TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/28 91/04/0224

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Veröffentlicht am 28.01.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §46;
GewO 1973 §198 Abs2;
GewO 1973 §368 Z11;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der M in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 8. Juli 1991, Zl. 5/01-12.232/2-1991, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 12. Oktober 1990 wurde die Beschwerdeführerin wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben als Inhaber der Konzession den in der Betriebsart "Weinstube" im Standort S, X-Str. 56, geführten Gastgewerbebetrieb

a)

am 25.4.1990 bis um 01.45 Uhr offengehalten, nach 01.00 Uhr 3 Gästen das Betreten, diesen Gästen und den weiteren Gästen das Verweilen im Lokal gestattet,

b)

am 16.5.1990 bis um 02.00 Uhr offengehalten und Gästen das Verweilen im Lokal gestattet,

c)

am 18.5.1990 bis um 03.58 Uhr offengehalten, nach 01.00 Uhr mehreren Gästen das Betreten und denselben auch das Verweilen im Lokal gestattet,

obwohl das Lokal um 01.00 Uhr zu schließen und die Gäste aufzufordern gewesen wären, das Lokal zur Sperrstunde zu verlassen."

Sie habe hiedurch zu a) bis c) Verwaltungsübertretungen je nach § 368 Z. 11 i.V.m. "§ 98 (1) und (2) Gewerbeordnung" i. V.m. § 1 (1) lit. b Sperrstundenverordnung, LGBl. Nr. 80/1988, begangen und es würden hiefür über sie gemäß § 368 Z. 11 GewO 1973 zu a) bis c) je Geldstrafen in der Höhe von S 500,-- (insgesamt S 1.500,--) und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu a) bis c) jeweils Ersatzarreststrafen von je einem Tag (insgesamt drei Tage) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bundespolizeidirektion Salzburg habe mit den Schreiben vom 26. April, 16. Mai und 18. Mai 1990 gegen die Beschwerdeführerin Anzeige erstattet, daß der von ihr im Standort S, I-Straße 56, geführte Gastgewerbebetrieb an den im Spruch bezeichneten Tagen wesentlich länger offengehalten worden sei als dies nach den Vorschriften über die Sperrzeit im Gastgewerbe zulässig sei. Was das Offenhalten des Lokals am 25. April 1990 betreffe, sei der Beschwerdeführerin die Strafverfügung vom 23. Mai 1990 zugestellt worden. Hinsichtlich der Übertretungen am 16. Mai und 18. Mai 1990 sei ihr Gelegenheit geboten worden, sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu rechtfertigen. In dem innerhalb offener Frist eingebrachten Einspruch bzw. in der Rechtfertigung vom 19. Juni 1990 habe die Beschwerdeführerin eingewendet, daß an den genannten Tagen das Lokal um 01.00 Uhr bzw. kurz nach dieser Zeit geschlossen worden wäre. Der im Gegenstand als Zeuge vernommene L, wohnhaft in S, R-Straße 45, habe ausgeführt, daß er die Beobachtungen, die zur Anzeigeerstattung geführt hätten, von seinem Schlafzimmer aus gemacht und einwandfrei habe erkennen können, daß Gäste das Lokal nach 01.00 