TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/28 91/19/0227

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Veröffentlicht am 28.10.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §46 Abs5;
AAV §46 Abs6;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §33 Abs7;
BArbSchV §19 Abs3;
BArbSchV §19 Abs4;
BArbSchV;
VStG §19 Abs2;
VStG §44a litc;
VStG §44a Z3 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des M in V, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 27. Mai 1991, Zl. 14-SV-3028/4/91, betreffend Bestrafung wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Straf- und des Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen, d.h. hinsichtlich des Schuldspruches, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 11. September 1990 war der nunmehrige Beschwerdeführer unter Punkt 1) schuldig erkannt worden - nur insoweit ist das Straferkenntnis im vorliegenden Fall von Belang - es, wie dies am 14. März 1990 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates anläßlich einer Unfallerhebung auf der Baustelle "Hotel S" in P festgestellt worden sei, als verantwortlicher Arbeitgeber unterlassen zu haben, dafür zu sorgen, daß

"der Gerüstbelag auf der zweiten Gerüstetage des auf dieser Baustelle verwendeten Gerüstes entsprechend ausgeführt ist und darüberhinaus die Mittel- und Fußwehren angebracht sind, wodurch der Arbeitnehmer Maurer J beim Malen einer Putzfasche eines Fensters im ersten Stock ausgerutscht und ca. 5 m abgestürzt ist, zumal als Gerüstbelag ein zu schmaler Pfosten, ca. 28 bis 30 cm breit und überdies sandig und instabil, gewählt wurde".

Der Beschwerdeführer war deshalb wegen Übertretung des § 46 Abs. 5 und 6 AAV im Zusammenhang mit § 19 Abs. 3 und 4 der Verordnung vom 10. November 1954, BGBl. Nr. 267, über Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (in der Folge: BauArbSchV) gemäß § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, (ASchG) mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) bestraft worden. Ferner war gemäß § 64 VStG der Beitrag des Beschwerdeführers zu den Kosten des Strafverfahrens bestimmt worden.

2. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Kärnten (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 27. Mai 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis im vorbezeichneten Umfang. Weiters wurde der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens bestimmt (§ 64 Abs. 1 VStG).

3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid (im Umfang der Bestätigung des Punktes 1) des Straferkenntnisses) in seinem Recht, nicht der ihm angelasteten Übertretung wegen schuldig erkannt und nicht hiefür bestraft zu werden, verletzt. Er behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer meint, es wäre zur Beurteilung der "Strafwürdigkeit im Rahmen des § 46 Abs. 5 und 6 AAV" unbedingt eine Verfahrensergänzung notwendig gewesen, weil in aktenwidriger Weise davon ausgegangen worden sei, daß ein nicht taugliches Gerüst verwendet worden sei.

1.2. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Die belangte Behörde hat sich hinsichtlich der von ihr als erwiesen angenommenen mangelhaften Ausführungen des Gerüstes (vgl. oben I.1.) auf die diesbezüglichen Feststellungen des zuständigen Arbeitsinspektorates an der Baustelle am 14. März 1990, die in der Folge zur Stellung eines Strafantrages an die Behörde erster Instanz führten, gestützt. Den vorgelegten Akten läßt sich kein Anhaltspunkt entnehmen, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, ihre auf dem genannten Beweismittel basierende Sachverhaltsannahme zu revidieren. Den die Beschaffenheit des Gerüstes betreffenden Feststellungen des Arbeitsinspektorates steht lediglich die undifferenzierte Behauptung des Beschwerdeführers (vgl. Berufung vom 24. September 1990) gegenüber, wonach bei "Arbeitsbeginn und meiner Besichtigung das Gerüst den Anforderungen entsprochen (hat)"- dies noch dazu mit der im Zusammenhang wesentlichen Einschränkung, daß er am Unfalltag (14. März 1990) "an der Baustelle nicht anwesend (war)". Daß die belangte Behörde angesichts dessen im Rahmen ihrer Beweiswürdigung den Angaben des Arbeitsinspektorates folgte und nicht jenen des Beschwerdeführers ist nicht als unschlüssig zu erkennen.

Wenn die Beschwerde überdies darauf hinweist, daß sich im gerichtlichen Strafverfahren ergeben habe, daß ein taugliches Gerüst errichtet worden sei und daß der besagte Arbeitnehmer vorschriftswidrig das bereits im Abbau befindliche Gerüst verwendet habe, so führt auch dieses Vorbringen nicht weiter, da es für die Verwirklichung der dem Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren zur Last gelegten Übertretungen unerheblich ist, ob die unzureichende Ausführung eines Gerüstes ursächlich für die Verletzung eines Arbeitnehmers war, ebenso, ob überhaupt ein am betreffenden Gerüst tätiger Abeitnehmer verletzt worden ist. Im übrigen ist der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Urteilsausfertigung, der zufolge der Beschwerdeführer von der wider ihn erhobenen Anklage wegen § 88 Abs. 1, 4 StGB (aus dem Grund: "Kein Schuldbeweis") freigesprochen worden ist (§ 259 Z. 3 StPO), nicht zu entnehmen, daß ein "taugliches Gerüst errichtet (wurde)".

