlichen Zeitraum noch anzuwendenden Fassung des Stammgesetzes kein starrer Maßstab anzuwenden ist (vgl. die Erkenntnisse vom 25. Februar 1988, Zl. 87/08/0291, vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0144 und Zl. 88/08/0277, und vom 19. Juni 1990, Zl. 87/08/0272), insbesondere auch nicht der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes in der niedrigsten Lohnklasse (vgl. die Erkenntnisse vom 25. Februar 1988, Zl. 88/08/0291, und vom 15. Dezember 1988, Zl. 87/08/0062 u.a.).

Dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, daß die belangte Behörde entgegen dieser Rechtsprechung starre Einkommensgrenzen angewendet und die Familienbeihilfe eingerechnet hat, sodaß sich die in der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung schon daraus zu ergeben scheint. Die belangte Behörde wird daher aufgefordert, sich innerhalb der gesetzten Frist zu dieser Frage zu äußern, insbesondere Umstände vorzubringen die gegebenenfalls das augenscheinliche Vorliegen dieser Rechtsverletzungen als nicht gegeben erkennen lassen."

Die belangte Behörde hat dazu keine Gegenäußerung erstattet.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Der angefochtene Bescheid wurde gemäß § 56 Abs. 3 AlVG aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigt. Aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdeverfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 5. März 1991 gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 56 Abs. 3 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 61/1983, als verfassungswidrig aufzuheben.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28. Juni 1991, G 295/90 und Folgezahlen, die genannte Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben. Die Zuständigkeit des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses der belangten Behörde zur bescheidmäßigen Erledigung der erhobenen Berufung beruhte im vorliegenden Anlaßfall des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses auf dieser, vom Verfassungsgerichtshof nunmehr aufgehobenen Gesetzesbestimmung. Diese ist gemäß Art. 140 Abs. 7 Satz 2 B-VG auf den Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Es fehlt demnach nunmehr jenem Kollegialorgan, dem der Bescheid nach dessen Intention zugerechnet werden soll und auf dessen Beschluß er auch beruht, an der Zuständigkeit zur Entscheidung über Berufungen, die gegen Bescheide des Arbeitsamtes in Angelegenheiten des Arbeitslosengeldes (bzw. - gemäß § 59 AlVG - in Angelegenheiten der Notstandshilfe) erhoben wurden (§ 56 Abs. 1 AlVG). Der angefochtene Bescheid ist daher so anzusehen, als ob er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre, und somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

2.3. Ungeachtet dessen, daß dieser Aufhebungsgrund jenem der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides im Sinne des §42 Abs.2 Z. 1 VwGG vorgeht, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof jedoch aus verfahrensökonomischen Gründen dazu veranlaßt, neuerlich auf seine - oben wiedergegebene- Rechtsprechung zu verweisen, wonach bei Beurteilung des Anspruches auf Familienzuschlag im Sinne des § 20 Abs. 2 AlVG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 364/1989) kein starrer Maßstab hinsichtlich der Einkommensgrenzen, insbesondere nicht etwa der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes in der niedrigsten Lohnklasse, anzuwenden ist und eine Anrechung der Familienbeihilfe nicht in Betracht kommt, von der abzugehen der vorliegende Beschwerdefall keinen Anlaß bietet (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 90/08/0167).

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990080191.X00

Im RIS seit

18.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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