TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/10 89/14/0063

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Veröffentlicht am 10.12.1991
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §22;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
KStG 1966 §22 Abs2;

Betreff

A-GmbH in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in N, gegen die FLD für Kärnten, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend die Berufung vom 27.11.1987, gegen folgende Bescheide des Finanzamtes Klagenfurt:

Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1984 bis 1986, Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1984, Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens und Vermögensteuer ab dem 1.1.1986, alle Bescheide zuzüglich Wiederaufnahme des Verfahrens, sowie Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens und Vermögensteuer ab 1.1.1987.

Spruch

1. Der Berufung wird stattgegeben. Sämtliche die Wiederaufnahme der Verfahren anordnenden Bescheide sowie die betreffenden neu erlassenen Sachbescheide werden aufgehoben. Der Berufung gegen den Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens ab 1. Jänner 1987 wird insoweit stattgegeben, als dieser Bescheid von der Aufhebung der vorgenannten Bescheide berührt wird.

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, den versäumten Bescheid insoweit unter Zugrundelegung der in diesem Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung binnen 8 Wochen zu erlassen, als er die Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens und (in der Folge) die Vermögensteuer ab 1. Jänner 1987 betrifft.

2. Die Berufung betreffend Vermögensteuer ab 1. Jänner 1987 wird abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 5.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine von vier Konzerngesellschaften eines Familienkonzerns. Bei sämtlichen Konzerngesellschaften fanden Betriebsprüfungen statt. Die bei den einzelnen Gesellschaften getroffenen Prüfungsfeststellungen sind zum Teil sowohl sachverhaltsmäßig als auch rechtlich vergleichbar. Alle vier Gesellschaften haben gegen die den Feststellungen des Prüfers folgenden Abgaben- und Feststellungsbescheide Berufung erhoben, über die der Gerichtshof infolge Säumigbleibens der belangten Behörde zu entscheiden hat. Über eine dieser Berufungen hat der Gerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, 89/14/0064, entschieden. Soweit die dort getroffenen Feststellungen auch im vorliegenden Beschwerdefall Gültigkeit haben, wird auf dieses Erkenntnis verwiesen. Im übrigen hat der Gerichtshof über die Berufung erwogen:

1. WIEDERAUFNAHME DER VERFAHREN:

Die Beschwerdeführerin bekämpft die Wiederaufnahme der Verfahren mit dem Argument, daß die Feststellungen des Betriebsprüfers ausschließlich auf einer anderen rechtlichen Beurteilung von Fakten beruhten, die dem Finanzamt bereits bekannt waren oder bekannt sein mußten.

Die Abgabenbehörde erster Instanz hat als Wiederaufnahmsgründe aufgegriffen:

a) Die zu Unrecht erfolgte Berücksichtigung der auf einen Gesellschafterzuschuß in Höhe von S 53 Millionen entfallenden Gesellschaftsteuer (S 1,060.000,--) als Betriebsausgabe sowie

b) die näheren Umstände im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Ausschüttungsbegünstigung des § 22 Abs. 2 KStG 1966 durch Anwendung des sogenannten "Schütt aus hol zurück"-Verfahrens.

Zu a) Die Beschwerdeführerin verweist auf ihre Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 1984, aus der "die Dotierung der freien Rücklage durch Gesellschafterzuschuß" sowie "das Fehlen einer steuerlichen Hinzurechnung der Gesellschaftsteuer" hervorgehe. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Art der Offenlegung genügte, um davon ausgehen zu können, daß dem Finanzamt die zu Unrecht erfolgte Berücksichtigung der auf den Gesellschafterzuschuß entfallenden Gesellschaftssteuer als Betriebsausgabe bereits bekannt war. Diese Tatsache ist dem Finanzamt nämlich jedenfalls dadurch bekannt gewesen, daß in der mit der Steuererklärung am 30. Oktober 1985 vorgelegten Bilanz zum 31.März 1984 unter den Passiva eine Rückstellung für Gesellschaftsteuer im Ausmaß von S 1,060.000,-- ausgewiesen war. Von einer für das Finanzamt neu hervorgekommenen Tatsache kann daher keine Rede sein.

Zu b) Der Wiederaufnahmsgrund, der im "Schütt aus hol zurück"-Verfahren erblickt wird, liegt ebenfalls nicht vor, weil die Kenntnis der diesbezüglichen näheren Umstände weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 4 BAO). Der Gerichtshof vertritt nämlich die Auffassung, daß die Ausschüttungsbegünstigung von der Beschwerdeführerin zu Recht in Anspruch genommen wurde. Bezüglich der näheren Begründung wird auf die nachstehenden Ausführungen verwiesen.

Da somit die vom Finanzamt aufgegriffenen Wiederaufnahmsgründe keine Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren rechtfertigten, waren sämtliche die Wiederaufnahme des Verfahrens anordnenden Bescheide sowie die neu erlassenen Sachbescheide aufzuheben. Daraus folgt weiters, daß der Berufung gegen den Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens ab 1. Jänner 1987 insoweit stattzugeben war, als er von der Aufhebung der eben genannten Bescheide berührt wird.

2. INANSPRUCHNAHME DES BEGÜNSTIGTEN STEUERSATZES GEMÄß § 22 ABS. 2 KSTG 1966:

Der Gerichtshof hat sich mit der Frage, ob die Ausschüttungsbegünstigung des § 22 Abs. 2 KStG 1966 auch in Bezug auf solche Ausschüttungen in Anspruch genommen werden kann, die nicht aus selbsterwirtschafteten Gewinnen, sondern aus vorangegangenen Gesellschaftereinlagen stammen, im Erkenntnis vom heutigen Tag, 89/14/0064, befaßt und dies im Grundsätzlichen bejaht. Auf die dort getroffenen Aussagen wird verwiesen. Ergänzend ist unter dem Blickwinkel eines allfälligen Mißbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes gemäß § 22 BAO festzuhalten:

Der Betriebsprüfer hat festgestellt, daß die an der Beschwerdeführerin mit 50 % beteiligte P-GmbH (=Familienholding) der Beschwerdeführerin am 20. und 31. Oktober 1983 Zuschüsse in Höhe von insgesamt S 53 Millionen gewährt hat (in der Folge wurde als Datum des Gesellschafterzuschusses der 17. Oktober 1983 genannt). Der Zuschuß sei als freie Rücklage in die Bilanz der Beschwerdeführerin eingestellt worden. Teilbeträge dieser Rücklage in Höhe von S 1,2 Millionen (1984), S 2 Millionen (1985) und S 2 Millionen (1986) seien wiederum aufgelöst und an die Gesellschafter ausgeschüttet worden. (Im Laufe des Verfahrens wurde übereinstimmend festgehalten, daß der im Jahr 1984 ausgeschüttete Teilbetrag von S 1,2 Millionen unmittelbar als a.o. Ertrag gebucht und wiederum ausgeschüttet worden war.)

Diese Ausschüttungen seien deswegen nicht geeignet, bei der Ausschüttungsbegünstigung des § 22 Abs. 2 KStG 1966 berücksichtigt zu werden, weil die seinerzeitige Zuschußgewährung ohne konkrete Begründung und ohne Weisung erfolgt sei. Einem Schreiben der P-GmbH vom 17. Oktober 1983 sei zwar zu entnehmen, daß der Gesellschafterzuschuß "zur Stärkung Ihrer Eigenmittel für Zwecke der von Ihnen durchzuführenden Investitionen" gewährt werde; in Wahrheit habe aber die Beschwerdeführerin "überhaupt keine Investitionen" getätigt und "nach der Art ihrer tatsächlichen Geschäftsführung (reine Vermögensverwaltung) gar nicht tätigen" können.

Die Beschwerdeführerin hat zunächst auf den Aktenvermerk vom 29. Mai 1987 verwiesen, in dem die Gründe für die Gewährung des Gesellschafterzuschusses und für die nachfolgenden Ausschüttungen genannt worden seien. Als Vermögensverwaltungsgesellschaft sei der Beschwerdeführerin innerhalb des Konzerns die Aufgabe zugekommen, finanzielle Mittel zu bestmöglichen Zinsen zu veranlagen. Aus der Sicht dieses Unternehmenszweckes sei die finanzielle Ausstattung mit ungebundenem Kapital zweckmäßig gewesen. Die Ausschüttungen an die Gesellschafter hätten sich in der Größenordnung der Zinserträge bewegt.

In der Gegenäußerung vom 7. März 1988 hat die Beschwerdeführerin zu dem Vorwurf des Betriebsprüfers Stellung genommen, der Gesellschafterzuschuß sei für "durchzuführende Investitionen" gewährt worden; Investitionen seien aber weder getätigt worden noch seien sie vom Unternehmensgegenstand her gesehen möglich gewesen. Dem hielt die Beschwerdeführerin entgegen, daß es bei einer Vermögensverwaltungsgesellschaft selbstverständlich sei, auch die Veranlagung von Vermögen "in Form von Leasing- und Bankgeschäften" als "Investitionen" anzusehen. Hauptzweck der Maßnahme nach Absicht der Beschwerdeführerin sei gewesen, nicht betriebsnotwendige liquide Mittel aus der Reifenhaus T-GmbH (= die zweite mit 50 % beteiligte Gesellschafterin der Beschwerdeführerin) abzuziehen und so die Aufgaben einer Vermögensverwaltungs- und Anlagegesellschaft auszuüben. Schließlich wurde von der Beschwerdeführerin auch auf die diversen Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb des Konzerns hingewiesen, die ebenfalls für die praktizierte "Schütt aus hol zurück"-Methode gesprochen hätten. Diesbezüglich wird auf die einschlägigen Ausführungen im Erkenntnis vom heutigen Tag, 89/14/0064, verwiesen.

Der Gerichtshof vermag weder in der gewählten Form der Kapitalausstattung der Beschwerdeführerin noch in deren Ausschüttungspolitik einen Mißbrauch im Sinne des § 22 BAO zu erkennen. Dies hat zur Folge, daß die von der Beschwerdeführerin in Anspruch genommene Ausschüttungsbegünstigung des § 22 Abs. 2 KStG 1966 in vollem Umfang zusteht, sodaß die damit im Zusammenhang stehenden Umstände schon deswegen keinen Wiederaufnahmsgrund darstellen, weil sie weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt hätten (§ 303 Abs. 4 BAO).

3. ANFECHTUNG DES BESCHEIDES BETREFFEND VERMÖGENSTEUER AB DEM 1. JÄNNER 1987:

Aus den unter Punkt 5 der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom heutigen Tag, 89/14/0062, näher dargelegten Gründen war die Berufung gegen den Vermögensbescheid ab 1. Jänner 1987 abzuweisen, weil dieser Bescheid als abgeleiteter Bescheid gemäß § 252 Abs. 1 BAO nicht mit jener Begründung angefochten werden konnte, die (zu Recht) gegen den Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid (= Bescheid betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens ab 1. Jänner 1987) vorgebracht wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989140063.X00

Im RIS seit

10.12.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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