TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/23 90/06/0166

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Veröffentlicht am 23.10.1991
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;

Norm

BauO Tir 1989 §7 Abs1 litb;
BauO Tir 1989 §7 Abs2;
BauO Tir 1989 §8;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. der BN in W, 2. des KN in Lienz und 3. des Dr. JN, Rechtsanwalt in Lienz, (die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer vertreten durch den Drittbeschwerdeführer), gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. November 1989, Zl. Ve-550-1597/2, betreffend Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde L, 2. I-GmbH in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die zweitmitbeteiligte Partei stellte an den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde am 30. Juni 1988 den Antrag auf Abänderung des Bebauungsplanes hinsichtlich der Gp. n/5 und n/15 der KG L, und zwar durch Höherzonung von "E + 1" auf "E + 2 mit ausgebautem Dachgeschoß (drei Vollgeschosse)" und durch die Auflassung einer Verkehrsfläche zwecks Errichtung einer Wohnhausanlage mit drei Einzelhäusern entsprechend einem dem Ansuchen beigeschlossenen Lageplan. Am 22. Dezember 1988 beantragte die zweitmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage bestehend aus zwei Häusern, einer Tiefgarage und Einzelgaragen. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde beraumte über diesen Antrag eine mündliche Verhandlung für den 22. Februar 1989 an, zu der auch die Beschwerdeführer als Nachbarn - unter Hinweis auf § 42 AVG und die mit der nicht rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen verbundenen Rechtsfolgen - geladen wurden. Noch vor dieser mündlichen Verhandlung erhoben die Beschwerdeführer schriftlich folgende Einwendungen:

"Die im § 7 TBO vorgesehenen Mindestabstände sind nicht gewahrt. Das Haus 1 hat von unserer Ostgrenze der Gp. n/7 einen größtmöglichen Abstand von 7,45, der sich jedoch gegen Süden allmählich vermindert. Beim Haus Nr. 2 beträgt der größtmögliche Abstand 7 m und verringert sich am Südende auf 6,05 m. Von der Oberfläche des an die Außenwand anschließenden Geländes erhebt sich das Erdgeschoß 2,65 m hoch. Das darüber gebaute erste und zweite Obergeschoß erreicht eine Höhe von 8,55 m, sodaß sich bis zum Schnitt der äußeren Wandfläche mit der Dachhaut insgesamt 11,2 m ergeben. Im Dachgeschoß sind jedoch weitere Räumlichkeiten mit einer Höhe von insgesamt 3,60 m mit nach Westen, also zu unserem Grundstück zugekehrten senkrechten Fensteröffnungen vorgesehen, sodaß sich eine Wandhöhe von insgesamt 14,8 m ergibt. Nach § 7 Abs. 1 lit. b ist jedoch im Bauland ein Bauabstand im Ausmaße des 0,7-fachen der Wandhöhe einzuhalten, das sind bei 14,8 m 10,36 m. Der vorgeschriebene Bauabstand ist sohin bei weitem nicht gewahrt."

In der bei der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 1989 aufgenommenen Verhandlungsschrift wurde auf die Einwendungen der Beschwerdeführer Bezug genommen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. April 1989 wurde der zweitmitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung unter zahlreichen Auflagen und Bedingungen erteilt. Gleichzeitig wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen; dies wird im erstinstanzlichen Bescheid wie folgt begründet:

"Gemäß § 7 Abs. 2 TBO ist die Wandhöhe von der Oberfläche des an die Außenwand anschließenden Geländes bis zum Schnitt der äußeren Wandfläche mit der Dachhaut zu messen. Ist eine Wand infolge des anschließenden Geländes verschieden hoch, so darf der Höhenunterschied, der sich aus der Neigung des anschließenden Geländes ergibt, bis insgesamt höchstens 3,0 m gemittelt werden. Bei Anwendung dieser Bestimmungen ergibt sich für das gegenständliche Bauvorhaben eine tatsächliche Wandhöhe von 8,60 m. Aus dem 0,7-fachen dieser Wandhöhe errechnet sich ein Mindestabstand zur Grundstücksgrenze von 6,02 m. Wie aus den Profilplänen des Zivilgeometers ... vom 23. Februar 1989 hervorgeht, weist die geplante Wohnanlage an der Südwestecke des Hauses II einen Abstand zur Grundgrenze von 6,05 m auf, der bis sich bis zur Nordwestecke des Hauses I auf 7,47 m vergrößert. Der nach der Tiroler Bauordnung vorgeschriebene Mindestabstand zum Grundstück Gp. n/7 kann somit eingehalten werden. Die Dachaufbauten (Einzelgaupen) sind bei der Ermittlung der Wandhöhe außer Betracht zu lassen, da es sich hiebei um untergeordnete Bauteile im Sinne des § 7 Abs. 2 TBO handelt."

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, worin sie der Auffassung des erstinstanzlichen Bescheides, die Einzeldachgaupen seien untergeordnete Bauteile, mit dem Einwand entgegentreten, es sei die Frage abzuklären, ob das Dachgeschoß als Vollgeschoß zur Berechnung der Bauhöhe heranzuziehen sei oder nicht. Im weiteren beschäftigt sich die Berufung der Beschwerdeführer ausschließlich mit dieser Frage, wobei auf die Bestimmungen des § 3 Abs. 4 TBO und des § 19 Abs. 1 der Technischen Bauvorschriften verwiesen wird. Die Beschwerdeführer gelangen schließlich zur Auffassung, daß das Dachgeschoß zur Berechnung der Bauhöhe heranzuziehen sei, sodaß bei den von der zweitmitbeteiligten Partei geplanten Häusern eine Bauhöhe von insgesamt 13,85 m anzunehmen sei. Gemäß § 8 TBO hätten die Beschwerdeführer das Recht auf die Einhaltung der höchstzulässigen Gebäudehöhe; die Zulässigkeit richte sich danach, ob sich das Bauvorhaben in das Ortsbild einfüge. Dies sei - wie sich aus der tatsächlichen Bebauung der Umgebung ergebe - nicht der Fall. Auch die Geschoßflächendichte sei von der Behörde nicht ermittelt worden.