Uhr betreten hätten und sich bis zu jenen Zeiten im Lokal aufgehalten hätten, die in den Anzeigen angeführt seien. Über seine Wahrnehmungen am 25. April 1990 und 28. Mai 1990 habe er Gedächtnisprotokolle angefertigt und diese den Organen der Bundespolizeidirektion Salzburg zur Anzeigeerstattung übergeben, deren Inhalte vollinhaltlich der Wahrheit entsprächen. L sei bei seiner Aussage auf seine Verpflichtung, vor der Verwaltungsbehörde wahrheitsgemäß auszusagen, hingewiesen und auf die Folgen einer falschen Zeugenaussage aufmerksam gemacht worden. Für die Behörde bestehe daher kein Grund anzunehmen, daß er im Gegenstand unrichtige Angaben gemacht habe. In der abschließenden Stellungnahme vom 30. Juli 1990 habe die Beschwerdeführerin eingewendet, daß sie sowohl im Einspruch, wie auch in der Rechtfertigung vom 19. Juni 1990 wahrheitsgemäße Aussagen gemacht habe. Die Behörde habe sich jedoch dieser Ansicht nicht anschließen können. Es sei daher als erwiesen anzunehmen, daß von der Beschwerdeführerin bei der Führung des Gastgewerbebetriebes die Vorschriften über die Sperrstunde nicht beachtet worden seien. Sie habe daher bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage nur zu einem Schuldspruch gelangen können.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie u.a. vorbrachte, das erstbehördliche Straferkenntnis stütze sich lediglich auf die Zeugenaussage des L, wogegen ihrer Stellungnahme kein Glauben geschenkt worden sei. Die Aussage des Genannten sei jedoch nicht so unbedenklich, wie die Erstbehörde vermeine. So habe der Genannte den vorherigen Betreiber des Lokales, H, bei der Behörde wegen Verwaltungsübertretungen angezeigt; das diesbezügliche Strafverfahren sei jedoch eingestellt worden. L habe sie bereits vor Eröffnung des Lokales beschimpft und ihr angedroht, daß er dafür sorgen werde, daß das Lokal geschlossen werde. Seitens der Belegschaft des zuständigen Polizeiwachzimmers in der X-Straße habe es keinerlei Beanstandungen gegeben. Im Gedächtnisprotokoll vom 17. Mai 1990 gebe der Zeuge an, daß ihr Ehegatte mit dem Pkw S 94.783 weggefahren sei. Weder ihr Ehegatte noch sie besäßen oder hätten ein Fahrzeug mit diesem Kennzeichen besessen. Sie seien mit einem solchen Fahrzeug auch nie gefahren. Aus dem Geschilderten ergebe sich, daß den Angaben des Zeugen L nicht ohne weiteres mit dem bloßen Hinweis auf dessen Wahrheitspflicht als Zeuge gefolgt werden könne. Sie stelle daher den Antrag, H - unter der in der Berufung bezeichneten Adresse - als Zeugen einzuvernehmen, den diesbezüglichen Verwaltungsstrafakt amtswegig beizuschaffen, die Polizisten des Wachzimmers in der X-Straße als Zeugen einzuvernehmen und eine Anfrage an die zuständige Zulassungsstelle zu richten, auf wen der Pkw mit dem Kennzeichen S 94.783 zugelassen sei und diese Person als Zeugen darüber zu befragen, ob sie diesen Pkw ihrem Ehegatten zur Verfügung gestellt habe.

