TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/28 91/19/0240

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.1991
beobachten
merken

Index

24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §2;
AsylG 1968 §5 Abs2;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z7;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §6;
StGB §224;

Beachte

Der Beschwerdefall 91/19/0241 wurde am gleichen Tag, 91/19/0260 am 11.11.1991 im gleichen Sinn entschieden.

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 18. Juni 1991, Zl. FRA 522/AD-1991, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Juni 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 7 und Abs. 3 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 (im folgenden kurz: FPG), ein bis zum 31. Dezember 2005 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Zunächst ist die Frage zu prüfen, ob der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Vorschriften des § 5 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes (BGBl. Nr. 126/1968) entgegenstanden, da nach der Aktenlage das diesbezügliche Feststellungsverfahren über die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war. Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Gemäß § 5 Abs. 2 des Asylgesetzes steht der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Asylwerbers (nach Abs. 1) ein nach

den Bestimmungen des FPG erlassenes Aufenthaltsverbot ... nicht

entgegen; in diesem Fall ersetzt die vorläufige Aufenthaltsberechtigung eine Bewilligung gemäß § 6 FPG.

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß diese Bestimmung nach ihrem Sinngehalt im gegebenen Zusammenhang nicht nur den Fall des bereits bestehenden Aufenthaltsverbotes, sondern auch jenen der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes während der Anhängigkeit eines Feststellungsverfahrens nach § 2 des Asylgesetzes umfaßt, wobei dem Asylwerber ohnedies die Rechtswohltat des zweiten Halbsatzes des § 5 Abs. 2 Asylgesetz zugute kommt.

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 2 und 7 sowie des Abs. 3 FPG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht:

2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

7. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, daß er innerhalb der letzten fünf Jahre im Inland insgesamt drei Jahre einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde darauf, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 25. März 1991 wegen Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden sei. Weiters habe der Beschwerdeführer Verstöße gegen das Grenzkontrollgesetz (illegale Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle), das Paßgesetz (Einreise ohne Sichtvermerk) und das FPG (unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet) begangen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, Zl. 90/19/0146) handelt es sich bei Abs. 1 des § 3 FPG um die Generalklausel und bei Abs. 2 um die beispielsweise Aufzählung von Fällen, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls rechtfertigen; ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 3 Abs. 1 FPG auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im Abs. 2 angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die Annahme rechtfertigen, daß durch den Aufenthalt des Betroffenen eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit vorliegt oder andere öffentliche Interessen verletzt werden. Der Entscheidung über die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ist von der Behörde das Gesamtverhalten des Betroffenen zugrunde zu legen.

Bezieht man nun in das der Beurteilung unterliegende Gesamtverhalten des Beschwerdeführers die den Gegenstand seiner zitierten gerichtlichen Verurteilung bildende Tat sowie die vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Verstöße gegen die im § 3 Abs. 2 Z. 2 (zweiter Fall) angeführten Gesetze (selbst unter Bedachtnahme darauf, daß rechtskräftige Bestrafungen des Beschwerdeführers in letzterer Hinsicht nicht aktenkundig sind) mit ein, so ist die Subsumtion des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers unter § 3 Abs. 1 FPG nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde auch den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 7 FPG als verwirklicht ansehen konnte.

Auch die von der belangten Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 FPG vorgenommene Interessenabwägung - wonach sie ausgeführt hat, daß der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht integriert sei und keine berücksichtigungswürdigen familiären Bindungen zu den in Österreich lebenden Personen habe - ist selbst in Ansehung des Umstandes, daß nach dem Beschwerdevorbringen der Bruder des Beschwerdeführers seit Jahren in Österreich lebe und hier arbeite, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Was schließlich die Rüge des Beschwerdeführers anlangt, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei "standardisiert", so vermag dies der Beschwerde gleichfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 28. September 1988, Zl. 88/02/0139) ist es nämlich der Behörde überlassen, ob sie in der Begründung ihrer Bescheide in allgemein gleichgelagerten Fällen sich der gleichen oder einer verschiedenen Wortwahl bedient.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinGrundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur RechtsverletzungsmöglichkeitBescheidcharakter Bescheidbegriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190240.X00

Im RIS seit

25.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten