TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/12 91/06/0167

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Veröffentlicht am 12.12.1991
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Index

L10018 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Vorarlberg;
L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
GdG Vlbg 1985 §85 Abs1 litd;
GdG Vlbg 1985 §85 Abs1;
GdG Vlbg 1985 §85 Abs3;
RPG Vlbg 1973 §16 Abs3;
RPG Vlbg 1973 §20 Abs1;
RPG Vlbg 1973 §20 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch über die Beschwerde 1. des KN und 2. des ON in St. Gallenkirch, beide vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 24. Juli 1991, Zl. VIIa 310.70-2, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.880,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. Oktober 1988 wurde den Beschwerdeführern die Baubewilligung für den Neubau eines Maisäßhauses auf der Gp. nn,

KG St. Gallenkirch, erteilt. Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz hat als Gemeindeaufsichtsbehörde mit Bescheid vom 2. Mai 1990 den Bescheid des Bürgermeisters aufgehoben und gleichzeitig die aufschiebende Wirkung einer allfällig gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung ausgeschlossen. Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz ging der Begründung ihres Bescheides zufolge davon aus, daß es sich bei dem bewilligten Objekt um ein reines Wohngebäude handle, dessen Errichtung in einem als Landwirtschaftsgebiet gewidmeten Bereich auch nach der zum Zeitpunkt der Erlassung der Baubewilligung geltenden Fassung des § 16 Abs. 3 des Raumplanungsgesetzes als unzulässig anzusehen gewesen sei. Auf der Bp. n1 sei ein noch bestehendes Stallgebäude. Auf den Bpn. Nr. n2 und n3 bestünden keine Gebäude mehr, sie seien schon vor Jahren teils durch Steinschlag beschädigt worden (insbesondere das Maisäßhaus Bp. n2), teils mangels Instandhaltung verfallen. Der den Beschwerdeführern nunmehr vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde bewilligte Neubau solle offensichtlich als Ersatz für das Maisäßhaus auf der Bp. n2 dienen, der geänderte Standort sei aus Gründen des Steinschlagschutzes gewählt worden. Die Beschwerdeführer betrieben keine Landwirtschaft. Der Erstbeschwerdeführer sei Eigentümer eines Hotelbetriebes sowie eines weiteren Gastgewerbebetriebes, der Zweitbeschwerdeführer sei Volksschuldirektor und betreibe zusammen mit seiner Ehefrau ein Restaurant. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen, wobei auch festzustellen sei, daß der (damalige) Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde schon vor Jahren vom Amt der Vorarlberger Landesregierung auf die dem Bauvorhaben der Beschwerdeführer entgegenstehenden raumplanungs- und baurechtlichen Hindernisse aufmerksam gemacht worden sei. Im übrigen bestehe an der Beachtung der Flächenwidmungsplanung bzw. der raumplanungsrechtlichen Vorschriften bei der Erteilung von Baubewilligungen ein besonderes öffentliches Interesse, vor allem auch bezüglich Bauführungen in Freiflächen, zumal es sich im vorliegenden Fall um eines der schönsten Maisäßgebiete des Bezirkes Bludenz mit einer weitgehend intakten bäuerlichen Bausubstanz handle. Die erteilte Baubewilligung stehe daher im Widerspruch zum Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde.

In der Berufung gegen diesen Bescheid führten die Beschwerdeführer im wesentlichen aus, daß sie bereits seit dem Jahre 1981 bemüht seien, ein Maisäßhaus mit Stallgebäude zu errichten, da das bestehende Gebäude durch Steinschlag zerstört worden sei und abgetragen werden mußte, da sich immer wieder Kinder in dem zerstörten Häuschen aufhielten und die Verletzungsgefahr zu groß gewesen sei. Das zerstörte Häuschen sei sogar im Montafoner Heimatbuch als Mustermaisäß abgebildet. Die Beschwerdeführer, die auch Weidebesitzer auf der Alpe Zamang seien, brächten seit vielen Jahren zwei Kühe auf der genannten Alpe zur Weidung. Sie hätten alle notwendigen Arbeitsmittel, Werkzeuge und Kenntnisse, die es zur Führung einer Landwirtschaft benötige, sodaß sie sofort mit einer eigenen Landwirtschaft beginnen könnten, nachdem auch das Stallgebäude, das zur Führung eines solchen Betriebes benötigt werde, renoviert worden sei.