2.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß für eine Bestrafung gemäß § 31 Abs. 2 lit. p ASchG "eine Verletzung der Bestimmungen des § 19 Abs. 3 und 4 BGBl. Nr. 267/1954 nicht herangezogen werden (kann), weil sich diese nicht aus der Verordnungsermächtigung nach § 24 ASchG ableiten, was für die Strafbarkeit aber voraussetzend wäre".

2.2. Mit diesem Einwand übersieht der Beschwerdeführer - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht hinweist - die Vorschrift des § 33 Abs. 7 ASchG, nach deren ersten Satz bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs. 1 genannten Rechtsvorschriften - zu denen gemäß Z. 12 die BauArbSchV zählt - die Bestimmungen des § 31 sinngemäß gelten. Darauf, daß § 33 Abs. 7 ASchG in dem von der belangten Behörde bestätigten Teil des Straferkenntnisses nicht (neben § 31 Abs. 2 lit. p leg. cit.) als die gemäß § 44a Z. 3 VStG angewendete Gesetzesbestimmung angeführt worden ist, wird noch zurückzukommen sein.

3.1. Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer, daß im bekämpften Bescheid nicht dargelegt worden sei, "von welchen nachvollziehbaren Erwägungen" sich die Behörde bei der Strafzumessung habe leiten lassen.

3.2. Dieser Einwand ist berechtigt. Die belangte Behörde legte ihrer Strafbemessung zunächst zugrunde, daß der Beschwerdeführer "selbständig erwerbstätig als Malermeister ist, ein unbestimmtes Einkommen bezieht und für einen minderjährigen Sohn und die geschiedene Ehegattin sorgepflichtig ist". Damit wurde dem Gebot des § 19 Abs. 2 VStG, wonach die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen sind, nicht Rechnung getragen, lassen doch die Hinweise auf die "selbständige Erwerbstätigkeit" des Beschwerdeführers und dessen "unbestimmtes Einkommen" nicht einmal ansatzweise erkennen, von welchen konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen die belangte Behörde ausgegangen ist, dies insbesondere auch deshalb, weil sie die erstinstanzliche Annahme eines "durchschnittlichen Monatseinkommens von S 20.000,--" nicht in ihre Begründung übernommen hat. Wenn die belangte Behörde weiters ausführt, sie habe "das Ausmaß des Verschuldens des Beschuldigten" berücksichtigt, so hat sie damit der Anordnung des § 19 Abs. 2 zweiter Satz VStG nicht Genüge getan, da nicht erkennbar ist, welches "Ausmaß" die belangte Behörde als erwiesen angenommen bzw. ob sie diesen Umstand als Erschwerungsgrund gewertet hat. Die belangte Behörde hat schließlich - zuungunsten - des Beschwerdeführers berücksichtigt, "daß der Arbeitnehmer des Beschuldigten vom mangelhaften Gerüst abgestürzt ist und dabei verletzt wurde". Damit ist sie ohne entsprechenden Nachweis davon ausgegangen, daß die Mangelhaftigkeit des Gerüstes kausal für den Absturz und die Verletzung des Arbeitnehmers war, und hat dies bei Bemessung der Strafe als erschwerend gewertet (§ 19 Abs. 2 VStG in Verbindung mit § 32 Abs. 3 StGB).

Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Strafausspruch (einschließlich des Kostenausspruches) an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften leidet (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG).

4. Wie bereits erwähnt, führt der von der belangten Behörde bestätigte Strafausspruch des Straferkenntnisses vom 11. September 1990 als Strafnorm im Sinne des § 44a Z. 3 VStG lediglich § 31 Abs. 2 lit. p ASchG und nicht, wie erforderlich, auch § 33 Abs. 7 leg. cit. an (vgl. dazu etwa die

hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0205, und vom 8. Juli 1991, Zl. 91/19/0003). Insoweit haftet dem Strafausspruch (einschließlich des Kostenausspruches) inhaltliche Rechtswidrigkeit an.

5. Da nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine inhaltliche Rechtswidrigkeit eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in den Hintergrund drängt, war der Strafausspruch des angefochtenen Bescheides einschließlich des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Kostenausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Strafnorm Mängel im Spruch Nichtanführung unvollständige Anführung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190227.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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