TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/27 91/02/0056

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Veröffentlicht am 27.02.1992
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §102 Abs10;
KFG 1967 §106 Abs1a;
KFG 1967 §33 Abs1;
KFG 1967 §71 Abs3;
KFGNov 03te Art3 Abs1;
KFGNov 03te Art5 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. R in O, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 19. März 1991, Zl. VI/2-1282-1990, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben:

1. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, soweit der Beschwerdeführer mit ihm schuldig erkannt wurde, Übertretungen nach § 33 Abs. 1 und § 71 Abs. 3 KFG 1967 begangen zu haben, über ihn deswegen Verwaltungsstrafen verhängt wurden und ihm die Entrichtung von Verfahrenskostenbeiträgen vorgeschrieben wurde;

2. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, soweit der Beschwerdeführer mit ihm schuldig erkannt wurde, Übertretungen nach § 102 Abs. 10 KFG 1967 und nach Art. III Abs. 5 lit. a der 3. KFG-Novelle begangen zu haben, über ihn deswegen Verwaltungsstrafen verhängt wurden und ihm die Entrichtung von Verfahrenskostenbeiträgen vorgeschrieben wurde.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem näher bezeichneten Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug (Pkw) gelenkt und dabei folgende sechs Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:

1. er habe als Zulassungsbesitzer Änderungen an seinem einzeln zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug, die die im Typenschein enthaltenen Angaben betreffen, nicht unverzüglich dem Landeshauptmann angezeigt, in dessen örtlichem Wirkungsbereich das Fahrzeug seinen dauernden Standort hat (Anhängevorrichtung),

2. er habe ein Kind unter 12 Jahren auf einem unmittelbar hinter der Windschutzscheibe gelegenen Sitzplatz befördert,

3. er habe kein zur Wundversorgung geeignetes Verbandzeug mitgeführt,

4.

er habe keine geeignete Warneinrichtung mitgeführt,

5.

er habe es unterlassen, unverzüglich die Ausstellung eines neuen Führerscheines zu beantragen, obwohl der alte Führerschein infolge des Lichtbildes, welches ihn nicht mehr einwandfrei erkennen ließ, ungültig geworden war, und

              6.              er habe den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet, obwohl der Lenkersitzplatz seines Kraftfahrzeuges mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet war.

Hinsichtlich einer weiteren Übertretung des KFG 1967 wurde das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; dieser Ausspruch ist nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde.

Durch die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltensweisen habe er Übertretungen nach § 33 Abs. 1 KFG 1967 (zu 1.), nach § 106 Abs. 1a KFG 1967 (zu 2.), nach § 102 Abs. 10 KFG 1967 (zu 3. und 4.), nach § 71 Abs. 3 KFG 1967 (zu 5.) und nach Art. III Abs. 5 lit. a der 3. KFG-Novelle (zu 6.) begangen. Über ihn wurden zu 5. eine Geldstrafe von S 500,-- (30 Stunden Ersatzarrest), zu 1. S 400,-- (24 Stunden Ersatzarrest) sowie im übrigen zu je S 300,-- (18 Stunden Ersatzarrest) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 33 Abs. 1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer Änderungen an einem einzelnen zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug einer genehmigten Type, die im Typenschein enthaltene Angaben betreffen, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen, in dessen örtlichem Wirkungsbereich das Fahrzeug seinen dauernden Standort hat.

Eine derartige Änderung erblickt die belangte Behörde in der an dem für den Beschwerdeführer zugelassenen Fahrzeug angebrachten, im Typenschein nicht aufscheinenden Anhängevorrichtung.

Der Beschwerdeführer führt hiezu aus, daß er das in Rede stehende Kraftfahrzeug in dem beanstandeten Zustand gekauft habe. Von seiten des Verkäufers sei ihm zugesagt worden, daß das Fahrzeug "entsprechend genehmigt" sei. Er habe daher davon ausgehen können, daß es auch den kraftfahrrechtlichen Urkunden entspreche. Ihm sei ein entschuldigender Irrtum zuzubilligen.

Es ist unbestritten und auch unbedenklich, daß das Anbringen einer Anhängevorrichtung eine anzeigepflichtige Änderung am betreffenden Kraftfahrzeug darstellt (vgl. § 22a Abs. 1 Z. 3 der KDV 1967). Unbestritten ist ferner, daß im Typenschein des für den Beschwerdeführer zugelassenen Pkws die Anhängevorrichtung nicht eingetragen war.

