TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/18 91/01/0164

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der T M in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. September 1991, Zl. 4.292.258/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine bulgarische Staatsangehörige, reiste am 7. Februar 1990 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 9. Februar 1990 Asylantrag. Bei ihrer niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 21. Februar 1990 gab sie im wesentlichen folgendes an:

Sie habe nach der Grundschule das englisch- und russischsprachige Gymnasium in Stara Zagora besucht, abgeschlossen und in den Jahren 1986 bis 1988 eine Krankenschwesternausbildung mit Diplomabschluß absolviert. 1988 bis 1990 habe sie als Krankenschwester im 1. Bezirksspital Sofia gearbeitet.

Während ihrer Schulzeit sei sie bei der "DKMS", aber nicht Mitglied der "PK" und auch nicht anderer Organisationen gewesen. In politischer Hinsicht sei sie nicht verfolgt worden. Sie sei aber bulgarisch-orthodox, sehr gläubig und in der Ausübung ihrer Religion gehindert worden. Während ihrer Schulzeit habe sie, obwohl jede Religion verpönt gewesen sei, ein Kruzifix getragen und deshalb 1981 eine schlechte Betragensnote erhalten. Sie habe in den folgenden Jahren aber wegen ihrer ausgezeichneten Leistungen diese Note wieder verbessern können. Ab der zehnten Klasse, im Jahr 1985, hätte sie anonyme Briefe erhalten, in denen sie wegen ihrer Religion "verschmäht" worden sei. Außerdem sei ihr mit Schlägen und Verletzungen gedroht worden. Sie habe auch anonyme Anrufe bekommen. Sie habe diese Vorfälle bei der Polizei gemeldet, worauf seitens der Behörde ihr Telefonanschluß abgehört worden sei, den Täter habe man allerdings nicht ausforschen können.

Sie habe dann ihren Heimatort verlassen und sei Krankenschwester in Sofia geworden, wo die geschilderten Probleme aufgehört hätten. In Sofia sei sie aber keine Stadtbürgerin gewesen und habe deshalb geringeren Lohn und keine gute Wohngelegenheit erhalten. Eine Ehe- und Hausstandsgründung mit ihrem Verlobten sei wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse unmöglich gewesen. In ihren Heimatort, wo sie Bürgerin gewesen sei, habe sie sich wegen der Verschmähungen nicht "zurückgetraut". Ein wesentlicher Grund für ihre Ausreise aus Bulgarien sei der Umstand gewesen, daß ihr Verlobter aus "politischen Gründen" die Heimat verlassen habe müssen, sie aber von ihm nicht getrennt leben möchte.

Daraufhin stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom 18. Dezember 1990 gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 (AsylG) fest, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling sei.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin im wesentlichen mit der Begründung, der erstinstanzliche Bescheid entspreche in keiner Weise den Erfordernissen des § 60 AVG. Der Fomularbescheid gehe auf die Bedürfnisse des Einzelfalles nicht ein und schweige die Behörde darüber, weshalb die Argumente der Beschwerdeführerin, ihr sei in Bulgarien als bekennender orthodoxer Christin die Religionsausübung unmöglich oder doch so schwer gemacht worden, daß ihre Lebensgrundlage massiv bedroht gewesen sei, unglaubwürdig seien. Außerdem habe die Erstbehörde ihre erfoderliche Anleitungs- und Belehrungspflicht verletzt, was sich daraus ergebe, daß in der Niederschrift vom 21. Februar 1990 Fragen zur Flüchtlingseigenschaft "offenkundig ganz unterblieben" seien. Die Beschwerdeführerin beantragte ihre ergänzende Vernehmung sowie die Einvernahme des Zeugen NN,

W.

Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach ebenfalls aus, die Beschwerdeführerin sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes.

Die belangte Behörde vertrat nach Wiedergabe der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vom 21. Februar 1990 und der maßgeblichen Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention die Auffassung, die Beschwerdeführerin hätte keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, sie befände sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes und sei nicht gewillt, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie sei auf Grund ihrer religiösen Gesinnung verfolgt worden, erachtete die belangte Behörde für unglaubwürdig, weil die bulgarische Verfassung die Glaubensfreiheit gewährleiste und die bulgarisch-orthodoxe Kirche seit 1953 staatlich anerkannt sei. Daß in Einzelfällen Akte der Religionsausübung im gesellschaftlichen Leben zu Schwierigkeiten führten, könne nicht als Verfolgungshandlung im Sinne der Flüchtlingskonvention gewertet werden. Das Recht auf Arbeit, Wohnung etc., ohne daß durch eine Verweigerung die Lebensgrundlage entzogen werde, sei kein geschütztes Rechtsgut im Sinne der Flüchtlingskonvention. Dies gelte umsomehr dann, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung vom Heimatstaat nicht adäquat verursacht und diesem daher nicht zuzurechnen sei. Die von der Beschwerdeführerin behauptete schlechte wirtschaftliche Situation sei nicht geeignet, ihre Anerkennung als Konventionsflüchtling zu rechtfertigen.