Aufgrund der Berufung der Beschwerdeführer holte die belangte Behörde das Gutachten der Agrarbezirksbehörde Bregenz zu folgenden Fragen ein: 1. Stehen den Beschwerdeführern ausreichend Flächen zur Verfügung, um eine landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit zumindest in der Art des Nebenerwerbes ausüben zu können ? 2. Ist zur Ausübung einer allfälligen landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit ein Maisäßhaus im Bereich des Maisäßes Montiel, wie es von der Gemeinde baubehördlich genehmigt wurde, erforderlich ? 3. Wird zur Bewirtschaftung des Maisäßes Montiel im Umfang der den Beschwerdeführern zustehenden Nutzungsrechte ein Stallgebäude benötigt ? Welchen Umfang müßte dieses Gebäude etwa haben ? (In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführer daran interessiert seien, ein Stallobjekt zu erstellen).

4. Könnte im Fall der Erstellung eines Stallobjektes das gegenständliche Maisäßobjekt als dazugehörendes Wohngebäude im Sinne des § 16 Abs. 3 RPG angesehen werden ?

Mit Schreiben vom 14. Jänner 1991 beantwortete die Agrarbezirksbehörde die an sie gestellten Fragen wie folgt: Die Beschwerdeführer seien Miteigentümer verschiedener Liegenschaften in St. Gallenkirch, die im Zuge eines Verlassenschaftsverfahrens real aufgeteilt werden sollen. Gegenstand dieser Realteilung seien Grundstücke auf dem Maisäß Montiel und im Ortsbereich von St. Gallenkirch. Die Beschwerdeführer seien mit je zwei Weiderechten Mitglieder bei der Agrargemeinschaft Maisäß, Ausschlag Montiel. Die Gesamtfläche der Liegenschaft in EZ nn1 und EZ nn2 betrage 6858 m2. Bei einem 54/120 Anteil, wie dies den Eigentumsverhältnissen der Beschwerdeführer nach ihren Angaben nach der Realteilung entsprechen solle, betrage das anteilige Ausmaß ca. 3086 m2. Das durchschnittliche Ausmaß eines Maisäßes, das von einem Landwirt bewirtschaftet werde, betrage ca. 5632 m2. Dieses relativ geringe Flächenausmaß werde durch die entsprechenden Weiderechte der Mitglieder im Ausschlag (agrargemeinschaftlicher Grund) ergänzt. An Talflächen besitze der Erstbeschwerdeführer 16.537 m2, der Zweitbeschwerdeführer

12.407 m2. Der Erstbeschwerdeführer besitze ein Weiderecht, der Zweitbeschwerdeführer eineinhalb Weiderechte bei der Alpe Zamang. Den Beschwerdeführern stünden somit - wenn es zu der beabsichtigten Realteilung komme - im Maisäßbereich Montiel Flächen zur Verfügung, die dem ortsüblichen Ausmaß in etwa entsprechen. Die Bewirtschaftung der Maisäße auf Montiel erfolge durchwegs im Rahmen von Nebenerwerbslandwirtschaften. Für die Bewirtschaftung der Maisäße auf Montiel verfügten die Bewirtschafter seit altersher sowohl über ein Wohngebäude als auch über einen Stall. Die Ställe ermöglichten im Durchschnitt die Unterbringung von ca. fünf bis sechs Großvieheinheiten. Den Flächen des Maisäßes der Beschwerdeführer würde, wenn sie bewirtschaftet würden, ein Stallgebäude entsprechen, in dem etwa drei bis vier Großvieheinheiten untergebracht werden könnten. Im Falle der Erstellung eines Stallgebäudes könnte das zur Verhandlung stehende Maisäßobjekt, das in seiner Größenordnung im Rahmen der bestehenden Objekte liege, als dazugehörendes Wohngebäude im Sinne des § 16 Abs. 3 RPG angesehen werden. Zu bemerken sei, daß zum Besitz der Beschwerdeführer einmal ein Wohnobjekt gehört habe, das jedoch durch Steinschlag beschädigt und später abgebrochen worden sei. Die Errichtung eines Wohnobjektes allein lasse sich aus der Bewirtschaftung eines Maisäßes nicht rechtfertigen. Auch die Schaffung von zwei Wohnteilen scheine vom Gesichtspunkt der Bewirtschaftung her nicht erforderlich.