Die Anzeigeverpflichtung nach § 33 Abs. 1 KFG 1967 trifft den Zulassungsbesitzer. Er hat nach dem Wortlaut dieser Bestimmung bestimmte Änderungen (und nicht etwa Abweichungen von den Eintragungen im Typenschein) unverzüglich anzuzeigen. Daraus ergibt sich, daß die Durchführung der Änderungen von der Person anzuzeigen ist, die im Zeitpunkt der Vornahme der Änderung Zulassungsbesitzer ist. Eine Verpflichtung zur Anzeige von Änderungen, die ein früherer Zulassungsbesitzer vorgenommen hat oder vornehmen ließ, ist im § 33 Abs. 1 KFG 1967 in verwaltungsstrafrechtlich sanktionierter Weise nicht normiert. Die belangte Behörde hätte daher der Verantwortung des Beschwerdeführers nachgehen und klären müssen, wann die gegenständliche Anhängevorrichtung angebracht wurde, und wer damals Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges war.

Da die belangte Behörde von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend diese Klärung unterlassen hat, hat sie den in Rede stehenden Ausspruch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

1.2. Gemäß § 106 Abs. 1a KFG 1967 dürfen Kinder unter zwölf Jahren, abgesehen von hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahmen, mit Kraftwagen nicht auf unmittelbar hinter der Windschutzscheibe gelegenen Sitzplätzen befördert werden.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß sich auf dem Schoß der Beifahrerin des Beschwerdeführers ein Kleinkind befunden habe. Dies sei auch der Grund der Anhaltung des Beschwerdeführers durch den Meldungsleger, einen Gendarmeriebeamten, gewesen.

Der Beschwerdeführer behauptet dagegen, daß sich das Kleinkind während der Fahrt auf der hinteren Sitzbank befunden habe und erst unmittelbar vor der Anhaltung "nach vorne gekommen" sei. Dies sei auf Grund des Bremsmanövers im Zuge der Anhaltung geschehen. Die Annahme der belangten Behörde ist nicht unschlüssig. Der Feststellung, daß die Beförderung des (ca. drei Jahre alten) Kleinkindes auf einem unmittelbar hinter der Windschutzscheibe gelegenen Sitzplatz der Grund für die Anhaltung des vom Beschwerdeführer gelenkten Pkws gewesen sei, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Ungeachtet der Frage, ob es überhaupt möglich gewesen sein kann, daß ein dreijähres Kind ohne Hilfe von der Hinterbank des Pkws auf den Schoß der neben dem Lenker sitzenden Beifahrerin gelangt, müßte dies zu einem Zeitpunkt erfolgt sein, zu dem der Beschwerdeführer noch vor der Anhaltung seine Fahrt hätte unterbrechen können, um das Kleinkind wieder dem Gesetz entsprechend im Pkw unterbringen zu können. Wenn der Beschwerdeführer davon spricht, daß das Kleinkind im Zuge des Bremsmanövers, welches er wegen der Anhaltung durchführen mußte, nach vorne gekrabbelt sei und bei der Anhaltung von seiner Beifahrerin auf dem Schoß gehalten wurde, so ist dies mit dem Umstand, daß das auf dem Schoß der Beifahrerin sitzende Kleinkind der Grund für die Anhaltung gewesen ist, unvereinbar.

1.3. Gemäß § 102 Abs. 10 KFG 1967 hat der Lenker auf Fahrten Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, sowie bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen eine geeignete Warneinrichtung mitzuführen.

Der Beschwerdeführer behauptet, ihm sei eine Aufforderung zum Vorzeigen von Verbandzeug und "Warndreieck" nicht zugekommen. Deswegen habe er diese Gegenstände, die er im übrigen in seinem Kraftfahrzeug mitgeführt habe, nicht vorgewiesen.

Die belangte Behörde beruft sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf, daß in der Anzeige des Gendarmeriepostens Hartberg vom 28. Juni 1991 angeführt sei, daß der Beschwerdeführer Verbandzeug und Warndreieck nicht mitgeführt habe. Die beiden Gendarmeriebeamten, die bei der Anhaltung des Beschwerdeführers zugegen gewesen seien, hätten in ihren Zeugenaussagen die Richtigkeit der in der Anzeige enthaltenen Angaben bestätigt.