Die Verwendung eines Vordruckes für die Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides stelle keinen Verfahrensmangel dar, weil die darin gewählte Begründung in der gebotenen Weise die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die vorgenommene Beweiswürdigung zusammenfasse. Die belangte Behörde erblickte im erstinstanzlichen Bescheid und dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren keinen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, weil insbesondere die Befragung der Beschwerdeführerin präzise und ausführlich durchgeführt worden sei. Zur behaupteten Verletzung der Anleitungs- und Belehrungspflicht wies die belangte Behörde darauf hin, daß es nicht Aufgabe der Behörde sei, einen Asylwerber dazu anzuleiten, sein Vorbringen so zu gestalten, daß seinem Antrag stattgegeben werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 AsylG ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung BGBl. Nr.78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage der im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Insoferne die Beschwerde zunächst rügt, der angefochtene Bescheid enthalte keine dem § 60 AVG entsprechende Begründung, ist ihr zwar zuzugeben, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides dürftig ist, weil keine ausdrücklichen Tatsachenfeststellungen getroffen worden sind, doch ist daraus im Ergebnis für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Der angefochtene Bescheid läßt nämlich erkennen, daß die belangte Behörde ohnehin das nach der ständigen hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1990, Zl. 90/01/0133 u.v.a.) maßgebliche eigene Vorbringen der Beschwerdeführerin bei ihrer Erstbefragung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt hat. Die erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde sei auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin "überhaupt nicht eingegangen" und habe kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, geht daher ins Leere. Was den von der belangten Behörde nicht berücksichtigten Beweisantrag der Beschwerdeführerin auf Einvernahme eines Zeugen und Durchführung einer ergänzenden Vernehmung der Beschwerdeführerin anlangt, ist festzuhalten, daß die Beschwerdeführerin weder in ihrer Berufung noch jetzt in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde irgendein Faktum behauptet, das zusätzlich zu den Argumenten der Beschwerdeführerin in ihrer niederschriftlichen Aussage vom 21. Februar 1990 zu berücksichtigen und durch die in der Berufung beantragten Erhebungsakte zu bescheinigen gewesen wäre. Die belangte Behörde hat daher im Ergebnis zu Recht von der Durchführung der beantragten Beweise Abstand genommen.

Zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes ist vor allem darauf hinzuweisen, daß nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin jene Bedrohungen, denen sie ab 1985 in Stara Zagora wegen ihrer Religion ausgesetzt gewesen sein will, nach ihrer Übersiedlung nach Sofia aufgehört haben. Daraus folgt aber - ohne daß es einer näheren Erörterung der Frage bedürfte, ob die von der Beschwerdeführerin behaupteten anonymen Bedrohungen überhaupt geeignet wären, einen Fluchtgrund im Sinne der Genfer Konvention darzustellen -, daß die behaupteten Vorfälle von vornherein nicht zu berücksichtigen waren, weil nach ständiger hg. Judikatur immer nur Umstände, die in einem zeitlichen Konnex zur Ausreise eines Asylwerbers aus seinem Heimatland stehen, von Bedeutung sein können (vgl. in diesem Sinn z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1991, Zl. 91/01/0113 u.v.a.).

Allein die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse aber, unter denen die Beschwerdeführerin seit 1988 in Sofia leben mußte - obgleich sie ohnehin in einer ihrer Fachausbildung als diplomierte Krankenschwester entsprechenden Position beruflich tätig sein konnte - und der Wunsch der Beschwerdeführerin, ihrem Verlobten zu folgen, stellen keine Fluchtgründe im Sinne der Genfer Konvention dar. Selbst wenn der Verlobte der Beschwerdeführerin tatsächlich "aus politischen Gründen" Bulgarien verlassen hätte müssen, wäre daraus für die Beschwerdeführerin nichts abzuleiten, weil es für die Anerkennung eines Asylwerbers als Konventionsflüchtling ausschließlich darauf ankommt, das gegen ihn selbst gerichtete oder ihm drohende Verfolgungshandlungen aus Konventionsgründen glaubhaft gemacht werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0287-0291 u.v.a.).

Da sich somit erweist, daß die belangte Behörde ihren Bescheid keineswegs mit den von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtswidrigkeiten belastet hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991010164.X00

Im RIS seit

18.12.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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