Über diese Berufung erkannte der Landeshauptmann von Salzburg mit Bescheid vom 8. Juli 1990 dahin, daß ihr gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 368 Z. 11 GewO 1973 keine Folge gegeben und der erstbehördliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt werde, als der in der Zitierung der verletzten Rechtsvorschrift genannte "§ 98 Abs. 1 und 2 GewO 1973" durch die Worte "§ 198 Abs. 1 und 2 GewO 1973", die unter Punkt a) genannte Wortfolge "bis 01.45 Uhr" durch die Worte "mindestens bis 01.35 Uhr" und die unter Punkt c) genannte Wortfolge "bis 03.58 Uhr" durch die Worte "bis um 02.58 Uhr" ersetzt werde. Zur Begründung führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 198 Abs. 1 und 2 GewO 1973 aus, gemäß der Sperrstundenverordnung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 16. August 1988, LGBl. Nr. 80/1988, sei für die Betriebsart "Weinstube" eine Sperrzeit von 01.00 Uhr vorgeschrieben. Zu den im erstinstanzlichen Bescheid genannten Tatzeitpunkten habe die Beschwerdeführerin die befristete Konzession zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart "Weinstube" am Standort X-Straße 56 besessen. Die Ausführungen des Anzeigelegers L in den Anzeigen sowie auch bei der Zeugeneinvernahme vom 6. Juli 1990 erschienen glaubwürdig und schlüssig, zumal die Beobachtungen relativ detailliert geschildert würden. Hingegen habe sich der als Vertreter der Beschwerdeführerin zu Beschuldigteneinvernahme bei der ersten Instanz erschienene Ehegatte und Mitbetreiber des Lokales W mit pauschalen Bestreitungen der vorgeworfenen Taten begnügt, ohne entsprechende Gegenbeweise anzubieten. Lediglich bezüglich des Pkws mit dem Kennzeichen S nn.nnn habe W dezidiert angegeben, ein solches Fahrzeug nicht gefahren zu sein. Auch in der Berufung finde sich dieser Hinweis mit dem Bemerken, daß dadurch die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage in Frage zu stellen sei. Dies sei jedoch nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht der Fall. Zum einen sei darauf zu verweisen, daß der Zeuge seine Beobachtungen nachts, also bei Dunkelheit, gemacht habe, und daß überdies sein Standort im 5. Stock des gegenüberliegenden Hauses liege, sodaß ein Fehler beim Ablesen des Kennzeichens durchaus vorkommen könne. Der Ausgang früherer gegen den vormaligen Betreiber gerichteter Strafverfahren habe keinen Einfluß auf die Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes, weshalb sich auch die Einvernahme dieser Person bzw. die Beischaffung des Strafaktes erübrigt habe. Auch eine negative Einstellung des Anzeigelegers gegenüber der Beschwerdeführerin spreche nicht gegen die unter Wahrheitspflicht abgelegte Zeugenaussage; ebensowenig müßten die Beanstandungen mehrerer Nachbarn vorliegen, sodaß sich auch die Einvernahme der Polizisten des Wachzimmers X-Straße erübrigt hätte. Im Ergebnis sei daher der erstbehördliche Bescheid "mit gewissen Modifizierungen des Spruches" zu bestätigen gewesen. Bei der Zitierung des § 98 GewO 1973 dürfte es sich jedoch lediglich um einen Schreibfehler handeln, ebenso bei der unter Punkt c) angegebenen Uhrzeit 03.58 Uhr (statt 02.58 Uhr laut Zeugenaussage). Das unter Punkt a) genannte Betriebsende 01.45 Uhr habe auf ein Betreiben bis "mindestens 01.35 Uhr" eingeschränkt werden müssen, daß laut Zeugenaussage des L zwar nach 01.35 Uhr noch Gäste das Lokal verlassen hätten, er aber den Zeitpunkt nicht mehr angeben könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, die belangte Behörde sei ihren Beweisanträgen in der Berufung im wesentlichen mit der Begründung nicht gefolgt, daß L seine Aussage glaubwürdig und schlüssig abgelegt habe und daß deshalb seine Glaubwürdigkeit nicht in Frage zu stellen sei. Dies sei jedoch unzutreffend. Die Durchführung der von ihr beantragten Beweise hätten vielmehr ergeben, daß an der Glaubwürdigkeit des Zeugen L erhebliche Zweifel bestünden. Die Einvernahme des vorherigen Betreibers des Lokales, H, und die Beischaffung des beantragten Verwaltungsstrafaktes hätten ergeben, daß schon die damalige Anzeige des Zeugen auf unrichtigen Tatsachen beruht habe; die Einvernahme der Polizisten des Wachzimmers in der X-Straße hätte ergeben, daß keinerlei Beanstandungen hinsichtlich ihres Lokales bestünden und die beantragten Erhebungen hinsichtlich des Pkws mit dem Kennzeichen S nn.nnn hätten ergeben, daß weder ihr Ehegatte noch sie selbst dieses Fahrzeug jemals gefahren hätten. Die Nichtaufnahme der beantragten Beweise stelle eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, die den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belaste. Auf Grund der durch diese Beweise dokumentierten Unglaubwürdigkeit der Aussagen des Zeugen L hätte im Zweifel ihrer Verantwortung gefolgt und das Verwaltungsstrafverfahren gegen sie eingestellt werden müssen. Abgesehen davon sei der angefochtene Bescheid auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Die Angaben des Zeugen L seien nicht geeignet, den Schuldspruch zu begründen. Sie habe Gästen weder das Verweilen nach Eintritt der Sperrstunde gestattet, noch habe sie es unterlassen, sie rechtzeitig zum Verlassen des Lokales zu veranlassen. Diesbezüglich sei aus den Angaben des Zeugen L nichts zu gewinnen, da diese Maßnahmen jedoch für das ihr vorgeworfene Delikt tatbestandsmäßig seien, sei der erforderliche Nachweis nicht gelungen.

Gemäß § 368 Z. 11 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung - die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 15.000,-- zu bestrafen ist -, wer die Bestimmungen des § 198 Abs. 2 oder der gemäß § 198 Abs. 1 erlassenen Verordnungen über Sperrstunden und Aufsperrstunden nicht einhält.

Nach § 198 Abs. 2 GewO 1973 hat der Gewerbetreibende die Betriebsräume und die allfälligen sonstigen Betriebsflächen - ausgenommen die der Beherbergung dienenden - während des Zeitraumes zwischen den durch Verordnung festgelegten Sperr- und Aufsperrstunden geschlossen zu halten. Während dieser Sperrzeit darf er Gästen weder den Zutritt zu diesen Räumen und zu diesen Flächen noch dort ein weiteres Verweilen gestatten und die Gäste auch nicht in anderen Räumen oder auf anderen sonstigen Flächen gegen Entgelt bewirten. Die Gäste sind rechtzeitig auf den Eintritt der Sperrstunde aufmerksam zu machen; sie haben den Betrieb spätestens zur Sperrstunde zu verlassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 8. April 1986, Zl. 85/04/0190, unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1983, Slg. N.F. Nr. 11.186/A, dargetan hat, liegt ein Nichteinhalten dieser Bestimmung bereits dann vor, wenn den Gästen lediglich ein weiteres Verweilen gestattet wird, und es ist zur Erfüllung des Tatbestandes des Nichteinhaltens dieser Bestimmung nicht erforderlich, daß das Gestatten des weiteren Verweilens mit einem zur Einhebung von gesonderten Entgelten verbundenen Bewirten verbunden ist. Die Bedeutung des Ausdruckes "... gestatten" ist im gegebenen Zusammenhang nicht auf das Verbot der Erteilung einer Erlaubnis in dem Sinn, daß die Einräumung eines Rechtes auf ein weiteres Verweilen über den Eintritt der Sperrstunde hinaus unerlaubt wäre, beschränkt. Der der Pflicht der Gäste, den Betrieb spätestens zur Sperrstunde zu verlassen, korrespondierende Ausdruck "gestatten" schließt vielmehr die Verpflichtung des Gewerbetreibenden in sich, bis zum Eintritt der Sperrstunde das Ziel zu erreichen, daß sich keine Gäste mehr im Betrieb aufhalten und somit bei Zeiten alle jene Maßnahmen zu ergreifen, die zur Verfügung stehen, um gerade auch im Tatsachenbereich keine Voraussetzungen für ein Verweilen über den Eintritt der Sperrstunde hinaus zu bieten, oder mit anderen Worten ausgedrückt, um ein solches, bereits mit dem Eintritt der Sperrstunde unzulässiges Verweilen abzuwenden, wobei als Mittel, um die Einhaltung der Sperrstundenvorschrift zu gewährleisten, insbesondere die Inanspruchnahme der Sicherheitsorgane in Betracht kommt. Somit

liegt im Ausdruck "... gestatten" eine Verhaltensvorschrift,

über das Gebot des Aufmerksammachens (§ 198 Abs. 2 dritter Satz GewO 1973) hinaus, nämlich dahin besteht, daß der Gewerbetreibende ein Verweilen von Gästen im Betrieb über den Zeitpunkt der Sperrstunde hinaus abwendet.

Entgegen der Rechtsmeinung der Beschwerdeführerin vermag daher der Verwaltungsgerichtshof in Ansehung der inhaltlichen Annahme der belangten Behörde eine rechtswidrige Gesetzesanwendung nicht zu erkennen.

Der Beschwerde kommt jedoch aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu:

Gemäß § 37 AVG (§ 24 VStG) ist Zweck des Ermittlungsverfahrens - neben der Wahrung des Parteiengehörs - die Feststellung des maßgebenden, d.h. des für die zu treffende Entscheidung auf Grund der anzuwendenden Rechtsvorschriften maßgebenden Sachverhaltes.

Im Grunde des § 45 Abs. 1 AVG (§ 24 VStG) bedürfen Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat im übrigen die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht.