Der Beschwerdeführer ist insoferne im Recht, als er seine erste Verantwortung im Verwaltungsstrafverfahren in einem Verfahrensstadium abgegeben hat, als die beiden Zeugen bereits einvernommen gewesen waren. Die Aussagen der beiden Zeugen erschöpfen sich in der Bestätigung der Richtigkeit der in der Anzeige enthaltenen Angaben. Die Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens haben außer den genannten Zeugenaussagen keine Beweise aufgenommen. Darin, daß das Ermittlungsverfahren nicht ergänzt wurde, um die Glaubwürdigkeit der Beschuldigtenverantwortung des Beschwerdeführers zu beurteilen, sondern daß diese Verantwortung als unglaubwürdig beurteilt wurde, obwohl zur Frage der Art und Weise der Feststellung des Nichtmitsichführens der in Rede stehenden Gegenstände keinerlei wie immer geartete Beweismittel vorliegen, hat die belangte Behörde in einem wesentlichen Punkt Verfahrensvorschriften verletzt. Die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde ist nicht schlüssig.

1.4. Dasselbe gilt in Ansehung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Unterlassung des bestimmungsgemäßen Gebrauches des Sicherheitsgurtes im Sinne des Art. III Abs. 1 und 5 lit. a der 3. KFG-Novelle. Der Beschwerdeführer behauptet, er sei während der Fahrt angegurtet gewesen und habe den Sicherheitsgurt erst während des Anhaltevorgangs gelöst, sodaß er von den Gendameriebeamten ohne angelegten Gurt angetroffen worden sei. Auch zu dieser Behauptung liegen keine Ermittlungen und Feststellungen der belangten Behörde vor.

1.5. Was schließlich die Übertretung nach § 71 Abs. 3 KFG 1967 anlangt, ist unbestritten, daß das im Führerschein des Beschwerdeführers angebrachte Lichtbild diesen mit schulterlangen Haaren gezeigt hat, während der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt eine "Stoppelfrisur" hatte.

Gemäß § 71 Abs. 3 KFG 1967 in seinem hier zum Tragen kommenden Inhalt hat der Besitzer eines insofern ungültig gewordenen Führerscheines, als das Lichtbild den Besitzer nicht mehr einwandfrei erkennen läßt, unverzüglich die Ausstellung eines neuen Führerscheines zu beantragen.

Der Beschwerdeführer hat bereits im Verwaltungsstrafverfahren behauptet, seine einwandfreie Erkennbarkeit anhand des Lichtbildes sei trotz der unterschiedlichen Länge der Haare gegeben gewesen.

Entgegen der Meinung der belangten Behörde hättte sie sich diebezüglich nicht auf die Angaben der Gendarmeriebeamten verlassen dürfen. Sie hätte vielmehr selbst Feststellungen darüber zu treffen gehabt, ob das Lichtbild dem gesetzlichen Erfordernis entsprochen hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1989,

Zlen. 89/02/0103, 0104). Nicht jede Veränderung der Haartracht bewirkt, daß die betreffende Person auf einem Lichtbild aus der Zeit vor der Änderung nicht mehr einwandfrei zu erkennen ist. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie auch in diesem Punkt den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

2. Zur Strafbemessung bemängelt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse überhaupt nicht erhoben.

Soweit diese Rüge im Hinblick auf die Ausführungen zu obigem Punkt 1. noch aktuell ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof von vornherein nicht zu erkennen, wieso (im Zusammenhang mit einer Übertretung nach § 106 Abs. 1a KFG 1967) eine Geldstrafe von S 300,-- bei einem Strafrahmen bis zu S 30.000,-- - also im Ausmaß von einem 1 % der Höchststrafe - eine Überschreitung des der Behörde in diesem Zusammenhang eingeräumten Ermessens darstellen könnte. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer in keiner Weise dartut, zu welchem Ergebnis die seiner Meinung nach zu Unrecht unterbliebenen Ermittlungen geführt hätten und welchen Einfluß sie auf die Strafbemessung hätten haben müssen.

3. Der angefochtene Bescheid war daher in Ansehung der Schuld- und Strafaussprüche sowie der Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen in Ansehung der Übertretungen nach § 33 Abs. 1 und nach § 71 Abs. 3 KFG 1967 gemäß § 42 Abs. 2 Z.1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie in Ansehung der Übertretungen nach § 102 Abs. 10 und nach Art. III Abs. 5 lit. a der 3. KFG-Novelle gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im übrigen (in Ansehung der Übertretung nach § 106 Abs. 1a KFG) war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid lediglich in einfacher Ausfertigung vorzulegen war und die für die überflüssigen Bescheidausfertigungen entrichteten Stempelgebühren nicht ersetzt werden konnten.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991020056.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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