TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/20 90/13/0118

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Veröffentlicht am 20.02.1992
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs3;
EStG 1972 §4 Abs3;
EStG 1972 §4 Abs4;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/13/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der MD GmbH in Wien, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) 1. der FLD für Wien, NÖ und Bgld , vom 13.3.1990, GZ 6/2-2299/87-03, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1975 und 1977 bis 1983, und

2. der FLD für Wien, NÖ und Bgld ebenfalls vom 13.3.1990, GZ 6/2-2299/87-03, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 1975 und 1977 bis 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH betreibt ein Installationsunternehmen. Bei einer hinsichtlich der Jahre 1974 bis 1983 vorgenommenen Betriebsprüfung wurde insbesondere festgestellt, daß ein Teil der gegenüber der Gemeinde Wien getätigten Umsätze während des gesamten Prüfungszeitraumes steuerlich nicht erfaßt worden war. Die Umsätze der Jahre 1975 bis 1983 wurden vom Prüfer auf der Grundlage von sogenannten "Personenkontoauszügen" der zuständigen Magistratsabteilung 6 ermittelt. Der Umsatz des Jahres 1974 wurde vom Prüfer "in Anlehnung an das Jahr 1975" geschätzt. Die Zurechnung zum Umsatz der Jahre 1974 und 1975 sowie 1977 bis 1983 wurden vom Prüfer als verdeckte Gewinnausschüttung an die Gesellschafter Mathias und Theresia D. behandelt.

Das Finanzamt erließ nach der abgabenbehördlichen Prüfung unter anderem Bescheide über Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1974 bis 1983 sowie über die Haftung für Kapitalertragsteuer.

In der Berufung gegen die auf Grund der Betriebsprüfung erlassenen Bescheide wurde insbesondere begehrt, im Zusammenhang mit den Mehrerlösen stehende Aufwendungen für Material und Löhne sowie die damit zusammenhängenden Vorsteuerbeträge steuerlich zu berücksichtigen.

Die Grundlage für eine Schätzung der für die Mehrerlöse kausalen Material- und Lohnaufwendungen wurden durch entsprechende Ermittlungen der Betriebsprüfungsabteilung festgestellt.

Mit einer unter anderem Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer betreffenden Berufungsentscheidung gab die belangte Behörde (Berufungssenat II) der Berufung teilweise statt. Abgesehen davon, daß die Zurechnung hinsichtlich des Jahres 1974 nicht weiter aufrechterhalten wurde, wurden die Beträge an verdeckter Gewinnausschüttung um die mit den verkürzten Erlösen in Zusammenhang stehenden Material- und Lohnaufwendungen vermindert. Dabei ging die belangte Behörde - aus der Sicht der Umsatzbesteuerung - davon aus, daß wegen der Tätigung von Wareneinkäufen bei Großmärkten "für den Großteil der in Rede stehenden Materialeinkäufe" keine Rechnungen existierten. Das Begehren, Vorsteuerbeträge im Schätzungswege zu berücksichtigen, sei daher nicht begründet. "Gleichermaßen" könne "mangels Vorliegens von Eingangsrechnungen auch der Auffassung der Bw. nicht gefolgt werden, wonach bei der Berechnung der ... ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlagen im Schätzungsweg ermittelte Vorsteuerbeträge in Abzug zu bringen sind".

In gleicher Weise wurde von der belangten Behörde über die Berufung betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer entschieden.

In der Beschwerde gegen diese Bescheide der belangten Behörde, die nur insoweit angefochten werden, als über Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Haftung für Kapitalertragsteuer abgesprochen worden ist, wird sinngemäß inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist unter anderem zu schätzen, wenn die Bücher oder Aufzeichnungen des Abgabepflichtigen sachlich unrichtig sind.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht im Hinblick auf die unbestrittene sachliche Unrichtigkeit der von der Beschwerdeführerin geführten Bücher Übereinstimmung, daß eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zulässig ist. Im Falle der Zulässigkeit der Schätzung steht der Abgabenbehörde die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode im allgemeinen frei. Es muß jedoch das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt werden, die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge müssen schlüssig und folgerichtig sein und das Ergebnis, das in der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen besteht, muß mit den Lebenserfahrungen im Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muß stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Hiebei muß die Behörde im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen, auch wenn ihre Richtigkeit erst durch weitere Erhebungen geklärt werden muß (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. August 1991, 90/17/0438, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall war bei Feststellung der Höhe der verdeckten Gewinnausschüttungen der Aufwand für Material und Löhne, der mit den von der Beschwerdeführerin nicht erklärten Erlösen im Zusammenhang stand, zu schätzen. Von der Beschwerdeführerin wird vor dem Verwaltungsgerichtshof ausschließlich gerügt, daß die belangte Behörde bei Anwendung ihrer Schätzungsmethode die im Materialeinkauf enthaltenen Vorsteuerbeträge - die bei der nicht den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildenden Festsetzungen der Umsatzsteuer nicht berücksichtigt worden waren - nicht als Aufwand abgesetzt hatte. Damit ist die Beschwerdeführerin aber im Recht, weil diese auf Material entfallenden Umsatzsteuerbeträge von der Beschwerdeführerin ja tatsächlich geleistet werden mußten und damit die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung beeinflußt haben. Die Auffassung der belangten Behörde, dem Begehren der Beschwerdeführerin könne deswegen nicht gefolgt werden, weil die Eingangsrechnungen nicht vorliegen, erscheint nicht schlüssig, weil die (Teil-)Schätzung ja gerade aus dem Grund des Fehlens dieser Eingangsrechnungen zu erfolgen hatte. Entgegen der in der Gegenschrift von der belangten Behörde vertretenen Auffassung handelt es sich bei der von der Beschwerdeführerin zu Recht gerügten Vorgangsweise nicht um eine bei einer Schätzung vom Abgabepflichtigen in Kauf zu nehmende Unsicherheit, sondern um die Anwendung einer unrichtigen Schätzungsmethode. Im übrigen ist die von der belangten Behörde erst in der Gegenschrift vertretene Auffassung, wonach auf Grund des nicht erwiesenen Material- und Lohneinsatzes allenfalls eine andere Schätzungsmethode, nämlich die Vornahme eines Sicherheitszuschlages, angebracht gewesen wäre, nicht geeignet, die angefochtenen Bescheide zu stützen.

Die angefochtenen Bescheide waren daher nach Maßgabe des Spruches dieses Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Dabei war davon auszugehen, daß im zuerkannten pauschalierten Schriftsatzaufwand Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990130118.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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