Nach § 46 AVG (§ 24 VStG) kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Zufolge der letztangeführten Gesetzesstelle, die den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel und damit zugleich auch den Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Beweismittel normiert, gilt alles als Beweismittel, was nach logischen Grundsätzen Beweis zu liefern, d.h. die Wahrheit zu ergründen, geeignet ist. Eine solche Eignung kommt auch den mittelbaren Beweismitteln, bei denen das Ergebnis im Wege der Schlußfolgerung aus anderen Tatsachen gewonnen wird (Indizienbeweis), zu. Ein derartiger indirekter Beweis ist gemäß § 46 AVG auch im Verwaltungs(straf)verfahren nicht ausgeschlossen.

Der sogenannte Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, daß - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen gesetzlichen Regelungen unterworfen ist. Diese Regelung schließt keinesfalls eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. mit den Denkgesetzen im Einklang stehen (vgl. zu diesen Ausführungen das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1986, Zl. 85/04/0085, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).

Aus Anlaß der im Beschwerdefall unter Bedachtnahme auf die dargestellte Beschwerderüge vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung ist zunächst darauf zu verweisen, daß die im angefochtenen Bescheid zur Frage der Beweiswürdigung enthaltenen Begründungsdarlegungen, die Ausführungen des Anzeigelegers L in den Anzeigen sowie auch bei der Zeugeneinvernahme am 6. Juli 1990 erschienen glaubwürdig und schlüssig, zumal die Beobachtungen "relativ detailliert" geschildert würden, wogegen sich der Vertreter der Beschwerdeführerin bei der erstinstanzlichen Einvernahme mit pauschalen Bestreitungen der vorgeworfenen Taten begnügt hätte, "ohne entsprechende Gegenbeweise anzubieten", für sich allein nicht geeignet sind, die von der Erstbehörde zu Lasten der Beschwerdeführerin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen als auf einer im Rahmen der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ausreichenden und schlüssigen Basis beruhend erkennen zu lassen.

So ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Aussagen eines Zeugen im Rahmen der Beweiswürdigung nicht nur in Hinsicht auf seine subjektive, sondern auch in Ansehung der objektiven Glaubwürdigkeit zu prüfen ist. In diesem Zusammenhang reicht aber zur Ermöglichung einer Schlüssigkeitsprüfung weder die vorangeführte Anführung im angefochtenen Bescheid betreffend die "relativ detaillierten" Schilderungen der Beobachtung durch den Zeugen noch auch die Berufung im erstbehördlichen Bescheid darauf, daß der Zeuge auf seine Verpflichtung bei der Verwaltungsbehörde wahrheitsgemäß auszusagen, hingewiesen worden sei, aus. Insbesondere hat ja auch die belangte Behörde selbst in Ansehung des vom Zeugen L bezeichneten Pkws auf einen möglichen Irrtum des Genannten beim Ablesen der Nummer hingewiesen. Sofern aber die belangte Behörde darüber hinaus darauf verweist, die Beschwerdeführerin hätte durch ihren Vertreter die Beschuldigungen nur pauschal bestritten, "ohne entsprechende Gegenbeweise anzubieten", genügt es darauf hinzuweisen, daß, wenn der Beschuldigte den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt zu haben, bestreitet, die Beweislast in dieser Hinsicht die Behörde trifft; zu einer Umkehrung der Beweislast gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG kommt es nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, der Täter jedoch lediglich das Vorhandensein eines Verschuldens in Abrede stellt (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1967, Slg. N.F. Nr. 7.087/A). Ausgehend davon kann aber auch im Gegensatz zur Annahme der belangten Behörde insbesondere dem in der Berufung gestellten Beweisantrag auf Vernehmung der Wachebeamten des zuständigen Polizeiwachzimmers zur Frage ihrer Wahrnehmungen bei der Sperrstundeneinhaltung nicht etwa von vornherein objektive Eignung abgesprochen werden.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Grundsatz der GleichwertigkeitBeweismittel fehlerhafte NiederschriftGrundsatz der UnbeschränktheitBeweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991040224.X00

Im RIS seit

28.01.1992

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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