In einer Stellungnahme vom 5. Februar 1991 zum Schreiben der Agrarbezirksbehörde führten die Beschwerdeführer aus, die aufgezeigten Weiderechte entsprächen zur Gänze den wirklichen Besitzverhältnissen, zwischenzeitlich habe sich jedoch eine neuerliche Zuteilung von Weiderechten ergeben. Der aufgezeigte Talbesitz entspreche in etwa zwei Fünftel dessen, was sich im gemeinsamen Familienbesitz aller fünf Geschwister befinde. Für die restlichen drei Fünftel, die sich im Besitz der drei Schwestern befänden, hätten die Beschwerdeführer laut Erbvertrag das Vorkaufsrecht. Für eine landwirtschaftliche Nutzung könnten sie jedoch jederzeit die Grundflächen der Schwestern in Anspruch nehmen. Wenn die Beschwerdeführer zur Zeit auch nur als Nebenerwerbsbauern eingestuft würden, wisse niemand, ob sie nicht vielleicht schon morgen ihren Haupterwerb der Landwirtschaft verdanken würden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. April 1991 führte die Agrarbezirksbehörde Bregenz aus, der Erstbeschwerdeführer besitze zwei Weiderechte am Maisäß Montiel und eineinhalb Weiderechte bei der Alpe Zamang, der Zweitbeschwerdeführer besitze zwei Weiderechte beim Maisäß Montiel und ein Weiderecht bei der Alpe Zamang. Ein Besitz von zwei Weiderechten könne noch als üblich angesehen werden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 24. Juli 1991 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge. Die belangte Behörde führte in der Begründung im wesentlichen aus, es fehle zunächst an einem land- und forstwirtschaftlichen Gebäude oder einer Anlage, zu der das seinerzeit bewilligte Maisäßhaus zugehörig sein könne. Allein deshalb stehe das Objekt im Widerspruch zu der im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmung "Landwirtschaftsgebiet". Darüberhinaus werde für die Ausübung von vier Weiderechten und die Bewirtschaftung einer zusätzlichen anteiligen Fläche von 3086 m2 nicht ein Wohnobjekt mit zwei Wohneinheiten benötigt. Hiebei sei es ohne Belang, ob für die allfällige Ausübung in der landwirtschaftlichen Tätigkeit auch im Talbereich Flächen zur Verfügung stünden, da das Wohnobjekt des Maisäßes mit der Bewirtschaftung der Talflächen in keinerlei Zusammenhang stehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit erblicken die Beschwerdeführer vor allem darin, daß zwar im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz auf der Parzelle n1 ein noch bestehendes Stallgebäude erwähnt wurde, im angefochtenen Bescheid diese Bauparzelle im Ausmaß von 129 m2 bei zwei Stockwerken nicht einmal Erwähnung finde, obwohl es sich dabei um ein im Eigentum der Beschwerdeführer stehendes Stallgebäude handle, das schon allein vollkommen ausreiche, die "Dazugehörigkeit" zu begründen.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 15/1973 (RPG) dürfen Bescheide aufgrund von Landesgesetzen, soweit sich aufgrund des betreffenden Landesgesetzes nichts anderes ergibt, dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen (Abs. 1). Entgegen der Bestimmung des Abs. 1 erlassene Bescheide sind mit Nichtigkeit bedroht (Abs. 2). Gemäß § 85 Abs. 1 lit. d des Gemeindegesetzes, LGBl. Nr. 40/1985, können rechtskräftige Bescheide der Gemeinde von der Aufsichtsbehörde aufgehoben werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind rechtskräftige Bescheide der Gemeinde, die ein Gesetz oder eine Verordnung verletzen und aus denen einem Dritten kein Recht erwachsen ist, von der Aufsichtsbehörde aufzuheben, wenn dies im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Schon aus der Gegenüberstellung der Bestimmung des § 85 Abs. 1 des Gemeindegesetzes zu jener des Abs. 3 geht hervor, daß die Aufhebung nach Abs. 1 im Ermessen der Aufsichtsbehörde liegt, hingegen Abs. 3 der Behörde keinen Ermessensspielraum läßt. Wie bei jeder Ermessensentscheidung ist zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens vorliegen, erst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann die Behörde ihr Ermessen ausüben, wobei nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Verwaltungsbehörde auch die Ermessensentscheidung hinreichend zu begründen hat (vgl. die hg. Erkentnisse vom 11. Juni 1969, Zl. 1067/68, vom 9. Oktober 1973, Zlen. 1169, 1170/73, u.a.), und zwar in einem Ausmaß, daß es der Partei ermöglicht, ihre Rechte auch vor dem Verwaltungsgerichtshof zweckmäßig zu verfolgen und das dementsprechend den Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt zu prüfen, ob die Behörde von ihrem Ermessen tatsächlich im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.