Mit Bescheid vom 31. Juli 1989 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides verwies die Berufungsbehörde neuerlich auf die festgelegte Wandhöhe von 8,60 m und die sich daraus ergebende Einhaltung des Mindestgrenzabstandes von 6,02 m. Die Berufungsbehörde teilte auch die Auffassung der Baubehörde erster Instanz, daß die Dachgaupen als untergeordnete Bauteile einzustufen seien. Im weiteren setzte sich der Berufungsbescheid mit der Frage der zulässigen Bauhöhe auseinander und verwies auf den Gemeinderatsbeschluß vom 16. November 1988, womit der Bebauungsplan dahin geändert worden sei, daß nunmehr eine Bauweise "E + 2 mit ausgebautem Dachgeschoß" ob der Bauliegenschaft vorgesehen sei. Eine Prüfung der Geschoßflächendichte sei entbehrlich gewesen, da im Bebauungsplan keine Geschoßflächendichten ausgewiesen seien.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in der sie im wesentlichen ihr Berufungsvorbringen wiederholten. Die Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 1989 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 24. September 1990, B 14/90, abgelehnt und sie antragsgemäß gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde (in Verbindung mit dem aufgrund eines Mängelbehebungsauftrages erstatteten Ergänzungsschriftsatz) machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Hinsicht beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, uva.).

Gemäß § 30 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung (TBO), in der hier bereits anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 33/1989, sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Dem Grundeigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt.

Gemäß § 30 Abs. 4 TBO hat die Behörde über eine Einwendung abzusprechen, die - von einem Nachbarn erhoben - die Verletzung eines Rechtes behauptet, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes begründet ist, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendung). Subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Da im Beschwerdefall weder Gewerbe- und Industriegebiet noch Kerngebiet vorliegt, beträgt gemäß § 7 Abs. 1 lit. b TBO der Mindestabstand von Gebäuden von den Grenzen gegenüber anderen Grundstücken als Verkehrsflächen das 0,7-fache der Höhe der der Grundstücksgrenze zugekehrten Wand, jedenfalls aber 4 m.

Die Beschwerdeführer wurden nach der Aktenlage - und wie von ihnen auch nicht in Zweifel gezogen wird - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG zur mündlichen Bauverhandlung vom 22. Februar 1989 geladen. In ihren (rechtzeitig erhobenen) schriftlichen Einwendungen vom 20. Februar 1989 rügen die Beschwerdeführer ausschließlich die Nichteinhaltung der Mindestabstände. Diese hängen gemäß § 7 Abs. 1 lit. b TBO von der Wandhöhe, nicht aber auch von der Anzahl der Geschoße oder von der Bauhöhe im Sinne des § 8 TBO ab. Die von den Beschwerdeführern in ihrer Berufung (erstmals) erhobenen Einwendungen gegen die Anzahl der Geschoße, sowie hinsichtlich der Geschoßflächendichte und der Bauhöhe stehen daher in keinem Zusammenhang mit der Einwendung der Nichteinhaltung des Mindestabstandes. Die Beschwerdeführer sind daher mit diesen Einwendungen gemäß § 42 AVG präkludiert. Eine Erörterung des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens erübrigt sich daher, da die Möglichkeit einer Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer schon wegen der eingetretenen Präklusion insoweit auszuschließen ist.

Wie schon in ihren auf Verwaltungsebene erhobenen Rechtsmitteln bestreiten die Beschwerdeführer auch in ihrer Beschwerde nicht die korrekte Ermittlung der Wandhöhe aus den dem Baubewilligungsbescheid zugrundeliegenden Einreichplänen mit 8,60 m, sowie ferner, daß der sich daraus ergebende Mindestabstand von 6,02 m gewahrt ist. Die belangte Behörde hat auch zutreffend erkannt, daß die senkrechte Vorderwand der von den Außenwänden des zweiten Obergeschoßes um ca. 1 m zurückversetzten Dachgaupen (Breite 2,10 m bzw. 3,10 m bei einer Gesamtlänge des Hauses von 23,75 m) bei Ermittlung der Wandhöhe gemäß § 7 Abs. 2 TBO nicht zu berücksichtigen sind, weil es sich bei solchen Dachgaupen um untergeordnete Bauteile im Sinne dieser Gesetzesstelle (vergleichbar den dort genannten Maschinenräumen für Aufzüge und Stiegenhäuser) handelt.

Dies wird von den Beschwerdeführern in ihrer Beschwerde auch gar nicht mehr in Zweifel gezogen, beschäftigen sich doch die Beschwerdeausführungen ausnahmslos mit dem Begriff des "Vollgeschoßes" und der Frage, ob das Dachgeschoß als Vollgeschoß der "Gebäudehöhe hinzuzuzählen" sei, womit sie aber am einzigen zulässigen Thema des Beschwerdeverfahrens, nämlich der Einhaltung der Abstände zu den Grundgrenzen der Beschwerdeführer, vorbeigehen.

Da durch den angefochtenen Bescheid somit Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060166.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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