Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des J in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 11. Februar 1991, Zl. V/1-St-9062, betreffend Übertretungen der Gewerbeordnung 1973,
Spruch
1) beschlossen: Die Beschwerde wird in Ansehung des die Übertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit lit. C
Z. 1 der Verordnung der Stadtgemeinde Z betreffenden Schuldspruches (Spruchteil lit. d und Z. 3 des angefochtenen Bescheides) zurückgewiesen;
2) zu Recht erkannt: Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit lit. B Z. 1 der Verordnung der Stadtgemeinde Z und ferner einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit lit. A Z. 4 der Verordnung der Stadtgemeinde Z vom 30. Juni 1987 schuldig erkannt und dafür bestraft wurde (Spruchteile lit. a sowie b und c und Z. 1 und 2 des angefochtenen Bescheides) einschließlich des auf diese Verurteilungen anteilsmäßig entfallenden Ausspruches über die Kosten des erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahrens und einschließlich des Ausspruches über die Kosten des Berufungsverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft H vom 31. Jänner 1990 wurde der Beschwerdeführer a) einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit lit. B Z. 1 der Verordnung der Stadtgemeinde Z, b) einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit lit. A Z. 4 der zitierten Verordnung, c) ebenfalls einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit lit. A Z. 4 der zitierten Verordnung, d) einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit lit. E Z. 3 der zitierten Verordnung und e) einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit lit. C Z. 1 der zitierten Verordnung schuldig erkannt und dafür bestraft.
Nach Erlassung dieses Straferkenntnisses brachte der Beschwerdeführer bei der Erstbehörde folgenden Schriftsatz vom 12. Februar 1990 ein:
"Gegen das oben angeführte Straferkenntnis erhebe ich innerhalb offener Frist Berufung und begründe dies wie folgt:
Zu den bezeichneten Standorten teile ich mit, daß diese mit meinen Aufzeichnungen nicht überall identisch sind und ersuche die Bezirkshauptmannschaft Horn folgende Korrekturen vorzunehmen.
a)
Z, F-Gasse, keine Korrektur;
b)
Z, X-Gasse, keine Korrektur;
c)
diese Automaten wurden im Juni 1989 entfernt;
d)
diese Automaten sind nicht Eigentum meiner Firma;
e)
Z, Y-Gasse, keine Korrektur.
Ich danke für die Erledigung dieser Berufung und zeichne mit freundlichen Grüßen".
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 11. Februar 1991 wurde der Berufung in bezug auf die Verwaltungsübertretung zu Punkt d) des erstbehördlichen Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Punkt gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt. Im übrigen wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zu den nachstehend angeführten Zeiten und in den nachstehend angeführten Standorten den Verkauf von Kaugummi und Spielzeug mittels Automaten, die für die Selbstbedienung der Kunden bestimmt seien, ausgeübt:
a) am 7. Juni 1989, 11.15 Uhr, mit zwei Automaten, jeweils befüllt mit Kaugummi und Spielzeug, am Gartenzaun des Hauses Z, F-Gasse 18, das sei 140 m vom Kindergarten F-Gasse 4, Z, entfernt;
b) am 7. Juni 1989, 11.30 Uhr, mit drei Automaten, davon zwei Automaten befüllt mit Spielzeug und ein Automat befüllt mit Kaugummi, am Gartenzaun des Hauses Z, P-Gasse 17, das sei 80 m vom Gymnasium Z, P-Gasse 21, entfernt;
c) am 7. Juni 1989, 11.35 Uhr, fünf Automaten, davon drei Automaten befüllt mit Spielzeug und zwei Automaten befüllt mit Kaugummi, an der Hauswand des Kiosks der Firma N in Z, G-Straße, das sei 20 m vom Bundesgymnasium Z, P-Gasse 21, entfernt;
d) am 8. Juni 1989, 15.10 Uhr, drei Automaten, davon zwei Automaten befüllt mit Kaugummi und ein Automat befüllt mit Spielzeug, auf einem eigenen Ständer vor dem Haus Z, M-Platz 16, das sei 25 m von der S-Kirche, Z, K-Platz, entfernt,
obwohl mit Verordnung der Stadtgemeinde Z diese gewerblichen Tätigkeiten mittels Automaten
1) im Standort a) gemäß lit. B Z. 1 im Umkreis von 200 m vom Eingang (bzw. von den Eingängen) des Kindergartens, K-Platz, Z, F-Gasse 4,
2) im Standort b) und c) gemäß lit. A Z. 4 im Umkreis von 200 m vom Eingang (bzw. von den Eingängen) des Bundesgymnasiums Z, P-Gasse 21,
3) im Standort d) gemäß lit. C Z. 1 im Umkreis von 200 m vom Eingang (bzw. von den Eingängen) der S-Kirche, Z, K-Platz, untersagt worden sei.
Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
zu 1): a) § 367 Z. 15 in Verbindung mit § 52 Abs. 4 GewO 1973 in Verbindung mit lit. B Z. 1 der Verordnung der Stadtgemeinde Z. zu 2): b) und c) § 367 Z. 15 in Verbindung mit § 52 Abs. 4 GewO 1973 in Verbindung mit lit. A Z. 4 der Verordnung der Stadtgemeinde Z;
zu 3): d) § 367 Z. 15 in Verbindung mit § 52 Abs. 4 GewO 1973 in Verbindung mit lit. C Z. 1 der Verordnung der Stadtgemeinde Z;
Gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1973 wurde über den Beschwerdeführer zu 1) (a) eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden), zu 2) (b und c) eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) und zu 3) (d) eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt. Ferner wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG 1950 als Beitrag zu den Kosten des erstbehördlichen Strafverfahrens S 750,-- und als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 200,-- zu entrichten habe.
Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, durch die Standorte der Automaten in bezug auf die Verwaltungsübertretungen zu Punkt b) und c) des erstbehördlichen Bescheides sei jeweils ein und dieselbe Verbotszone, nämlich im Umkreis von 200 m vom Bundesgymnasium Z, P-Gasse 21, verletzt worden. Diese beiden strafbaren Handlungen stellten jedoch ein Fortsetzungsdelikt dar, da sie in ihrer Begehungsform gleichartig seien, unter den gleichen Umständen begangen worden seien und in einer zeitlichen Kontinuität stünden. Aus diesem Grund sei die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten in diesen beiden Standorten zu einer Verwaltungsübertretung zusammengefaßt worden.
Dagegen richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung mit Beschluß vom 30. September 1991, B 347/91, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach dem Beschwerdevorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht schuldig erkannt und dafür nicht bestraft zu werden.
Zunächst ist zu prüfen, inwieweit der Beschwerdeführer in diesem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht durch den angefochtenen Bescheid verletzt worden sein konnte.
Nach § 63 Abs. 3 AVG (§ 24 VStG) hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Dem an die Erstbehörde gerichteten Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 12. Februar 1990 ist nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer in Ansehung der Schuldsprüche und der Strafaussprüche unter den Punkten a), b) und e) des erstbehördlichen Straferkenntnisses einen begründeten Berufungsantrag gestellt hätte. Diese Schuldsprüche und Strafaussprüche wurden sohin mit Ablauf der Berufungsfrist rechtskräftig. Es stellte demnach eine - objektive - Rechtswidrigkeit dar, wenn die belangte Behörde diese erstbehördlichen Schuldsprüche und Strafaussprüche durch ihre Aussprüche (Punkt a), Punkt b) und c) und Punkt d) bzw. Punkte 1), 2) und 3) des angefochtenen Bescheides) ersetzte.
Da die belangte Behörde allerdings den unter Punkt e) des erstbehördlichen Straferkenntnisses gefällten Schuldspruch in der Sache trotz der gewählten Neuformulierung nicht erweiterte und die verhängte Strafe herabsetzte, konnte der Beschwerdeführer durch den solcherart getroffenen Ausspruch der belangten Behörde (Punkt d) und Punkt 3) des angefochtenen Bescheides) insoweit in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht nicht verletzt worden sein. Insoweit war die vorliegende Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen (vgl. u.a. die hg. Entscheidung - Beschluß und Erkenntnis - vom 22. April 1981, Zl. 03/1937/79, mit dem in Slg. N.F. Nr. 10.425/A veröffentlichten Rechtssatz).
Der im Sinne der vorstehenden Ausführungen rechtskräftig gewordene Schuldspruch Punkt b) des erstbehördlichen Straferkenntnisses wurde mit dem angefochtenen Bescheid durch die Zusammenfassung mit dem den Tatort in der G-Straße betreffenden Verhalten (Punkt 2) des im angefochtenen Bescheid neu formulierten Schuldspruches) sachlich erweitert. Solcherart wurde der erstbehördliche Schuldspruch mit dem angefochtenen Bescheid nicht durch einen Schuldspruch innerhalb der sich aus dem erstbehördlichen Straferkenntnis ergebenden sachlichen Grenzen ersetzt, vielmehr wurde der rechtskräftig gewordene Schuldspruch zu Lasten des Beschwerdeführers ausgedehnt. Hiefür war die belangte Behörde nicht zuständig (vgl. hiezu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 9. März 1982, Zl. 81/07/0212, und vom 31. Oktober 1984, Zl. 82/03/0271).
Unter dem Blickwinkel der Auferlegung der Kosten des Berufungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer auch durch die Neuformulierung des gegen ihn mit dem erstbehördlichen Straferkenntnis unter Punkt a) verhängten Schuldspruches durch den angefochtenen Bescheid (hier Punkt a) und Z. 1) im Hinblick auf die funktionelle Unzuständigkeit der belangten Behörde in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht verletzt.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid in dem vorstehend im Spruch bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nichterforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991040296.X00Im RIS seit
25.02.1992