Die Aufsichtsbehörde hat die Nichtigkeit des Bescheides des Bürgermeisters vom 17. Oktober 1988 im Widerspruch des Wohnobjektes zum Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde erblickt.

Unbestritten liegt das Objekt in einem Gebiet, für das im Flächenwidmungsplan die Widmung "Landwirtschaftsgebiet" festgelegt wurde. Gemäß § 16 Abs. 3 RPG, in der Fassung LGBl. Nr. 15/1973, dürfen Gebäude und Anlagen für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke und Zuerwerbe einschließlich der dazugehörenden Wohnräume und Wohngebäude errichtet werden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer haben sowohl die Gemeindeaufsichtsbehörde erster Instanz als auch die belangte Behörde ihrem Bescheid die Bestimmung des § 16 Abs. 3 in der ursprünglichen Fassung zugrunde gelegt, nicht jedoch in jener der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 61/1988.

Worauf die Aufsichtsbehörde erster Instanz ihre Feststellung gründete, die Beschwerdeführer betrieben keine Landwirtschaft, auch keine nebenberufliche Tätigkeit, kann jedoch dem Akt nicht entnommen werden. Die Beschwerdeführer haben immer darauf hingewiesen, daß sie ausgedehnten Landbesitz sowohl im Tal als auch im Gebiet des Maisäßes Montiel einschließlich einiger Weideberechtigungen haben. Sie haben auch darauf hingewiesen, daß sie diese Weiderechte zum Teil ausnützen. Die Behörde erster Instanz ist davon ausgegangen, daß ein reines Wohngebäude keinesfalls geeignet sei, landwirtschaftlichen Zwecken zu dienen. Auf den Zusammenhang mit dem nach ihren Feststellungen auf der Bp. n1 noch bestehenden Stallgebäude ist sie nicht eingegangen. Die belangte Behörde hat das Bestehen eines Stallgebäudes überhaupt mit Stillschweigen übergangen, obwohl in der Berufung darauf hingewiesen wurde, daß ein Stallgebäude renoviert wurde und ausgesprochen, ein Wohnobjekt in einem Landwirtschaftsgebiet könne nicht unabhängig von Gebäuden und Anlagen für land- und forstwirtschaftliche Zwecke erstellt werden, sondern nur im Zusammenhang mit solchen Gebäuden. Seien solche nicht vorhanden, so sei die Errichtung eines Wohnhauses im Landwirtschaftsgebiet von vornherein ausgeschlossen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Bescheid des Bürgermeisters vom 17. Oktober 1988 an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler litt, wäre aber jedenfalls zu berücksichtigen gewesen, ob ZUM ZEITPUNKT DER ERLASSUNG DES BESCHEIDES VOM

17. OKTOBER 1988 auch Gebäude und Anlagen für land- und forstwirtschaftliche Zwecke vorhanden waren. Da selbst die Aufsichtsbehörde erster Instanz davon ausgegangen ist, daß auf der Bp. n1 ein Stallgebäude noch bestand, wäre die Frage der "Dazugehörigkeit" im Sinne des § 16 Abs. 3 RPG zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters schon deshalb zu bejahen gewesen. Die Berücksichtigung des zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters bestehenden Stallgebäudes wäre insofern wesentlich gewesen, als die Agrarbezirksbehörde Bregenz in ihrer Stellungnahme vom 14. Jänner 1991 ausdrücklich ausgeführt hat, daß im Falle der Erstellung eines Stallgebäudes das zur Verhandlung stehende Maisäßobjekt, das in seiner Größenordnung im Rahmen der bestehenden Objekte liege, als dazugehörendes Wohngebäude im Sinne des § 16 Abs. 3 RPG angesehen werden könne.

Schon weil die belangte Behörde das Vorhandensein eines Stallgebäudes zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters außer Acht gelassen hat und daraus ableitete, daß es sich keinesfalls um ein "dazugehöriges" Wohngebäude handeln könne, belastete sie ihren angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Aus dem Umstand, daß das bewilligte, einstöckige Objekt mit einer bebauten Fläche von 66,4 m2 zwei in sich abgeschlossene Wohnungen enthält, kann für sich allein genommen noch kein grundsätzlicher Widerspruch zur Flächenwidmung abgeleitet werden, gehört doch auch nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beschwerdeführer das Stallgebäude jedem von ihnen zur Hälfte und hat auch jeder von ihnen im Bereich des Maisäßes Montiel Grundflächen und Weidrechte.

Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift aus, selbst der Umstand, daß die Beschwerdeführer über Miteigentumsanteile an einem Stallgebäude verfügen, könne keineswegs als ausreichend für eine positive Beurteilung der Frage der "Dazugehörigkeit" angesehen werden, da sie keine Landwirtschaft betrieben. Abgesehen davon, daß keine Erhebungen dahingehend gepflogen wurden, ob die Beschwerdeführer nicht Nebenerwerbsbauern sind, sie sich aber in ihrer Stellungnahme vom 5. Februar 1991 selbst als Nebenerwerbsbauern bezeichneten, findet die Auslegung, es müßte ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegen, im § 16 Abs. 3 RPG Fassung 1973 keine Deckung, da bereits das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Zuerwerbes genügt. Ausgehend von der unrichtigen Feststellung, daß gar kein Stallgebäude vorliegt und somit auch keine "Dazugehörigkeit" des Wohnobjektes gegeben sein kann, hat aber die belangte Behörde keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob mit dem Besitz der landwirtschaftlichen Flächen und den Weiderechten ein Zuerwerb verbunden ist oder der Stall im Umfang eines Zuerwerbes landwirtschaftlichen Zwecken dient. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Klärung dieser Frage zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die belangte Behörde hat daher offensichtlich von der unrichtigen Rechtsaussicht ausgehend, daß nicht auch der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Erlassung des Baubewilligungsbescheides zu berücksichtigen ist, nicht nur den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen, sondern, ausgehend von dieser Annahme, auch den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt nicht ergänzt.

Die aufgezeigte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bezieht sich ausschließlich auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens überhaupt vorlagen. Unter diesen Umständen konnte der Verwaltungsgerichtshof die Frage unerörtert lassen, ob die Aufsichtsbehörde die Ausübung ihres Ermessens im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend begründet hat. Ganz allgemein ist dazu nur festzustellen, daß die Behörde gehalten ist, zu begründen, weshalb sie vom Ermessen in einer bestimmten Richtung Gebrauch gemacht hat, da sie auch in anderen gleichgelagerten Fällen das Ermessen gleichartig ausüben müßte, will sie sich nicht dem Vorwurf einer willkürlichen Handhabung des Ermessens aussetzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. Oktober 1962, Slg. N.F. Nr. 5881/A, vom 14. Juni 1965, Zl. 381/64, vom 18. Oktober 1965, Zl. 1031/65, u. a.).

Bedenken gegen die Bestimmung des § 16 Abs. 3 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes in der Stammfassung LGBl. Nr. 15/1973, hegt der Verwaltungsgerichtshof nicht, da diese Bestimmung im Einklang mit den im § 2 dieses Gesetzes aufgezählten Raumplanungszielen steht, und auch kein Anhaltspunkt dafür hervorgekommen sind, daß der Landesgesetzgeber die ihm nach Art. 15 Abs. 1 B-VG zukommende Kompetenz überschritten hätte. Die Beschwerde selbst enthält auch keine nachvollziehbaren Ausführungen dahingehend, weshalb § 16 Abs. 3 RPG zur Gänze oder zum Teil als verfassungswidrig aufgehoben werden sollte; auch der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken gegen diese Bestimmung.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen Begründung von Ermessensentscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991060167.X00

Im RIS seit

12.12.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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